Nach der Zieldurchfahrt in Suzuka glaubt Max Verstappen, er sei noch nicht Weltmeister – doch dann greifen die Regelhüter ein. Ein Beinahe-Crash sorgt bei den Fahrern für Unmut.
Die Szene kennt man aus Spielfilmen und TV-Serien: Das nichts ahnende Geburtstagskind betritt nach einem Arbeitstag seine Wohnung, legt erschöpft den Schlüssel beiseite – plötzlich springen aus sämtlichen Ecken Freunde und Bekannte hervor und rufen: „Überraschung!“ So in etwa ist es Max Verstappen nach seiner Schicht im Red Bull nach dem Großen Preis von Japan ergangen. Der Niederländer hatte den Grand Prix gewonnen, war jedoch überzeugt, dass das nicht ganz gereicht hatte, um den WM-Titel zu verteidigen. Weltmeister? „Ich bin es nicht“, betonte der 25-Jährige kurz nach der Zieldurchfahrt.
Einige Minuten später war er doch Champion 2022. Nicht seine Freunde aus dem Red-Bull-Team, sondern die Regelhüter des Automobil-Weltverbands Fia sorgten für die Party-Überraschung. Die Kommissare belegten Charles Leclerc mit einer Strafe wegen Verlassens der Piste, womit der Ferrari-Fahrer von Platz zwei auf Rang drei hinter Red-Bull-Mann Sergio Perez zurückfiel. Zudem beschlossen sie, die volle Punktzahl zu vergeben, obwohl nur 28 Runden absolviert worden waren, also weniger als die vorgeschriebenen 75 Prozent von 53 Runden. Bei Red Bull ging auch Teamchef Christian Horner davon aus, dass ein Zähler zur Titelverteidigung fehle. „Wir waren uns ziemlich sicher, dass nur volle Punkte vergeben werden, wenn 75 Prozent des Rennens absolviert sind“, sagte Horner. Die Fia erklärte mit Verspätung, die Wertung sei möglich, weil das Rennen wegen schweren Regens nach einer Unterbrechung wieder aufgenommen worden sei. „Die vom Weltverband haben es mir erklärt“, erzählte Verstappen, „mir ist egal, dass es etwas verwirrend war. Ich fand es eigentlich ganz lustig.“
Der 25-Jährige stieg in Suzuka in die Riege der Doppel-Weltmeister auf – der Niederländer ist der 17. Fahrer der Serie, der mehr als einmal die WM-Krone eroberte. „Es ist ein großartiges Gefühl“, sagte der Triumphator mit etwas Abstand, „ich habe noch ein paar Jahre vor mir. Ich will mehr Rennen und auch Titel gewinnen.“ Jedoch musste er auf eine große Sause mit den Mitgliedern seines Rennstalles verzichten. „Wir müssen zum Flughafen, wir haben in Europa Verpflichtungen, und wir haben ehrlich nicht damit gerechnet, dass es hier passiert“, erklärte Red-Bull-Berater Helmut Marko im TV-Interview, der versprach, die Titelparty „schon irgendwann nachzuholen“.
Ende gut, alles gut. Der Grand Prix hätte aber auch ein tragisches Ende nehmen können. Ein riskant platzierter Bergekran an der Strecke hat für Unmut gesorgt. Zwar war das Saftey-Car in Runde zwei auf der Strecke, doch Pierre Gasly versuchte im Alpha Tauri mit mehr als 200 km/h aufs Feld aufzuschließen – als er dem Fahrzeug nur knapp ausweichen konnte. „Das war das Schlimmste, was ich in den letzten Jahren gesehen habe“, sagte Perez und viele Fahrer sahen das genauso. Am 2014 war Jules Bianchi im Regen von Suzuka unter einen Abschleppkran gekracht; er hatte sich schwerste Kopfverletzungen zugezogen, denen er im Sommer 2015 erlag.