Vor allem für die Kinder gab es Süßes – Hexen sind doch nicht so schlimm. Foto: Werner Kuhnle

Der erste Umzug nach Corona wurde ausgiebig gefeiert. Sogar aus dem Elsass ist ein Karnevalsverein angereist. Viele Besucher trugen fantasievolle Kostüme – und erlebten, dass nicht alle Hexen Böses im Sinn haben.

Der Schwabe an sich neigt ja eher dazu, narret zu werden statt närrisch zu sein. Oder, anders ausgedrückt, hierzulande ist man vielfach eher „hälenga“ vergnügt. Doch die rund 200 Mitglieder von knapp 60 Narrenzünften aus dem Großraum Stuttgart, aber auch aus dem Schwarzwald, dem Kraichgau und sogar aus dem Elsass, die am Sonntag ab 13.33 Uhr durch Ludwigsburgs Stadtteil Neckarweihingen zogen, haben es geschafft, den Zuschauern zumindest ein Lächeln ins Gesicht zu zaubern. Dem Rathausplatz gegenüber, wo eine Bühne aufgebaut war, ließen sich viele sogar dazu animieren, lauthals in die verschiedenen närrischen Schlachtrufe einzustimmen, die einzelnen Gruppierungen jubelnd zu begrüßen und auch noch zu hüpfen und zu tanzen. Selbst die Sonne blinzelte nach einer Weile durch die Wolken, und was sie da zu sehen bekam, gefiel ihr offenbar so gut, dass sie die Wolken beiseite schob, um freien Blick auf das närrische Treiben zu haben.

Volle Parkplätze und verstopfte Zufahrtsstraßen

Dass große Massen zum Umzug unterwegs waren, merkte man schon, wenn man sich Neckarweihingen näherte. Hoheneck etwa war zugeparkt, der Otto-Konz-Weg in Richtung Freibad ebenfalls, desgleichen der Parkplatz eines Discounters an der Marbacher Straße. Bis hinauf ins Schlösslesfeld parkten die Besucherinnen und Besucher des von der 1. Fasnetzunft Neckarweihingen, den Mistelhexen, organisierten großen Umzugs, der heuer zum 37. Mal stattfand.

Auf der Marbacher Straße gab es einen Stau. Wer drin stand und vielleicht mit der Fasnet gar nichts am Hut hat, der hatte immerhin Gelegenheit, das bunte Völkchen zu bewundern, das über die Neckarbrücke in Richtung Neckarweihingen zog. Obelix war ebenso unterwegs wie das dazugehörige Wildschwein, das ihm ein paar Minuten später folgte, auch ein Engel ist nach Ludwigsburg herabgeschwebt. In der Hauptstraße trug eine ganze Familie Ritterkostüme, eine Elfe im rosa Tüllkleid unterhielt sich mit einem Müllwerker in leuchtendem Orange, und ein ganz in Schwarz gekleideter Untoter mit Zylinder auf dem Kopf, grauem Gesicht und „zugenähtem“ Mund wandelte wie selbstverständlich die Straße entlang.

Vermutlich hatte Hagrid, der auf der anderen Straßenseite stand, ihn ganz besonders gut im Auge. Harry Potter selbst war zwar nicht anwesend, aber kleine und große Zauberer waren natürlich ebenso im Publikum vertreten wie Cowboys und Indianer.

Zum Teil furchterregende Masken

Und Hexen. Hexen, wohin das Auge reichte, marschierten beim Umzug mit. Zuvorderst natürlich die Mistelhexen als Gastgeber, die kleinsten davon im Kinderwagen. Aus Empfingen waren die Weilerhexen Dommelsberg angereist, aus Steinheim die Gloschd’r Hexa, aus Büchenbronn die Kohlerhexen, aus Bittenfeld die Mosthexen, um nur einige zu nennen. So manches jüngere Kind zog es da vor, sich hinter Mama oder Papa zu verstecken. „Er kennt das eigentlich, aber es ist jedes Mal dasselbe“, erklärte ein Vater schmunzelnd seinem Nachbarn.

Andere Kinder lachten, als eine der Hexen ausgiebig in der langen Nase bohrte, und ein pausbäckiger Junge, der in weiser Voraussicht einen Stoffbeutel mitgebracht hatte, hielt ihn weit geöffnet einer der Hexen entgegen. Aber Hexen sind nun mal keine Engel, deshalb gab es keine „Bombole“, sondern die garstige Alte versuchte, dem allzu Vorwitzigen mit ihrem Stecken den Beutel zu entreißen. Dafür warf die Narren-Ober-Liga Kornwestheim reichlich Süßes ins Volk.

Für Stimmung sorgten nicht nur bekannte Faschingslieder aus diversen Lautsprechern, sondern auch etliche Guggenmusiker. Die in Giftgrün und Schwarz gewandeten Wefzga aus Bietigheim etwa oder die Bichama Scholwadrebla aus Bretten. Da tanzten nicht nur die Gardetänzer der Carnevalsfreunde Murr. Und in der Gemeindehalle und im Narrendorf kamen die Mitglieder der Narrenzünfte nach etwa zweieinhalb Stunden Umzug in teils schweißtreibenden Kostümen dann auch selbst noch zum Feiern.