Kein Ferrari-Mann auf dem Podium in Imola: Charles Leclerc patzte kurz vor Schluss und wurde nur Sechster. Foto: AFP/MIGUEL MEDINA

Charles Leclerc verpasst in der Emilia-Romagna das Podium, Teamkollege Carlos Sainz fällt nach Unfall aus – und Red-Bull-Rivale Max Verstappen siegt. Ein Desaster für Rot.

Am Sonntag ist in Italien ein Feiertag kräftig ins Wasser gefallen. Zum einen, weil es rund um Imola immer wieder mal mehr, mal weniger geregnet hat. Zum anderen, und das war der Hauptgrund, weil nach dem Großen Preis der Emilia-Romagna keine italienische Hymne gespielt wurde und nicht mal ein Mann in Rot bei der Siegerehrung auf dem Podium aufgetaucht ist. Der Weltmeister hatte was dagegen. Max Verstappen hat erst am Samstag mit seinem Sieg im Sprint das geplante italienische Fest kurzfristig abgesagt und am Sonntag mit einem souveränen Triumph auf dem Autodromo Dino e Enzo Ferrari eine andere Festa italiana unter den 120 000 Zuschauern verhindert – als Verstappen mit Champagner spritzte, hatten viele Ferraristi die Tribünen schon verlassen.

„Das war ein netter Sonntag. Wir hatten auf ein starkes Wochenende gehofft, so ist es dann auch glücklicherweise gekommen“, sagte der Red-Bull-Mann, „das Wetter war nicht kalkulierbar, wir haben als Team keinen einzigen Fehler gemacht.“ Sieg im Sprint und im Grand Prix, dazu die schnellste Rennrunde – macht 34 Punkte, mehr sind nicht möglich. Der Niederländer verkürzte seinen Rückstand auf Leclerc, der in Italien nur 15 Zähler gesammelt hatte, von 46 auf 27 Punkte. „Die WM ist noch lang, da ist noch nichts entschieden“, gab der 24-jährige Titelverteidiger zu Protokoll, wobei ihm niemand widersprechen dürfte.

Lesen Sie aus unserem Angebot: Darüber wurde im Fahrerlager gesprochen

Für Ferrari war das letzte April-Wochenende eines, an das sich keiner gerne erinnern wird. Ein Heimspiel mit einer schlimmen Schlappe. Mit hohen Erwartungen war die Scuderia angereist, hatte einen Heimerfolg fest eingeplant, dann war für Carlos Sainz der Grand Prix in Kurve zwei beendet und WM-Spitzenreiter Charles Leclerc kam lediglich als Sechster ins Ziel – im Kampf mit Red-Bull-Mann Sergio Perez um Position zwei rutschte der Monegasse zehn Runden vor Schluss von der Piste. „Ich habe einen Fehler gemacht, den ich nicht hätte machen dürfen. Dafür gibt es keine Entschuldigung“, ärgerte sich der 24-Jährige, „wir hatten nicht die Pace für den Sieg, aber ich wollte unbedingt Zweiter werden.“ Sainz schied direkt nach dem Start nach einer Kollision mit Daniel Ricciardo aus.

In Imola sind sich die WM-Rivalen Leclerc („Prinz Charles“) und Verstappen („Mad Max“) nicht ins Gehege gekommen, doch das war in der Vergangenheit nicht immer so. Nur 16 Tage liegen zwischen den Geburtsdaten der Duellanten, Verstappen kam am 30. September 1997 auf die Welt, Leclerc wurde am 16. Oktober geboren – seit sie zwölf Jahre alt sind, treffen sie sich immer wieder in verschiedenen Serien. Eine Rivalität fürs (Rennfahrer-)Leben – immerhin ist sie nicht mehr ganz so destruktiv geprägt wie noch vor zehn Jahren. Es war 2012 auf der Kartbahn im Val d’Argenton (100 Kilometer westlich von Nantes), wo die beiden 14-Jährigen im Rahmen der WSK-Euroseries heftigst aneinander gerieten. Es wurde um die besten Startplätze gefahren, Verstappen und Leclerc zählten zu den Favoriten – und nachdem der Niederländer triumphiert hatte, drängte ihn der Monegasse im Stile eines schlechten Verlierers von der Piste in den Matsch. Verstappen tobte, Leclerc spielte den Unschuldigen.

Lesen Sie aus unserem Angebot: Das Desaster bei Mercedes

Die Geschichte wäre längst vergessen, stünden sich die beiden nun nicht im Duell um die Krone in der Formel 1 gegenüber. Ein Video von damals schaffte es deshalb zum Youtube-Hit und sammelte mehr als 1,7 Millionen Klicks ein. „Wir können jetzt beide darüber lachen“, sagte Verstappen vor dem Großen Preis der Emilia-Romagna, und auch sein Kontrahent räumte ein, dass sich das Verhältnis deutlich entspannt hat. „Als wir Kinder waren, konnten wir uns nicht ausstehen“, verriet Leclerc, „nun reden wir miteinander. Max ist ein guter Kerl, aber wenn wir den Helm aufsetzen, kehrt die Rivalität wieder zurück, wie damals beim Kartfahren.“

Bester Beweis: 2019 stand der Ferrari-Pilot beim Grand Prix in Österreich vor seinem ersten Formel-1-Sieg, dann drückte sich Verstappen mit einem harten wie umstrittenen Manöver vorbei. Während Leclerc vor Wut schäumte, konterte der Niederländer schnippisch: „Wenn so ein Zweikampf nicht mehr möglich ist, können wir gleich zu Hause bleiben.“ Natürlich haben sie ihre Zweikämpfe fortgesetzt, in der Formel 1 duellieren sie sich erbittert, aber fair wie in Bahrain und Dschidda. In Melbourne raste Leclerc vorneweg und in Imola war’s Verstappen. Wenn aber die WM 2022 in die entscheidende Phase geht und es noch eng ist, könnte die alte Rivalität wieder aufflammen.