Der albanische Regierungschef Edi Rama kann seinen Ärger über den ergebnislosen Gipfel in Brüssel kaum bremsen. Foto: AFP/Kenzo Tribouillard

Das Spitzentreffen der Europäischen Union mit den sechs Staaten in Sachen EU-Beitritt ist in Brüssel ohne Annäherung zu Ende gegangen.

Der Westbalkan-Gipfel stand von Beginn an unter einem schlechten Stern. Statt einer gemeinsamen Position brachten die Regierungschefs aus Serbien, dem Kosovo, Nordmazedonien, Albanien, Montenegro und Bosnien-Herzegowina vor allem alten Streit und viele Vorwürfe mit nach Brüssel. Eine Boykott-Drohung wurde erst Stunden vor dem Spitzentreffen zurückgenommen.

Wenig erstaunlich war es dann, dass die Gesprächspartner am Donnerstag nach fast vier Stunden ohne greifbare Ergebnisse wieder die Heimreise antraten. Der Ärger war offensichtlich so groß, dass eine Pressekonferenz abgesagt wurde – offiziell aus Zeitgründen. EU-Beamte bestätigten nach dem Treffen lediglich, dass die Eröffnung der Beitrittsgespräche mit Nordmazedonien und Albanien weiter blockiert seien. Keine Annäherung gab es demnach auch mit Serbien im Streit um die Umsetzung der EU-Sanktionen gegen Russland. Es habe „offenen Diskussionen“ gegeben, hieß es am Donnerstag aus EU-Kreisen. Im Klartext bedeutet das, dass hinter den verschlossenen Türen zwischen den Gesprächspartnern die Fetzen geflogen sind.

Vergebliche Appelle des Bundeskanzlers

Vor Beginn der Gespräche hatte der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz noch an alle Seiten appelliert, sich aufeinander zuzubewegen. Er pochte mit Verweis auch auf die geostrategische Bedeutung des Westbalkans und den Einfluss Russlands und Chinas auf eine schnelle EU-Annäherung der sechs Staaten. „Deutschland wird die Aktivitäten der westlichen Balkanstaaten unterstützen bei ihrem Weg in die EU“, unterstrich der Kanzler. Die Länder müssten endlich das Gefühl bekommen, dass ihre Reformanstrengungen belohnt würden.

Dieser Satz war vor allem an Bulgarien gerichtet, das den Beitritt Nordmazedoniens mit einem Veto blockiert. Die Regierung in Sofia verlangt von dem Nachbarland Zugeständnisse zugunsten der bulgarischen Minderheit. Der pro-europäische Regierungschef Kiril Petkow signalisierte zwar in den vergangenen Tagen ein Einlenken, dann aber stürzte er am Mittwoch nach nur sechs Monaten im Amt durch ein Misstrauensvotum im Parlament. In Brüssel betonte Petkow, das Sagen habe nun die bulgarische Volksvertretung. „Solange das Parlament nicht entschieden hat, bleibt die bulgarische Position unverändert“, erklärte der Premier.

Sehr große Enttäuschung in Albanien

Vor allem in Albanien, das zusammen mit Nordmazedonien auf die Aufnahme von Verhandlungen für den EU-Beitritt wartet, war der Ärger groß. Der albanische Ministerpräsident Edi Rama bezeichnete die Blockade der Beitrittsgespräche als Schande. „Ein Nato-Land nimmt zwei andere Nato-Länder inmitten eines heißen Kriegs in Europa in Geiselhaft“, schimpfte Rama über die bulgarische Blockade.

Frustration machte sich auch bei den Gastgebern der Europäischen Union breit. Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell sagte, er könne seine Enttäuschung nicht verbergen. Die Blockade zeige einmal mehr, dass das Prinzip der Einstimmigkeit in der EU ein großes Problem sei.

Streit unter den Westbalkan-Staaten

Probleme gab es in Brüssel allerdings nicht nur mit der Blockade Bulgariens. Es zeigten sich auch grundsätzliche Differenzen unter den sechs Staaten, die sich alle an unterschiedlichen Etappen der Beitrittsverhandlungen befinden. So kritisierte die Präsidentin von Kosovo, Vjosa Osmani-Sadriu, die Regierung in Serbien, die die ehemalige Provinz immer noch nicht als unabhängig anerkennen will. Es sollten nur diejenigen Länder bei den EU-Beitrittsverhandlungen voranschreiten, die auch die EU-Sanktionen gegen Russland unterstützen, sagte sie. Dies ist etwa bei Serbien nicht der Fall. Serbien hat sich den EU-Sanktionen gegen Moskau wegen des Angriffs auf die Ukraine nicht angeschlossen.

Serbien tanzt in Sachen Russland aus der Reihe

Das wurde auch von Kanzler Scholz kritisiert. Er hat die Regierung in Belgrad zuletzt wiederholt daran erinnert, dass von EU-Beitrittskandidaten erwartet werde, auch die EU-Außenpolitik zu teilen. Serbiens Präsident Aleksander Vucic wies in Brüssel darauf hin, dass seine Regierung sehr wohl für eine territoriale Integrität der Ukraine sei. Aber einige EU-Staaten respektierten nicht einmal die Serbiens, sagte er in Anspielung auf Kosovo. Nach dem Westbalkantreffen begann dann der reguläre, zweitägige EU-Gipfel, auf dem die 27 EU-Staats- und Regierungschefs den Kandidatenstatus für die Ukraine und Moldau beschließen wollen. Die enttäuschte albanische Delegation gab den Ukrainern eine Warnung mit in die Verhandlungen, sie sollten sich trotz der erwarteten Zustimmung keine Illusionen zu machen.