Betrieb nach Notfallplan: Im Wiedernhöfer-Stift in Herrenberg sind 22 von 79 Bewohnern mit dem Coronavirus infiziert. Foto: factum/Jürgen Bach

Drei Pflegeheime im Kreis sind von der Pandemie betroffen sowie mehrere Schulen und Kindergärten. Die Infektionsgefahr sei wieder mitten in der Gesellschaft angekommen, warnt Sindelfingens Oberbürgermeister Bernd Vöhringer.

Sindelfingen - Beim Infektionsgeschehen bleibt Sindelfingen der Hotspot im Kreis Böblingen. In der Kreisstadt sind „jüngst vier weitere Personen mit einer Covid-19-Erkrankung verstorben“, berichtete Oberbürgermeister Bernd Vöhringer am Dienstagabend. Laut der Verwaltung handelt es sich um ältere Personen. Damit erhöht sich die Zahl der im Zusammenhang mit dem Coronavirus gestorbenen Einwohner auf zehn. „Die derzeitige Infektionslage ist diffus, und sie ist in der Mitte unserer Gesellschaft angekommen“, sagte Bernd Vöhringer. Zunehmend würden sich wieder ältere Menschen infizieren. Im Kreis Böblingen ist das Coronavirus auch in drei Pflegeheime gelangt.

Fallzahlen steigen trotz teil-Lockdown

Die Fallzahlen sind trotz des Teil-Lockdowns weiter gestiegen. Im Kreis wurden am Mittwoch 48 neue Fälle registriert. Mehr als 1000 Menschen sind derzeit an Covid-19 erkrankt, daran gestorben sind seit Beginn der Pandemie 58 Menschen. Der Inzidenzwert liegt bei 142 Infizierten pro 100 000 Einwohner – und damit über dem Landesdurchschnitt von 132, jedoch unter dem Spitzenwert vom Kreis Heilbronn mit von knapp 235. Allein in Sindelfingen sind mehr als 240 Personen an Covid-19 erkrankt. Das Gesundheitsamt musste in der vergangenen Woche mehr als 3500 Menschen anrufen, die Kontakt mit einer infizierten Person hatten, Anfang Oktober waren es noch 671 gewesen. „Die aktuelle Situation zeigt uns, dass wir im Moment nicht von einer Entspannung ausgehen können“, erklärte Bernd Vöhringer. „Im Gegenteil: Wir befinden uns nach wie vor in einer schwierigen und höchst dynamischen Lage.“

In einem Pflegeheim in Steinenbronn wurden 30 Bewohner positiv getestet, in Böblingen gibt es vier Einzelfälle, am schlimmsten erwischt hat es das Wiedenhöfer-Stift in Herrenberg. In dem Pflegeheim hatten von 79 Bewohnern 22 einen positiven Corona-Test, zwei sind in einem kritischen Zustand. Ein Heimbewohner ist gestorben. Von den 120 Mitarbeitern haben sich acht angesteckt, aber Testergebnisse stehen noch aus.

„Wir sind in Gedanken bei den Angehörigen und auch bei unseren Mitarbeitenden, die mit viel Ruhe und Engagement die derzeitige Situation meistern“, erklärte Michael Köhler, der fachliche Vorstand der Diakonieschwesternschaft Herrenberg-Korntal. Der Betrieb läuft nach einem Notfallplan, auf Besuche soll verzichtet werden. Der Heimleiter will jedoch vermeiden, dass sich die Bewohner eingesperrt fühlen: „Das erschüttert sie.“

An 17 Schulen gibt es 19 Corona-Fälle

Momentan sind außerdem 17 Schulen im Kreis von 19 akuten Corona-Fällen betroffen. In Herrenberg hat es beispielsweise zum zweiten Mal die Jerg-Rathgeb-Realschule getroffen. Ein Zehntklässler, der zum Kreis der Kontaktpersonen eines Klassenkameraden gehörte, der in der Woche zuvor eine Corona-Infektion gemeldet hatte, wurde positiv getestet. Auch zwei Kita-Gruppen wurden kürzlich in Quarantäne geschickt. Aktuell sind in Herrenberg laut der Stadt 24 Personen als infiziert gemeldet, die Bewohner des Wiedenhöfer-Stifts nicht mitgezählt.

Der Landrat Roland Bernhard hat mit seinem Calwer Kollegen Helmut Riegger einen Brief an den Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) geschrieben. Darin fordern die beiden Aufsichtsratsvorsitzenden des Klinikverbunds Südwest, dass der Bund den Rettungsschirm für Krankenhäuser neu und größer spanne. „Die Kliniken müssen die Sicherheit haben, einen Ausgleich für die Corona-bedingten Erlösausfälle und die hohen Kosten für die Pandemieprävention zu erhalten“, heißt es darin. Mehr Handlungsfähigkeit wollen sie zudem erreichen, indem die Pflegepersonaluntergrenzen ausgesetzt werden, weil wegen Quarantäne oder einer Corona-Ansteckung viele Mitarbeiter ausfallen.

Neue und alte Probleme durch die Pandemie

Ausfall
: Im Gesundheitsamt wird mit Hochdruck an der Umstellung einer wichtigen Software für das Programm zur Erfassung aller Corona-Daten im Kreis gearbeitet. Eine Folge ist, dass zurzeit auf dem Dashboard des Landratsamtes nur die Corona-Gesamtzahlen ablesbar sind und nicht die für die 26 Kommunen. „Uns erreichen viele Nachfragen dazu“, erklärte der Landrat. Die Menschen würden sich diese täglich aktualisierte Information wünschen. Von 23. November an soll sie wieder verfügbar sein – präziser als zuvor.

Konflikt:
Mit den steigenden Zahlen kommt es wieder zu Problemen auf den Wertstoffhöfen wie im Frühjahr. Dort ist viel los – und einige Menschen halten sich nicht an die Maskenpflicht. „Immer häufiger werden mit den Mitarbeitern Diskussionen darüber geführt“, beklagt sich der Werkleiter Martin Wuttke und droht mit Schließung der Abgabestellen.