Gerätetraining stärkt Muskeln, Knochen und letztendlich auch das Herz und die Psyche. Foto: Denis Production/Adobe Stock

Wie Muskeltraining unser Herz gesund hält – und warum schon kurze intensive Einheiten effektiv sind.

Wer an Organe denkt, die Hormone produzieren, dem kommen kaum die Muskeln in den Sinn – und doch sind sie von der Masse das größte Körperteil, das Botenstoffe ausschüttet. Über 600 sind bekannt, man bezeichnet sie als Myokine. „Sie haben vor allem positive Wirkung auf verschiedenste Körperfunktionen und das Herz“, sagt Christian Schmied, Professor für präventive Kardiologie und Sportmedizin am Universitären Herzzentrum Zürich. „Das Tolle ist – durch Sport kann man dafür sorgen, dass diese Botenstoffe vermehrt ausgeschüttet werden.“

Auf die Myokine führt man viele positive Effekte des Sports auf das Herz-Kreislauf-System zurück. Auch Botenstoffe aus den Knochen, sogenannte Osteokine, spielen eine Rolle. „Es werden Botenstoffe wie E-Mails zwischen Knochen und Muskeln ausgetauscht“, sagt Martin Halle, Professor und Ärztlicher Direktor für Präventive Sportmedizin und Sportkardiologie am Klinikum rechts der Isar, dem Universitätsklinikum der Technischen Universität München. „Damit diese freigesetzt werden, muss man die Knochen belasten und die Muskeln dehnen, deswegen empfehlen wir heute Krafttraining in Ergänzung zum Ausdauertraining.“

Bereits 15 Minuten intensive Bewegung pro Woche zeigen Wirkung

Sogar sehr kurze, intensive Sportintervalle haben wohl deshalb sehr positive Wirkung. Kürzlich zeigte eine australische Studie, dass bereits 15 bis 20 Minuten intensive Bewegung pro Woche zu einem um 16 bis 40 Prozent gesunkenen Sterblichkeitsrisiko führen. Demnach reichen zweimal zwei Minuten körperliche Anstrengung am Tag schon aus, um das Risiko für Herzinfarkt und Schlaganfall zu senken. „Wenn ich von Sport rede, dann meine ich nicht Schach und Schießen“, sagt Martin Halle. „Es braucht eine gewisse Intensität der Muskelaktivierung, damit die Myokine freigesetzt werden.“

Solcher Sport bewirkt auch, dass herzschädigende Stoffwechselprodukte vermehrt aus dem Blut verschwinden. „Die Muskeln schütten auch Interleukin 6 aus“, sagt Martin Halle. „Ein entzündungsunabhängiger Stoff, der gleichzeitig dafür sorgt, dass die Muskeln die Glukose zur Energiegewinnung aus dem Blut saugen.“

Als wichtigster Risikofaktor für Herz-Kreislauf-Erkrankungen gelten Blutfette. „Besonders wenn das ‚schlechte‘ LDL-Cholesterin zu hoch ist, kommt es zu Arteriosklerose, der sogenannten Arterienverkalkung“, sagt Halle. „In den kleinen Herzkranzgefäßen wird kontinuierlich Cholesterin in den Wänden abgelagert, das über Jahre zu hochgradigen Gefäßverengungen und sogar Gefäßverschlüssen mit Folge eines Herzinfarktes führen kann.“ Durch sportliche Aktivität werden die Blutfette positiv beeinflusst – wie genau, ist allerdings noch nicht vollkommen verstanden.

Das schlechte LDL-Cholesterin (Low-density Lipoproteine; Eselsbrücke: „LiDerLich“), also Cholesterinpartikel mit niedriger Dichte, sind bei Sportlern in etwas geringerer Konzentration vorhanden und eher größer. Letzteres hält sie eher davon ab, in die Gefäßwände einzudringen und sich dort einzulagern.

