Bei der Kleidertauschparty in Renningen ist die Auswahl groß. Foto: Simon Granville

Wie findet Kleidung, die nicht mehr passt oder gefällt, ein neues Zuhause in Leonberg und Umgebung? Ein Selbstversuch zwischen Internet, Secondhand-Laden und Kleidertauschparty.

Zwei Blazer, eine Jeansjacke, eine Hose, eine Bluse und diverse andere Oberteile – all das habe ich kürzlich aus meinem Kleiderschrank aussortiert. Manches passt nicht mehr, manches gefällt mir nicht mehr. Doch was mache ich damit, wenn ich es nicht in den Müll schmeißen möchte?

Bei der Bluse ist die Entscheidung einfach. Sie ist weiß und hat einen Fleck, der einfach nicht mehr verschwinden will. Sie wandert tatsächlich in den Müll. Zwar gibt es seit dem 1. Januar 2025 eine die EU-weite Regelung, dass Alttextilien getrennt vom Hausmüll gesammelt werden müssen. „Aber stark beschädigte, verschmutzte oder kontaminierte Textilien dürfen weiter über den Restmüll entsorgt werden“, erklärt Astrid Saalbach, Nachhaltigkeitsmanagerin beim Landkreis Böblingen, der etwa 350 Altkleidercontainer an über 170 Standorten aufgestellt hat – die meisten davon auf den Wertstoffhöfen oder an den Containerstandorten für Glas und Dosen.

60 neue Kleidungsstücke werden im Schnitt pro Jahr gekauft

Wäre der Altkleidercontainer also die Lösung? Ja und nein. Ich fische zwei Oberteile aus meinem Stapel, die ihre beste Zeit schon hinter sich haben, und packe sie in eine Tüte für den Container. 1904 Tonnen Altkleider hat der Kreis Böblingen im vergangenen Jahr eingesammelt, 80 mehr als noch 2023. Noch bekomme man von einem Verwerter Geld für die Textilien. „Aber die Kapazitäten, um daraus Putzlappen oder Dämmmaterial zu machen, sind in Deutschland mittlerweile erschöpft“, sagt Astrid Saalbach.

Denn tatsächlich wächst der Berg an Klamotten in den deutschen Kleiderschränken jährlich. Im Schnitt 60 neue Kleidungsstücke kauft jeder in Deutschland pro Jahr, das sind etwa 18 Kilo. Durchschnittlich 78 Euro bezahlt jeder für Klamotten – im Monat. Noch viel mehr schreckt mich: Jedes fünfte Kleidungsstück wird nie getragen. Und die gesamte Modeindustrie verursacht etwa zehn Prozent der weltweiten CO₂-Emissionen.

Natürlich könnte ich versuchen, meine Sachen auf Online-Portalen wie Kleinanzeigen oder Vinted weiterzuverkaufen und ein wenig Geld dafür zu bekommen. Aber ich entscheide mich dagegen. Zu viel Aufwand für viel zu wenig Ertrag. Es handelt sich schließlich nicht um Designer- oder Vintage-Stücke.

Secondhand-Mode für den guten Zweck verkauft

Was bleibt noch übrig? Spenden. Auch wenn der Diakonieladen in Leonberg geschlossen hat, gibt es noch einige Anlaufstellen in Leonberg und Umgebung, etwa die DRK-Kleiderkammer in Leonberg, der Malmsheimer Laden, das Nachhaltigkeitsnetzwerk im Strohgäu oder das Look up in Flacht. Selbst im beschaulichen Weil der Stadt gibt es mit dem Fairkauf mittlerweile einen kleinen Secondhand-Laden. Alle Initiativen sind gemeinnützig. Falls sie Gewinne erzielen, werden die gespendet oder für wohltätige Aktionen eingesetzt.

