Finanzminister Lindner wirbt bei seinen EU-Partnern für einen schnelleren Abbau der Staatsschulden. Das hören nicht alle Staaten wirklich gerne. Foto: dpa/Kay Nietfeld

Brüssel will hochverschuldeten Staaten mehr Zeit geben, ihre Defizite abzubauen. Berlin warnt vor dem Aufweichen des Stabilitätspaktes.

In Brüssel geht es wieder einmal ums Geld. In diesem Fall allerdings um jenes Geld, das die Staaten im Grunde nicht haben. Am Montag trafen sich die Finanzminister, um eine Reform der gemeinsamen Schuldenregeln zu diskutieren. Diese Neujustierung erscheint notwendiger als je zuvor, denn der rund 25 Jahre alte EU-Stabilitätspakt, der den Mitgliedsländern ausgeglichene Haushalte vorschreibt, ist eine Geschichte des permanenten Scheiterns.

Als erste verstießen Deutschland und Frankreich einst gegen die vorgegebenen Kriterien, während der Euroschuldenkrise brachen dann immer mehr Dämme, und schließlich führte die Coronakrise dazu, dass die Schulden aller Staaten steil anstiegen. Inzwischen sind die Regeln des Paktes, auch wegen des Krieges in der Ukraine, vorerst ausgesetzt. Möglich wurde das mit einer Notfallklausel, die den EU-Staaten milliardenschwere Hilfen für die eigene Wirtschaft und die Bürger ermöglichte.

Staaten wollen einfache und transparente Regeln

Ziel der EU-Finanzminister ist es, diese ausufernde Entwicklung beim Schuldenstand der Länder trotz der Krisen wieder unter Kontrolle zu bekommen. Einig sind sich alle Verantwortlichen darüber, dass die Regeln „einfacher und transparenter“ werden müssen. Großen Streit gibt es allerdings darüber, was das genau heißt, denn noch ist die Reform des Stabilitätspaktes sehr allgemein formuliert.

Im November legte die EU-Kommission ihren Umbauplan vor. Darin ist etwa vorgesehen, dass hochverschuldete Staaten in Zukunft mehr Zeit für den Abbau ihres Defizits bekommen sollen. Geplant ist auch die Möglichkeit, individuelle Pläne für die Rückzahlung auszuhandeln. Dabei könnten Faktoren wie Investitionen in den Klimaschutz und die Digitalisierung berücksichtigt werden. Zudem sollen die fälligen Geldbußen bei Verstößen gegen die geltenden Regeln deutlich niederer ausfallen, sie sollen allerdings konsequenter verhängt werden. „Wachstum und Stabilität sollen künftig Hand in Hand gehen“, umschreibt EU-Wirtschaftskommissar Paolo Gentiloni die Ziele eher etwas nebulös.

Die Staaten stecken ihren Rahmen ab

Das Treffen der Finanzminister am Montag in Brüssel diente unter anderem dazu, dass jedes Land seine exakteren Rahmenbedingungen erstmals formulieren konnte. Dabei zeichnete sich wieder ab, dass es ein zähes Ringen um die neuen Regeln geben wird.

So erklärte Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) am Rande des Treffens in Brüssel: „Die Vorstellungen der EU-Kommission sind nicht das Ende der Debatte, sie sind höchstens der Beginn.“ Ziel müsse es auch in Zukunft sein, „einen verlässlichen Pfad zur Reduzierung der Staatsverschuldung einzuschlagen“. Und Lindner betonte, dass für alle Staaten dieselben Regeln gelten müssten und es für einzelne Länder keine Ausnahmen geben dürfe.

Verschuldete Staaten fordern mehr Spielraum

Solche Mahnungen hören die am höchsten verschuldeten Staaten nicht gerne, sie wollen auch in Zukunft mehr Spielraum. Derzeit haben sechs EU-Länder Schulden, die ihre eigene Wirtschaftsleistung übersteigen. An der Spitze steht Griechenland mit rund 180 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP), darauf folgen Italien mit fast 150 Prozent, Portugal und Spanien mit rund 115 Prozent und Frankreich mit knapp 110 Prozent. Zum Vergleich: Deutschland liegt mit rund 64 Prozent nahe an den EU-Vorgaben. Die Bundesregierung und andere eher „sparsame“ Länder wie Österreich wollen deshalb ein weiteres Aushöhlen des Pakts verhindern. Ziel ist es, im Frühjahr einen neuen Gesetzesvorschlag zu präsentieren und dessen Regeln 2024 umzusetzen.