In Frankreich gehen die Rechtspopulisten als klare Sieger aus der Europawahl hervor. Der Präsident löst daraufhin die Nationalversammlung auf und kündigt Neuwahlen an.
On a gagné! (Wir haben gewonnen!) – so donnerte es am Sonntagabend durch die Pariser Wahlzentrale des Rassemblement National (RN). Die Rechtspopulistin Marine Le Pen und ihr junger Listenführer Jordan Bardella haben die Europawahlen in Frankreich mit rund 32 Prozent Stimmen haushoch gewonnen. Französische Medien sprachen von einem „historischen Sieg“. Le Pen verbessert damit deutlich ihre Ausgangsposition für die Präsidentschaftswahlen von 2027.
Die Partei des Präsidenten Emmanuel Macron („Renaissance“) kommt laut ersten Hochrechnungen nur auf etwa 15 Prozent. Sie wird von den Sozialisten bedrängt, die mit Listenführer Raphaël Glucksmann (14 Prozent) überraschend stark abschneiden. Für den Staatschef bedeutet der Wahlausgang eine schwere Schlappe.
Noch am Abend löste er die Nationalversammlung auf und kündigte Neuwahlen an. Macron zahlt zweifellos den Preis für eine umkämpfte Rentenreform und den inflationsbedingten Kaufkraftverlust der französischen Mittelklasse. Auch gelang es ihm nicht, mit einem verschärften Ausländergesetz neue Wähler auf der Rechten anzuziehen.
Unerwartetes Comeback der Sozialisten
Schlimmer noch: Mit der Betonung rechter Themen ließ der Präsident der politischen Mitte eine klaffende Lücke zu seiner Linken. Das verschafft den Sozialisten, nach einem Fiasko bei den Präsidentschafts- und Parlamentswahlen 2022, ein unerwartetes Comeback. Ihr unverbrauchter, bisher wenig bekannter Frontmann Glucksmann erwies sich vor allem in internationalen Fragen versiert: Der Sohn des verstorbenen Starphilosophen André Glucksmann zeigte klare Kante gegenüber Russland und eine ausgewogene Haltung im Nahostkonflikt, indem er für die Anerkennung eines Palästinenserstaates durch Frankreich eintritt.
Macrons offensives Verhalten gegenüber Putin kommt nicht nur gut an.
Mit solchen mehrheitsfähigen Positionen wird Glucksmann über Nacht zum starken Mann der französischen Linken. Er stellt den charismatischen Volkstribun Jean-Luc Mélenchon (etwa 8,5 Prozent Stimmen), der die französische Linke bisher völlig beherrscht hatte, in den Schatten. Mélenchon hatte seinen Wahlkampf voll auf die Unterstützung Palästinas ausgerichtet. Ob ihm auch seine schlecht verhehlten Sympathien mit Russland schadeten, ist wahrscheinlich, aber schwer zu sagen. Macrons offensives Verhalten gegenüber Wladimir Putin kommt in Frankreich auch nicht nur gut an.
Die übrigen Parteien bleiben klar unter der Zehn-Prozent-Schwelle. Die konturlosen Grünen, die bei früheren Europawahlen teilweise sehr stark abgeschnitten hatten, schrumpfen auf 5 Prozent.
Der Rechtsaußen Eric Zemmour von der Partei „Reconquête“, neben seiner Rivalin Le Pen völlig verblasst, erhält ebenfalls nur 5 Prozent. Die konservativen Republikaner, jahrzehntelang die stärkste Partei Frankreichs, erhalten 7 Prozent und können nur neidisch auf das Resultat ihrer deutschen Schwesterpartei CDU/CSU blicken.