Sportliche Belastung setzt in den Gefäßen Enzyme frei

Lange dachte man, dass Sport die Konzentration des „guten“ HDL-Cholesterinpartikel (High-density Lipoproteine; Eselsbrücke: „Hab-Dich-Lieb“) direkt erhöhe und dass dies vermehrt das „schlechte“ LDL-Cholesterin abtransportiere und so Ablagerungen in den Gefäßen verhindere. Allerdings macht Sport noch mehr, was noch nicht verstanden ist.

Denn wenn Ärzte mit Medikamenten den HDL-Spiegel erhöhen, hat dies allein noch keinen vorbeugenden Effekt bezüglich Herz-Kreislauf-Erkrankungen. „Was wir wissen, ist, dass durch sportliche Belastung in den Gefäßen Enzyme freigesetzt werden“, sagt Halle. „Diese docken in der Leber und in der Muskulatur an, verändern die Cholesterinpartikel zu weniger gefäßschädigenden Cholesterin- und Blutfetten.“

Als besonders herzschädigend haben Mediziner bestimmte Fettpolster ausgemacht. Man unterscheidet Fett, das unter der Haut liegt, und solches, das im Inneren des Bauchraumes die Organe umgibt oder sie regelrecht durchsetzt wie zum Beispiel bei der Leber. Jenes Viszeralfett gilt als besonders ungünstig, weil es ständig Entzündungsbotenstoffe bildet und ins Blut ausschüttet.

„Bei Menschen, die zu viel davon haben, sind die Leber, die Bauchspeicheldrüse und auch das Herz verfettet“, sagt Halle. „Dieses lokale Fettgewebe sorgt für eine ständige Entzündungsreaktion, und diese verursacht vor allem am Herzen eine frühzeitige Arteriosklerose und Versteifung der Herzwände.“

Auch auf Gefäße hat körperliche Anstrengung einen positiven Effekt

Überschüssiges viszerales Fett wird aber bei Sport vor den anderen Fettpolstern abgebaut. „Das viszerale Fett loszuwerden ist entscheidend, um das Risiko für Herzkrankheiten zu senken“, sagt Christian Schmied.

Auch auf die Gefäße hat körperliche Anstrengung einen positiven Effekt, vor allem auf die Arterien, die das sauerstoffreiche Blut vom Herz in den Körper bringen. Sie bleiben bei Menschen, die aktiv leben, elastischer. „Durch regelmäßige körperliche Aktivität können Arterien schnell von weit auf eng stellen und umgekehrt, um den Blutdruck zu regulieren“, sagt Halle. „Man kann durch Sport also auch ein Stück weit das Gefäßsystem regenerieren.“

„Man sollte langsam anfangen und die Intensität stetig steigern – bei Vorerkrankungen am besten nach Absprache mit dem Arzt“, sagt Michael Leitzmann, Professor für Epidemiologie und Präventivmedizin an der Uni Regensburg. „Aber sogar im fortgeschrittenen Alter oder bei Krankheit ist es immer noch besser, sich zu bewegen, als es sein zu lassen.“

Sport aktiviert den Teil des Nervensystems, der beruhigend wirkt

Schlaf
 „Die Muskulatur arbeitet für unsere Gesundheit, sogar dann, wenn wir schlafen“, sagt der Kardiologe Christian Schmied. Dies wird über das Nervensystem vermittelt. So sinken Ruhepuls und Blutdruck bei Menschen, die regelmäßig Sport treiben. Sport macht Ruhe erholsamer und den Körper bei Belastung effizienter. Parasympathikus
Wer sich sportlich betätigt, ist nach der aktiven Phase entspannter – auch psychisch. Sport aktiviert den Parasympathikus, den Teil des Nervensystems, der beruhigend wirkt. Vermittelt wird dies etwa dadurch, dass nach Anstrengung die Ausschüttung von aktivierenden Botenstoffen gedrosselt wird.

Psyche
Dies hat auch Einfluss auf den Herzschlag, der sich verlangsamt. Auch der Blutdruck sinkt. Wahrscheinlich werden durch Sport auch Botenstoffe ausgeschüttet, die direkt positiv auf die Psyche wirkten. Studien legen nahe, dass Menschen, die sich regelmäßig bewegen, seltener eine Depression entwickeln.