Die Windkraftanlage in Ingersheim ist die einzige im nördlichen Landkreis Ludwigsburg. Foto: KS-Images.de/K. Schmalz

Erneuerbare Energien sind gefragt – auch im Landkreis Ludwigsburg werden Standorte gesucht. Ein Projekt könnte im Bottwartal für Konflikte sorgen.

Die Karten für den Bau von Windanlagen werden derzeit neu gemischt. Galten die riesigen Windräder jahrzehntelang in Baden-Württemberg eher als landschaftlich unschicklich, sorgt der Krieg in der Ukraine nun für ein Umdenken. Doch wie weit dürfen die Investoren solcher Anlagen gehen? Denn im Bottwartal würde ein 250 Meter hohes Windrad, das im nahen Hardtwald entstehen könnte, die Sicht auf die historische Burg Lichtenberg trüben.

Mehr Standorte als früher kommen für ein Windrad infrage. Die Bundesregierung macht angesichts der Energiekrise Dampf. Deshalb muss bis 2025 auch der Verband Region Stuttgart (VRS) wie andere Regionen in Baden-Württemberg 1,8 Prozent seiner Fläche als Vorrangfläche für den Bau von Windkraftanlagen ausweisen. Der zehnjährige Betrieb der bisher einzigen Windanlage im nördlichen Landkreis Ludwigsburg in Ingersheim zeigte vor einem Jahr: Windräder können auch auf scheinbar windärmeren Erhebungen rentabel sein.

Dem Gebot der Stunde folgt der Pleidelsheimer Bürgermeister Ralf Trettner. „Wir müssen bei uns mehr für die erneuerbaren Energien tun“, sagt der CDU-Politiker, der auch als Vorsitzender des Neckar-Elektrizitätsverbandes (NEV) fungiert und dabei die Interessen von 167 Kommunen und neun Landkreise in Baden-Württemberg vertritt. Konkrete Schritte für mehr Wind- und Solarparks in den nächsten Jahren erhoffe sich der NEV durch die Zusammenarbeit mit der UKA GmbH in Meißen. Dieses Unternehmen hat bundesweit schon einige Windparks gebaut und verweist darauf, dass die Anlagen technisch immer besser werden und mit weniger Wind auskommen.

Die Nachbarn müssten den Anblick zumindest erdulden

Ob und wie die Gemeinde Pleidelsheim eine Windkraftanlage im Hardtwald bei Großbottwar im nördlichen Landkreis realisiert, steht allerdings noch in den Sternen. Pleidelsheim besitzt dort, wenige Kilometer im östlichen Rücken des Bottwartals, Flächen – wie auch die Kommunen Marbach, Freiberg, Steinheim, Erdmannhausen, Murr und Benningen, die ebenfalls der Forstgebietsgemeinschaft Hardtwald angehören. Das Problem: Während die Pleidelsheimer zwar an einem Windrad mitverdienen würden, müssten die Nachbarn im Bottwartal den Anblick der Windanlage erdulden.

Diskussionsbedarf erkennt der Murrer Bürgermeister Torsten Bartzsch, Vorsitzender der Forstgebietsgemeinschaft Hardtwald: „Im aktuellen Suchlauf des VRS ist die Fläche wegen fehlender Windleistungsdichte nicht vertreten.“ Natürlich stehe es jeder Kommune frei, über ihre Fläche zu verfügen, doch seien die Waldanteile der Kommunen klein. Ein solches Projekt beträfe auch die Flächen der anderen Mitglieder. Ralf Trettner setzt daher auf Zusammenarbeit und hält die Windkraft im Wald für ausreichend. „Der Windatlas gibt die Windhäufigkeit nur pauschal an.“ Konkrete Untersuchungen könnten andere Ergebnisse erbringen. Ob die Pleidelsheimer Gemeinderäte Trettner folgen, wird sich am 26. Januar zeigen.

Im Remstal wurde der kommunalpolitische Wind rau

Den Suchlauf für die Windkraft steuert beim Verband Region Stuttgart der Technische Direktor Thomas Kiwitt. Er kennt die Problematik. „Pleidelsheim hat ähnlich wie die Stadt Waiblingen, die auf der Buocher Höhe Windkraftanlagen installieren wollte, eine ideale Exklave und wäre selbst nicht betroffen.“ Der Streit um den Standort Buocher Höhe hatte den kommunalpolitischen Wind im Remstal vor allem zwischen Waiblingen und den Anliegerkommunen Korb und Remshalden rau werden lassen. Die Burg Lichtenberg wolle der VRS bei seiner Rahmenplanung als so genannte Landmarke zumindest auf den nahen Hängen durchaus schützen, so Kiwitt, doch würde man eine derart hohe Windanlage vom oberen Bottwartal aus sicher sehen.

Den aktuellen Suchlauf des Regionalverbandes mit seinen 179 Mitgliedskommunen sieht Thomas Kiwitt positiv. „Wenn wir die 1,8  Prozent Flächenanteil für die Windenergie nicht schaffen, verlieren wir die Steuermöglichkeit über unsere Flächen“, sagt Thomas Kiwitt. Das würde bedeuten, dass Investoren beim Bau von Windanlagen nur noch Grundbedingungen wie Lärmschutz, Flugsicherung oder Artenschutz beachten müssten, aber grundsätzlich überall bauen dürften. Das müsse man vermeiden. Der Flächenfraß halte sich hingegen in Grenzen: „Für die Windkraft werden mit den 1,8 Prozent nur Räume für die Anlage definiert – da geht es auch um Abstände“, erklärt Kiwitt. Zum Vergleich: Gewerbeflächen im Land nehmen vier Prozent ein.

Im Landkreis Ludwigsburg erreichen Gebiete im Westen und im Südwesten eine mittlere gekappte Windleistungsdichte von 215 Watt pro Quadratmeter. So viel Leistung kann hier in den Anlagen in 160 Metern Höhe entstehen. Der Hardtwald liegt laut Windatlas bei 190  Watt pro Quadratmeter relativ nah am Schwellenwert des VRS. Wichtig ist Kiwitt: „Wir müssen die 1,8 Prozent Fläche nicht in jedem Landkreis finden, sondern nur im Gesamtgebiet.“ Trotz nötiger Konzentration verspricht der Planer: „Wir werden keine Gemeinde mit Windanlagen umzingeln.“

Wo im Landkreis gibt es Pläne für Windkraftanlagen?

Verfahren
 Der Verband Region Stuttgart (VRS) nimmt derzeit Vorschläge für Suchräume aus den Kommunen entgegen. Dort könnten dann Windkraftanlagen entstehen. Laut VRS dauert es etwa sieben Jahre, bis eine Windkraftanlage das Verfahren für eine Genehmigung durchlaufen hat. Es gelten strenge Vorgaben.

Suchraum
 Der VRS hat bereits mögliche Suchräumen vorgegeben. Im Nordwesten mit Sachsenheim und Freudental sowie im Südwesten mit Schwerpunkten rund um Hemmingen, Ditzingen und Eberdingen erscheinen Anlagen lohnenswert. In schmalen Zonen bei Oberstenfeld und Kornwestheim gibt es auch Möglichkeiten.

Initiativen Die Firma Bosch beispielsweise will an ihrem Standort in Schwieberdingen einen Windpark errichten, um sich auch dezentral mit Energie zu versorgen. Ein zweites Windrad der Genossenschaft in Ingersheim ist im Gespräch. Und am Bönnigheimer Rotenberg könnten rund 350 Bürger in eine Anlage investieren.