So auch beim Malmsheimer Laden. „Wir konnten im vergangenen Jahr 55 000 Euro an 14 verschiedene Vereine und Organisationen spenden, nachdem unsere Kosten gedeckt waren“, berichtet mir Elke Haamann, die Vereinsvorsitzende, als ich mit meinem Beutel voll aussortierter Kleidung im Laden stehe. Dieser hat drei Mal pro Woche geöffnet. „Da kommen schon mal zehn Säcke mit Kleidung zusammen, wobei das auch nach Jahreszeit wechselt“, sagt Haamann.

Aktuell werde sehr viel gespendet. Ich bin wohl nicht die einzige, die einen Frühjahrsputz im Kleiderschrank vorgenommen hat. „Wir sind voll bis unters Dach und haben gar nicht den Platz, dass alles in den Laden kommt“, erklärt die Vereinsvorsitzende. Die ehrenamtlichen Mitarbeiter müssten schon aussortieren. Was nicht in den Laden kommt, werde an andere Organisationen weitergegeben, die es dahin bringen, wo es gebraucht wird, etwa in die Ukraine oder nach Moldawien. Modische Sachen haben aber eine größere Chance, auf der Ladenfläche zu landen. Meine Jeansjacke zum Beispiel.

Kindersachen, Damen- und Herrenbekleidung oder Sportsachen – für jeden findet sich etwas im Malmsheimer Laden. Während ich bei den Kindersachen für meinen Nachwuchs stöbere – die Hosen meiner beiden Zwerge haben irgendwie immer Löcher am Knie –, schickt mir einen Freundin eine Einladung für eine Kleidertauschparty in Renningen.

Was nicht mehr gebraucht wird, darf weiterziehen

Coole Idee, denke ich mir. Und werfe daheim nochmals einen Blick in meinen Schrank, ob ich nicht doch mehr finde, das weiterziehen darf. Ich entscheide mich für einen weiteren Blazer, eine Bluse und eine Hose, die nicht richtig sitzt. Damit mache ich mich auf den Weg ins Bürgerhaus nach Renningen. Meine Ausbeute scheint mickrig im Vergleich zu manch anderer Teilnehmerin. Eine Frau kommt mit einem ganzen Rollkoffer an. Auch die Auslage, die die ehrenamtlichen Helfer vom Renninger Bekleidungsherz vorbereitet haben, ist ansehnlich.

„Dafür ist unser Bekleidungsherz-Container fast leer“, erklärt Judith Schmiedeberg, die die Kleidertauschparty mitorganisiert hat. Die acht Helferinnen haben einfach alles mitgebracht, was sonst an jedem Samstagvormittag auf dem Edeka-Parkplatz angeboten wird. Auch diesmal ist alles kostenlos zum Mitnehmen. Was mir gefällt, darf ich einfach so einpacken. Was von meinen abgegebenen Sachen keinen neuen Besitzer findet, kann ich wieder mitnehmen oder beim Bekleidungsherz lassen. „Wir wollen dafür sensibilisieren, dass Sachen, die noch gut sind, die man aber nicht mehr braucht, noch von jemand anderem gebraucht werden können“, meint Judith Schmiedeberg.

Von Fast Fashion bis Designer-Mode: Alles ist dabei – alles ist dabei

Meine Freundin und ich schauen uns um. Wir entdecken die üblichen Billigmarken, deren Stil modisch gerade nicht mehr aktuell ist oder die einfach nicht lange halten. Dazwischen gibt es aber auch Schätze zu entdecken. Ein Designer-Blazer, ein hochwertiger Hoodie einer bekannten deutschen Marke oder ein selbst gestrickter Hauch von einem Pullover, vermutlich aus Angorawolle.

Ohne großen Aufwand bin ich meine aussortierten Sachen losgeworden, ohne dass sie im Müll landeten – dafür mit der Aussicht, dass jemand anderes sie tragen wird. Das schlechte Gewissen, mehr Kleidung zu besitzen als 80 Prozent der Welt, nagt nicht mehr ganz so stark an mir. Dafür habe ich bei der Kleidertauschparty zwei Stücke gefunden, die ich nun weiterlieben darf. Ohne einen Cent dafür zu bezahlen und ohne neue Treibhausgasemissionen.