Kurz vor der Landtagswahl in Baden-Württemberg klären wir die wichtigsten Fragen und Begriffe. Lesen Sie hier, was Sie vor dem Wahltag an diesem Sonntag wissen müssen.
Stuttgart - Die Landtagswahl in Baden-Württemberg steht unmittelbar bevor. Vor dem Tag des Urnengangs beantworten wir an dieser Stelle die drängendsten Fragen rund um die Wahlen im Südwesten. Lesen Sie hier die wichtigsten Erläuterungen und Definitionen mit Blick auf das wichtige politische Ereignis am Sonntag.
Wann ist ein Politiker ein Abgeordneter?
Nicht jeder Politiker ist automatisch auch ein Abgeordneter. So werden nur diejenigen genannt, die etwa bei der Landtagswahl in ein Parlament gewählt werden. Denn sie wurden in den Landtag abgeordnet. Meist sind Politiker Parteimitglieder. Im baden-württembergischen Landtag sitzen im Moment 143 Abgeordnete.
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Und was machen Abgeordnete den ganzen Tag? In bestimmten Wochen arbeiten sie vorrangig in Stuttgart im Landtagsgebäude. Diese Wochen werden Sitzungswochen genannt. Dann diskutieren die Politiker gemeinsam im Parlament über Themen, halten Reden, stimmen über Gesetze ab oder treffen sich in Arbeitsgruppen. In Corona-Zeiten werden viele aber auch über das Internet zugeschaltet.
Landtagsabgeordnete sind aber auch oft in den Regionen, in denen sie gewählt wurden. Dort treffen sie sich mit Bürgern oder Firmenchefs, um sich über deren Probleme zu informieren. So können sie die Wähler besser im Landtag vertreten.
Der Begriff Mandat bezeichnet das Amt und die Aufgaben eines Abgeordneten. Das Wort kommt aus der lateinischen Sprache. Übersetzt bedeutet es „übergeben“ und auch „anvertrauen“.
Was sind Überhangmandate und Ausgleichsmandate?
Jeder Wahlberechtigte hat nur eine Stimme bei der Landtagswahl. Die kann er einem Kandidaten geben. Wer die meisten Stimmen in seinem Wahlkreis bekommt, erhält einen Platz im Landtag.
Die Stimmen für andere Kandidaten verfallen aber nicht. Sie werden für die jeweiligen Parteien zusammengezählt. Dann wird errechnet, wie viele Plätze jede Partei pro Regierungsbezirk im Landtag bekommt.
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Gewinnen nun mehr Politiker einer Partei auf dem direkten Weg ihre Wahlkreise, als der Partei nach der Berechnung Plätze im Landtag zustehen, dürfen sie trotzdem ins Parlament ziehen. Das nennt man Überhangmandat. Dann wird geprüft, ob ein Ausgleich für andere Parteien in dem betroffenen Regierungsbezirk stattfinden muss.
Dabei kann es sein, dass die Verteilung der Sitze nicht mehr dem Verhältnis bei der Verteilung der Stimmen entspricht. Dann bekommen alle Parteien, die nun vergleichsweise schlechter dastehen, so viele zusätzliche Plätze im Landtag, bis das Verhältnis zwischen den Parteien wieder stimmt. Das sind dann sogenannte Ausgleichsmandate.
Was ist eine Fraktion?
Sitzen, wo man will? Das geht für die Abgeordneten im Landtag nicht. Welcher Politiker wo sitzt, hängt davon ab, zu welcher Fraktion er gehört. Eine Fraktion ist eine Gruppe von Abgeordneten, die bei vielen Themen ähnliche Ansichten haben. Und als Gruppe können sie im Parlament mehr erreichen als ein Abgeordneter allein. Sie dürfen zum Beispiel gemeinsam einen Vorschlag für ein neues Gesetz machen.
In der Regel gehören die Mitglieder einer Fraktion auch derselben Partei an. Es können sich aber auch Parteien zu einer Fraktion zusammenschließen. Derzeit ist das im baden-württembergischen Landtag nicht der Fall. Dort gibt es bislang die Fraktionen von Grünen, CDU, SPD, AfD und FDP. Manche Abgeordnete gehören keiner Fraktion an.
Wer ist die Opposition?
