Eine junge Frau wird im Iran verhaftet und hingerichtet: Der Film „Sieben Winter in Teheran“ erzählt ihr Schicksal und wird am Freitag in Ludwigsburg gezeigt. Die Mutter Shole Pakravan wird vor Ort sein. Im Vorab-Gespräch erzählt sie von ihrer Tochter und den Hinrichtungen im Iran.
Shole Pakravan ist eine starke und mutige Frau. Was sie erzählt, bewegt ihr Gegenüber tief. Die heute 60-jährige Iranerin hat vor genau einem Jahrzehnt ihre Tochter verloren. Richtiger gesagt, wurde ihr ihr Kind genommen. Vom iranischen Regime, das die damals erst 19-jährige Reyhaneh Jabbari verhaftete, in einem Schau-Prozess verurteilte und nach sieben Jahren im Gefängnis hinrichtete.
Reyhaneh Jabbari studierte Informatik und arbeitete als Innenarchitektin, als sie im Sommer 2007 von einem älteren Mann unter einem Vorwand in dessen Praxis gelockt wird. Er versucht, sie zu vergewaltigen. Reyhaneh ersticht den Mann in Notwehr. Er ist ein ehemaliger Geheimdienstmitarbeiter. Die Mutter, Shole Pakravan, erinnert sich gut an diesen Abend, als ihre Tochter nicht, wie abgemacht, pünktlich nach Hause kam. „Als sie dann kam, war sie sehr aufgewühlt.“
Wie ein Schmetterling aus einem Kokon
Mitten in der Nacht stehen plötzlich Polizisten im Haus und Reyhaneh wird abgeführt. Was folgt, sind ungewisse Stunden für die Mutter und die Familie. Ungewisse Tage, Monate, ja, Jahre. Sieben Winter sitzt Reyhaneh im Gefängnis. Sieben Jahre tut die Familie alles, um sie regelmäßig zu sehen und um sie zu retten.
„Wie man ein Schmetterling wird: Das kurze, mutige Leben meiner Tochter“ – der Titel von Shole Pakravans Buch, das sie kurz nach Reyhanehs Tod schrieb, sagt alles. „Bevor sie ins Gefängnis kam, war sie ein junges, freches, lebhaftes Mädchen. Sie liebte Mode, wollte tanzen“, sagt Shole Pakravan. „Im Gefängnis ist sie jemand anderes geworden. Wie ein Schmetterling aus einem Kokon.“
Shole Pakravan sah ihre Tochter im Gefängnis erwachsen werden. Die junge Frau kümmerte sich um Mit-Inhaftierte, schickte ihre Mutter zu deren Familien oder zu Behörden, um zu helfen. „Sie sagte, sie sei glücklich.“ Shole Pakravan lebt heute in Berlin. Im Video-Call sitzt sie in ihrer Wohnung, im Hintergrund steht ein Foto ihrer Tochter, mit einer kleinen schwarzen Schleife am Rahmen. Shole Pakravan spricht ruhig und gefasst. Man merkt, dass sie die Geschichte schon oft erzählt hat. Doch immer wieder blitzt die Trauer, die Wut durch.
Die 60-Jährige hat es sich zur Aufgabe gemacht, das Leben ihrer Tochter weiterzuführen. Sie kämpft seit deren Tod gegen Hinrichtungen in ihrer Heimat. Im Iran wird alle acht Stunden ein Mensch hingerichtet. Sie selbst fiel in ein tiefes Loch, als sie ihre Tochter verlor. „Ich sagte: Lieber Gott, nimm mir mein Leben.“ Ein Gespräch mit einer anderen Mutter holte sie heraus: Ihre fünf Söhne und ihr Schwiegersohn wurden hingerichtet. Sie sagte sich: „Shole, steh auf.“
2017 verlässt Shole Pakravan den Iran
Als sie die Geschichte ihrer Tochter aufschrieb, wurde ihr klar: „Vielleicht ist das mein Schicksal, damit ich das weitergeben kann.“ Genau das tat und tut sie. Shole Pakravan wurde zur Aktivistin, sie kämpft für die Abschaffung der Todesstrafe in ihrer Heimat. Im Iran schloss sie sich einem Netzwerk von Müttern an, die ihre Kinder bei Hinrichtungen verloren hatten. Weil ihr daraufhin selbst die Inhaftierung drohte, verließ sie 2017 den Iran und lebt heute in Berlin.
Gemeinsam mit der Regisseurin Steffi Niederzoll stellte sie das Buch fertig, der Film „Sieben Winter in Teheran“ entstand. Gezeigt wird er am Freitag, 22. November, um 18 Uhr, im Kulturzentrum in Ludwigsburg. Nach dem Film findet ein Gespräch mit Steffi Niederzoll und Shole Pakravan statt.