In Straßburg wird der Europatag gefeiert – und die Bürger übergeben ihre Forderungen für eine gerechtere und sozialere Europäische Union. Foto: dpa/Jean-Francois Badias

Die Teilnehmer der Zukunftskonferenz übergeben am Europatag den EU-Spitzen ihre Vorschläge für eine bessere und bürgernähere Union. Es ist nicht der einzige Versuch, die EU demokratischer zu machen.

Europa feiert sich selbst. Während in Moskau schwere Panzer zur Parade über den Roten Platz rollen, trifft sich in Straßburg am Montag demonstrativ die Jugend Europas und zelebriert die Demokratie. Im Europaparlament wurde getanzt und gesungen, ein bunter Gegenpol zum kruden Militäraufmarsch in Moskau. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, Europaparlamentspräsidentin Roberta Metsola und Frankreichs Präsident Macron als amtierender Vorsitzender des Rats der Mitgliedstaaten ließen sich die Chance nicht entgehen, das europäische Projekt zu loben, das dem Kontinent über Jahrzehnte Frieden, Freiheit und Wohlstand beschert hat.

Eine „Zeitenwende“ für Europa

Die Feier war allerdings auch ein Tag der Besinnung, wie die EU auf die Herausforderungen der Zukunft vorbereitet werden kann. Denn auch in der Union ist angesichts der russischen Aggression immer wieder von einer „Zeitenwende“ die Rede. So betonte, Ursula von der Leyen in ihrer Rede, dass die Demokratie gestärkt werden müsse. Dazu sollen die Bürger in den stärker in die Entscheidungsprozesse eingebunden werden. „Demokratie endet nicht mit Wahlen, Konferenzen oder Übereinkommen.“ Sie müsse jeden Tag weiterentwickelt, gepflegt und verbessert werden. „Stillstand ist Rückschritt“, unterstrich von der Leyen.

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Das war in Straßburg auch eine Forderung der Teilnehmer der Konferenz der Zukunft Europas. Über ein Jahr hatten sich zufällig ausgewählte Bürger in regionalen und nationalen Diskussionsrunden getroffen und darüber diskutiert, wie die EU weiterentwickelt werden könnte. Zum Europatag in Straßburg am Montag haben sie die Ergebnisse ihrer Arbeit den Spitzen der Union überreicht. In dem Katalog aufgeführt sind sehr konkrete Forderungen wie Mindeststandards für die Qualität von Nahrungsmitteln oder den Ausbau von schnellen Internetverbindungen.

Eine gerechtere und solidarischere EU

Die Zukunftskonferenz möchte aber auch eine gerechtere und solidarischere EU mit einem verstärkten Kampf gegen den Klimawandel. Um zu schnelleren Entscheidungen in der Union zu kommen, wird der Verzicht auf das Einstimmigkeitsprinzip der 27 Mitglieder zählenden Staatengemeinschaft vorgeschlagen. Dieses gilt derzeit in den Bereichen Außen- und Sicherheitspolitik, Steuern, EU-Finanzen, einigen Bereichen der Justiz und des Inneren sowie der sozialen Sicherheit und des Sozialschutzes. Die insgesamt 49 Vorschläge werden nun vom Europäischen Parlament, den EU-Regierungen und der Europäischen Kommission geprüft, die als einzige neue EU-Gesetze vorschlagen kann.

Reformvorschlag für die Europawahlen

Der Kongress der Zukunft ist allerdings nicht der einzige Versuch, die EU demokratischer, bürgernäher und auch transparenter zu machen. Vor einigen Tagen präsentierten die Europaparlamentarier einen Reformvorschlag für die Europawahlen, der den Bürgern zu mehr Einfluss verhelfen soll. Ziel ist es etwa, in Zukunft unionsweite Kandidatenlisten aufzustellen. Die Abgeordneten sprachen sich zudem dafür aus, den Kommissionspräsidenten in Zukunft über diese Listen wählen zu lassen. Das Reformpapier sieht zudem gleiche Anteile von Kandidatinnen und Kandidaten, eine 3,5-Prozent-Hürde in größeren Wahlkreisen und einen einheitlichen Wahltag am 9. Mai vor. Der Berichterstatter Domenec Ruiz Devesa von den spanischen Sozialdemokraten sagte, die Reform solle die Sichtbarkeit der europäischen Parteien erhöhen und eine „echte gesamteuropäische Debatte“ ermöglichen. Die Wähler könnten so wissen, „dass sie für europäische politische Organisationen und für Spitzenkandidaten für das Amt des Kommissionspräsidenten stimmen“.

Die Debatten sollen interessanter werden

Aber auch die Debatten im Parlament selbst sollen für die Bürger interessanter, spannender und politischer werden. Darüber hat sich in diesen Tagen eine weitere Arbeitsgruppe verständigt. So sollen etwa die Themenlisten bei den Plenartagungen reduziert werden und die Parlamentarier sollen mehr Zeit bekommen, sich im Plenum zu einzelnen Punkten äußern. Auch sollen Vertreter der Kommission und des Rates häufiger Rede und Antwort stehen.

Die Teilnehmer der Zukunftskonferenz äußerten sich am Montag vorsichtig optimistisch, dass sie mit ihren Vorschlägen bei der EU-Kommission Gehör finden werden. Sie wissen allerdings auch, dass in der Union die Gefahr besteht, Themen bis zur völligen Unkenntlichkeit zu zerreden. Aus diesem Grund appellieren die Autoren des Berichts: „Wir fordern Sie auf, diese Vorschläge als Ganzes zu betrachten und sie umzusetzen, und nicht nur diejenigen, die Ihnen am besten passen und leicht umzusetzen sind.“ Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen betonte am Montag in Straßburg, dass sie immer auf der Seite derjenigen stehe, die die EU reformieren wöllten, damit sie besser funktioniere - auch wenn es nötig sei, dafür die Verträge zu ändern.