Das Wort Opposition bedeutet so viel wie „etwas entgegensetzen“. So eine Opposition gibt es auch in der Politik, zum Beispiel im Landtag. Die Opposition besteht dort aus Abgeordneten, die zwar im Parlament vertreten sind - aber deren Parteien nicht zur Regierung gehören. Die Parteien der Opposition haben bei einer Wahl zusammen meist nicht so viele Stimmen bekommen wie die Parteien in der Regierung. Im Moment sind das SPD, AfD und FDP.
Die Opposition hat trotzdem eine wichtige Aufgabe: Denn sie beobachtet die Regierung und kritisiert ihre Arbeit. Außerdem macht die Opposition auch eigene Vorschläge etwa für Gesetze. Sie soll dabei die Meinung der Menschen vertreten, die sie gewählt haben. Nur: Wenn die Mitglieder der Regierungspartei oder der Regierungsparteien sich alle einig sind, kann die Opposition sich in den meisten Fällen nicht durchsetzen. Denn sie wird schlicht von der Mehrheit im Landtag überstimmt.
Was ist eine Koalition?
Allein bestimmen wollen viele gern - auch politische Parteien. Aber in der Regel ist eine Partei allein nicht stark genug zum Regieren. Also muss sie sich mit einer oder mehreren anderen Parteien verbünden. Werden die Gruppen sich einig über ihre Ziele, können sie als Partner regieren. Sie teilen sich dann die Arbeit in der Regierung und entscheiden möglichst viele Dinge zusammen.
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So ein Bündnis nennt man Koalition. In dem Wort steckt das lateinische Verb „coalescere“. Das bedeutet übersetzt etwa „zusammenwachsen“ oder „sich vereinigen“. Es ist eine Art Ehe auf Zeit, bis der nächste Landtag gewählt wird.
Eine Koalition gibt es derzeit zum Beispiel auch in der Bundesregierung, wo CDU, CSU und SPD gemeinsam regieren. In Baden-Württemberg machen das momentan Grüne und CDU.
Was ist ein Kabinett?
Ein Minister für Gesundheit, einer für die Justiz, eine Ministerin für die Wissenschaft, eine für die Bildung: In jeder Regierung gibt es Fachleute, die sich um bestimmte Aufgaben kümmern. Sie heißen Minister und leiten jeweils ein Ministerium. Sie arbeiten unter der Führung ihres Ministerpräsidenten - des Chefs der Regierung. Gemeinsam bilden sie das Kabinett.
Nach einer Landtagswahl wird das Kabinett in der Regel neu zusammengesetzt. Die Parteien, die eine Regierung bilden, überlegen dann: Wer soll welches Ministerium übernehmen? Da redet natürlich auch der künftige Ministerpräsident kräftig mit.
Auch auf Bundesebene gibt es ein Kabinett: Das sind die Bundesminister und ihre Chefin, Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU).
Wie funktionieren Hochrechnungen?
„Die Grünen liegen bei der Wahl vorne“ oder „Grüne und CDU werden wahrscheinlich zusammen regieren können“: Grundlage für solche Nachrichten an Abenden von Wahlen sind Hochrechnungen. Die Wahllokale schließen um 18.00 Uhr. Danach werden die abgegebenen Stimmen ausgezählt. Experten verkünden in Medien aber oft da schon, wie viele Stimmen die einzelnen Parteien bekommen haben könnten. Sie gehören zu sogenannten Meinungsforschungsinstituten.
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Woher wissen die Fachleute so schnell, welche Partei gewonnen haben könnte? Sie können vorläufige Ergebnisse ausrechnen. Dafür haben die Fachleute bestimmte Wahllokale ausgesucht, bei denen sie am Wahltag vor der Tür Wähler befragen, wie diese sich entschieden haben. Die Daten werden am Computer gesammelt und aufs ganze Land bezogen berechnet. Das Ergebnis nennt man eine Prognose.
Wenn die ausgesuchten Wahllokale schließen und die Wahlhelfer die Stimmen auszählen, notieren die Experten, welche Partei wie viele Stimmen bekommen hat. Die tatsächlichen Ergebnisse fließen mit in die Berechnung ein, die Prognose wird entsprechend angepasst und nähert sich Stück für Stück dem wahren Ergebnis. Das nennt man Hochrechnung.
Bis tatsächlich alle Stimmen im ganzen Land gezählt sind, dauert es noch mehrere Stunden. Erst dann steht das endgültige Ergebnis fest.
Was ist eine Legislaturperiode?
