So schätzen ihn Liebhaber: Rostbraten mit Zwiebeln und Spätzle – wenn sie denn ein Lokal finden, das ihn noch auf der Karte hat. Foto: Lichtgut/Julian Rettig

Die schwäbische Küche ist beliebt. Aber es ist mittlerweile schwer, eine Gaststube oder ein Restaurant zu finden, das noch Traditionelles auf der Karte hat. Ein kulinarischer Rundumschlag mit einer Portion Wehmut.

Wo gibt es hier Rostbraten? Diese Frage hat ein Passant in Waiblingen unweit des Rathauses gestellt, und die Suche nach einer Antwort war spannend. Auf dem von Fachwerkhäusern gesäumten Marktplatz schauten sich Auswärtige fragend um. In der fußgängerfreundlichen Innenstadt sind Einwohner wie Besucher gastronomisch gut und angenehm versorgt, man kann wählen zwischen einem italienischen Ristorante und einer Trattoria, sich für das Tagblatt entscheiden oder die Sternküche von Bernd Bachhofer. Nur am Alten Rathaus, es befindet sich in Besitz der Stadt Waiblingen, hängt schon viele Jahre ein Schild mit dem Hinweis, dass das Restaurant geschlossen sei. In diesem historischen Ambiente könnte man sich den Genuss eines Rostbratens trefflich vorstellen.

Aber – die Renovierung kommt offenkundig nicht in die Gänge. An anderen Stellen wiederum fehlt es am Koch oder am Servicepersonal, weshalb die Spezialität nicht mehr oder nur zu eingeschränkten Öffnungszeiten auf den Teller kommt. Ein kulinarische Enttäuschung, die nicht nur Rostbraten-Fans betrifft. Umso mehr erfreut es Schwaben und Auswärtige, dass etwa im Bürgerzentrum Waiblingen die neuen Pächter den Rostbraten auf die Karte gesetzt haben, neben anderen schwäbischen Leibspeisen.

Fellbach ist noch gut bestückt

Wer in der Gegend einen Rostbraten essen will, muss also recherchieren. Angebote von Döner, Pizza, einer vegetarischen Bowl oder einem veganen Snack sind nahezu allgegenwärtig, immer öfter auch „to go“. Da braucht man kein Personal für den Service am Tisch. In der Innenstadt oder um die Ecke ein Lokal zu finden, das schwäbische Maultaschen, Kässpätzle oder eben einen Rostbraten anbietet, ist gar nicht so einfach.

In Fellbach befindet sich Liebhaber dieses Gerichts glücklicherweise noch nicht in einer Rostbraten-freien Zone, im Fellbacher Oberdorf steht das Traditionsgericht auf vergleichsweise vielen Speisekarten. Ein paar Kostproben gefällig? Aldinger’s Restaurant Germania bietet das Fleischstück an, beim Hirschen wird es von Tobias Favorat serviert, im Gasthaus Zom Schiller und auch in der Schmiede. Stammgäste und eingefleischte Rostbraten-Fans wissen das, aber Touristen? Finden sie den Weg nach Oeffingen ins Kreuz oder zum Ochsen, in den Schnitzbiegel in Schmiden oder in eine der saisonal geöffneten Besenwirtschaften?

Die Sehnsucht nach schwäbischer Küche bei den einen und die Suche bei den anderen entwickelt sich seit geraumer Zeit zu einem omnipräsenten Thema. Früher konnte man sicher sein, dass in der Dorfgaststätte mit ihren typisch deutschen Namen wie Krone, Traube, Anker oder Goldener Pflug auch typisch deutsche und regionale Kost aufgetischt wird. Inzwischen ist das nicht mehr per se gewährleistet. In der Krone steht beispielsweise ein Pizzabäcker in der Küche, in der Traube kommen die Wirtsleute aus Griechenland, und den Goldenen Pflug haben türkische Wirte als Pächter übernommen. Das Interieur ist das Gleiche geblieben, die Speisekarte nicht.

So ist es auch im gesamten Remstal, manche Traditionsgaststätte gibt auf. Es finden sich oft keine Nachfolger, weder aus der Betreiberfamilie noch von außen. Schauen wir nochmals nach Waiblingen. In der Eintracht mitten in der Fußgängerzone wird seit ein paar Jahren asiatisch gekocht. Im Krebenstüble in Kernen-Stetten wurden aus den Gasträumen Wohnungen, und in der Weinstube Idler dort ist nach dem Sommerurlaub im September die Küche kalt geblieben – eine Änderung ist nicht in Sicht.

Wenn der Rostbraten das Ausflugsziel bestimmt

„Uns fehlt das Personal für die Küche“, beklagt Herbert Idler. Er stand 60 Jahre lang als Koch am Herd, seine schwäbischen Gerichte sind Kult, angefangen beim Rostbraten bis hin zum Sauerbraten mit selbst gemachten Semmelknödeln oder der geschnetzelten Leber mit Kartoffelpüree. Seine frisch gemachten Maultaschen lieferte er bis nach Asien, in der Markthalle Stuttgart waren sie immer im Sortiment. Wenn nun in der Gaststube des Idler in Stetten die Lichter endgültig ausgehen sollten, dann erlischt in dem Zusammenhang wieder ein Stück der gutbürgerlichen, schwäbischen Küchentradition, die früher vor allem die Stuttgarter Gäste zuhauf ins Remstal und in die Linde, wie das Lokal einst hieß, zog.

Der Rostbraten galt lange Zeit als „Sonntagsessen“ und war etwas Besonderes. Er hatte schon immer seinen Preis. Es soll noch immer Gourmets geben, die ihren Sonntagsausflug nach dem Rostbraten-Angebot ausrichten. Oder Handwerker, die ihre Tarife am Preis eines Rostbratens orientieren. Ein Stück Fleisch als Währung.

Unter 20 Euro kommt ein Rostbraten nur noch selten auf den Teller, egal ob es ein Zwiebelrostbraten mit Röstkartoffeln oder Bauernbrot ist, vom Rind und mit dunkler Sauce, oder ein Stück vom Kalbsrücken mit gedämpften Zwiebeln und Spätzle. Apropos Zwiebeln, das ist eine Philosophie, an der sich die Geister scheiden. Glasig oder kross? Anders ist es bei der Qualität des Fleisches, da gibt es keine Kompromisse, sie ist entscheidend. Mürbe und lange abgehangen sollte das mindestens fingerdicke Stück Fleisch sein. Nicht blutig, sondern zartrosa sollte es serviert werden. Die glasige Speckschwarte am Rand ist von Liebhabern gerne gesehen, aber kein Muss.

Wie so oft, auch beim Rostbraten gibt es regionale Ansprüche. In dem Fall kommen sie wieder mal aus Österreich, in Wiener Restaurants gehört er offensichtlich zu den Traditionsgerichten. Wie es dort um diese Spezialität bestellt ist? Das ist eine andere, aber vermutlich ähnliche Geschichte.

Schade wäre es jedenfalls hierzulande wie auch jenseits der Alpen, wenn der Rostbraten auf dem Rückzug wäre, weil es das typische Gasthaus im Ortskern bald nicht mehr gibt. Ein Dilemma. Eine Verarmung der Essenskultur. Reisnudeln statt Rostbraten, ist das die Zukunft? Investoren haben den Braten schon längst gerochen.