Bundesjustizministerin Christine Lambrecht fordert mehr Engagement im Kampf gegen Rechtsextremismus und Rassismus. Foto: dpa/Wolfgang Kumm

Nach mehreren verheerenden rechtsextremistischen Anschlägen in Deutschland verschärfte die Bundesregierung die Gangart. Öffentlichkeitswirksam verabschiedete sie einen 89-Punkte-Plan. Doch bei zwei wichtigen Projekten hakt es nun im Bundestag.

Berlin - Die Unionsfraktion im Bundestag verlangt Änderungen bei zwei Projekten der Bundesregierung gegen Extremismus und Rassismus - die SPD wirft deswegen ihr Blockade vor. Streitpunkte sind das geplante neue „Wehrhafte-Demokratie-Gesetz“ und Bemühungen, den Begriff „Rasse“ aus dem Grundgesetz zu streichen. Beide sind Teil des 89-Punkte-Plans gegen Rechtsextremismus und Rassismus, den das Kabinett im Dezember beschlossen hatte. Es soll unter anderem eine ausreichende Förderung der Extremismus-Prävention sicherstellen.

Die Unionsfraktion hat „grundsätzliche Vorbehalte“ gegen das „Wehrhafte-Demokratie-Gesetz“, wie die Vizevorsitzenden Thorsten Frei und Nadine Schön (beide CDU) in einem Brief an Bundesfamilienministerin Franziska Giffey (SPD) vom Dienstag schreiben, der der Deutschen Presse-Agentur vorliegt. Sie baten deshalb darum, die Eckpunkte für das neue Gesetz nicht wie zunächst geplant an diesem Mittwoch im Kabinett zu verabschieden.

Lambrecht gereizt

Bundesjustizministerin Christine Lambrecht (SPD) reagierte gereizt. „Wer es ernst meint mit der Bekämpfung von Rechtsextremismus und Rassismus, muss handeln“, forderte sie. „Der Rechtsextremismus ist die größte Bedrohung für das friedliche Zusammenleben in unserem Land.“

Die Grundzüge des neuen Gesetzes werden derzeit innerhalb der Bundesregierung erarbeitet. Erste Eckpunkte haben Familien- und Innenministerium erarbeitet - das ist eine Vorstufe zu einem formalen Gesetzentwurf. Die CDU/CSU-Fraktion hat in drei Punkten grundsätzlichere Bedenken angemeldet. Sie zweifelt an der Notwendigkeit eines neues Fördergesetzes, weil es bereits das Bundesprogramm „Demokratie leben“ gebe, das Projekte zu Demokratie, Vielfalt und Extremismusprävention fördere. Zudem vermissen Schön und Frei „ein gesondertes und in schriftlicher Form erfolgendes Bekenntnis der Zuwendungsempfänger zu den Grundsätzen der freiheitlichen demokratischen Grundordnung“. Schließlich will die Union sichergehen, dass über das neue Gesetz auch Geld an den Bundesfreiwilligendienst geht.

Kritik auch von der SPD-Fraktion

Lambrecht erklärte: „Wer das verschleppt und verzögert, schadet dem Engagement all der Demokratinnen und Demokraten im ganzen Land, die sich für Zusammenhalt und gegen Extremismus einsetzen.“ Auch die SPD-Fraktion reagierte empört. „Es ist ärgerlich und für uns Mitglieder der SPD-Bundestagsfraktion zunehmend unbegreiflich, dass die Union so wichtige gesetzliche Vorhaben wie das Wehrhafte-Demokratie-Gesetz und das Streichen des Begriffs „Rasse“ aus dem Grundgesetz blockiert“, sagte der stellvertretende Vorsitzende Dirk Wiese der dpa.

Hier hatten sich Innenminister Horst Seehofer (CDU) und Lambrecht Anfang März auf eine Neufassung des Justizministeriums geeinigt, die Diskriminierung „aus rassistischen Gründen“ verbieten soll. Derzeit heißt es dort: „Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden.“ Kritiker beanstanden, dass damit auch das Konzept angeblicher menschlicher Rassen transportiert wird.

Keine Zweiklassengesellschaft

Lambrecht mahnte Fortschritte an. „Grundgesetzänderungen brauchen Zeit für parlamentarische Debatten und Zwei-Drittel-Mehrheiten“, betonte sie. „Umso bedauerlicher ist, dass wir nun schon zum wiederholten Mal den in der Regierung abgestimmten Entwurf nicht im Kabinett beschließen konnten, weil die Unionsfraktion blockiert.“

Die CDU/CSU-Fraktion sei offen für eine Neuformulierung des Artikels 3 im Grundgesetz, sagte Frei der dpa, „wenn die neue Formulierung tatsächlich einen Fortschritt darstellt“. Er erklärte: „Dieser Vorschlag des Bundesjustizministeriums könnte aber den tatsächlichen Schutz verringern, weil bei einem Verbot nur „rassistischer“ Benachteiligungen womöglich nur noch solche Benachteiligungen verboten wären, die mit einer entsprechenden Gesinnung erfolgen. Es darf jedoch keine Zweiklassengesellschaft von Diskriminierungen geschaffen werden.“ Frei plädiert stattdessen dafür, die Diskriminierung eines Menschen wegen „seiner vermeintlichen Rasse“ zu verbieten.

SPD-Vertreter Wiese beklagte: „Mit ihrer Blockadehaltung stellt sich die Unionsfraktion nicht nur gegen ihre eigene Regierung. Sie lässt es auch zunehmend an Glaubwürdigkeit fehlen, wenn es darum geht, Rechtsextremismus und Rassismus mit starken Mitteln den Boden zu entziehen.“ Wenn die Union es ernst meine, müssten beide Gesetze spätestens nach Ostern im Kabinett beschlossen werden, so Wiese. „Danach ist es zu spät.“ Lambrecht betonte: „Ich erwarte, dass beide Vorhaben in der nächsten Kabinettssitzung endlich auf die Tagesordnung kommen.“