In dem Wort Legislaturperiode steckt der lateinische Begriff für Gesetz: lex, legis. Gemeint ist also der Zeitraum, in dem ein Parlament wie der Landtag Gesetze beschließen kann. Der Zeitraum ist immer festgelegt: In Baden-Württemberg beträgt die Legislaturperiode, die man auch Wahlperiode nennt, für den Landtag fünf Jahre. Das heißt: Alle fünf Jahre muss ein neuer Landtag gewählt werden. Die aktuelle Legislaturperiode endet am 30. April.
In den meisten anderen Bundesländern ist der Zeitraum ebenso groß. Für den Bundestag dauert die Legislaturperiode hingegen nur vier Jahre. Befürworter eines Fünf-Jahres-Rhythmus finden, dass den Abgeordneten bei einem größeren Abstand zwischen den Wahlen und den damit verbundenen Wahlkämpfen mehr Zeit für ihre inhaltliche Arbeit bleibt. Aus Sicht der Kritiker verliert das Wahlvolk aber an Macht, weil es weniger oft und erst nach längerer Zeit mitbestimmen kann.
Das ist auch der Grund, warum der Zeitraum überhaupt begrenzt ist: In einer Demokratie sollen die Bürger immer wieder entscheiden, welche Politiker sie vertreten. Weil sich die Meinungen der Menschen ändern können, wird alle paar Jahre bei Wahlen der aktuelle Stand abgefragt.
Wer wird Minister?
Wer zur neuen Regierung von Baden-Württemberg gehört, entscheidet sich nach der Landtagswahl. Die Regierung besteht aus dem Ministerpräsidenten, den Ministern und Staatssekretären. Der Ministerpräsident ist Chef der Regierung, das ist im Moment Winfried Kretschmann (Grüne).
Für wichtige Themen hat die Regierung verschiedene Abteilungen. Diese Abteilungen nennt man Ministerien. Es gibt zum Beispiel das Ministerium für Finanzen, das Ministerium für Soziales und Integration sowie das Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Wohnungsbau. Insgesamt sind es im Moment zehn Stück. Hinzu kommt das Staatsministerium, wo der Regierungschef seinen Arbeitsplatz hat. Die Zahl kann sich ändern, wenn es neue Ministerien für eigene Themen geben soll oder Themen unterschiedlich kombiniert werden.
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Jeder Minister ist Chef eines Ministeriums. Er soll sich darum kümmern, dass in seinen Bereichen alles so läuft, wie der Landtag es beschlossen hat. Minister dürfen auch neue Gesetze vorschlagen.
Abgeordnete müssen vom Volk gewählt werden, für Minister gilt das nicht. Nach der Landtagswahl schlägt der Ministerpräsident die Minister für die Regierung vor. Damit diese dann wirklich Minister sind, muss der Landtagspräsident sie noch dazu ernennen. Er überreicht ihnen dafür feierlich eine Urkunde.
Was ist die Fünf-Prozent-Hürde?
Bei der Landtagswahl treten zwar viele Parteien und Wählergruppen an - aber nur wenige können so viele Wähler von sich überzeugen, dass sie es ins Parlament schaffen. Die meisten bekommen dafür zu wenige Stimmen. In der deutschen Politik gibt es eine Grenze, die die Parteien bei den Wahlen zum Bundestag und zu den Landtagen erreichen müssen: Man spricht von der Fünf-Prozent-Hürde. Das bedeutet: Die Parteien müssen einen Anteil von mindestens fünf Prozent der Stimmen bekommen. Von hundert Wählern müssten also mindestens fünf ihre Stimme für diese Partei abgeben.
Besonders für kleine Parteien ist es schwierig, so viele Wähler zu überzeugen, um die Fünf-Prozent-Hürde zu knacken. Diese Parteien haben meist nur wenige Mitglieder und Anhänger. Fachleute sprechen auch von Kleinparteien. Dazu zählt etwa die Tierschutzpartei.
Grund für die Fünf-Prozent-Hürde sind Erfahrungen aus der Weimarer Republik in den Jahren von 1918 bis 1933. Damals gab es eine solche Grenze nicht - im Grunde konnte jede Partei ins Parlament einziehen. Das führte zu einer zersplitterten Parteienlandschaft, die die Zusammenarbeit und Regierungsbildungen sehr schwer machte. Hier soll die Fünf-Prozent-Hürde die Arbeit erleichtern.