In Marbach wird gerade in der Altstadt die Wärmeleitung verlegt. Foto: Avanti/Ralf Poller

Steinheim will ein ganzes Wohngebiet ökologisch beheizen, Marbach die Altstadt. Bei der Vorbereitung gibt es aber auch Schwierigkeiten.

Etliche Verbraucher stöhnen ob der aktuellen Energiepreise und schauen sich zunehmend nach Alternativen zu Öl- und Gasheizungen um. Insofern könnte es für Bürger eine Lösung ein, sich an ein kommunales Wärmenetz anzuschließen. Und das grundsätzliche Interesse an aktuell laufenden Vorhaben wie in Marbach, Tamm oder Steinheim ist unterm Strich entsprechend groß. Wahr ist allerdings auch: In der tatsächlichen Anschlussquote schlägt sich das bislang nicht zwangsläufig nieder.

„Wir hatten eine ganz gute Rücklaufquote, uns aber ein bisschen mehr erhofft“, sagt der Steinheimer Bürgermeister Thomas Winterhalter zum Stand der Dinge bei Solnet. Dabei handelt es sich um ein mit Bundesmitteln gefördertes Vorzeigeprojekt, bei dem das Quartier rund ums Wellarium und das Schulzentrum von 2025 an mit vornehmlich alternativen Quellen beheizt werden soll. Voraussetzung für die Umsetzung war jedoch, dass sich bis Herbst 55 Prozent der Haushalte in dem Gebiet dafür entscheiden, sich an das Leitungssystem anzudocken. Eine Marke, von der man aktuell ein gutes Stück entfernt ist.

Feste Abnahme-Verträge habe man mit acht Prozent der Haushalte in trockene Tücher gebracht, sagt Raphael Gruseck von der Ludwigsburger Energieagentur (LEA), die das Konzept in Steinheim entwickelt hat und begleitet. Fünf weitere Prozent der Ansprechpartner vor Ort hätten zugesichert, sich zumindest eine Leitung ans Gebäude legen zu lassen. Gruseck betont jedoch, dass das nur die nackten Zahlen sind. „Wir haben aus den Gesprächen das Gefühl mitgenommen, am Ende doch auf die angestrebte Anschlussquote zu kommen“, sagt er. Einen Teil der Besitzer habe man zum Beispiel bisher gar nicht kontaktieren können, beziehungsweise hätten diese bis dato keine Entscheidung getroffen. Außerdem müssten Eigentümergemeinschaften das Thema oft erst noch in den Versammlungen behandeln und absegnen. Insofern könnte sich also die Anschlussquote schon bald steil nach oben bewegen. Denn gerade bei den Mehrfamilienhäusern sieht die LEA viel Potenzial.

„Eine klassische Luft-Wärmepumpe als Alternative ist hier nur schwer umsetzbar. Deshalb sagen ganz viele: Wir haben gar keine andere Option, als uns an ein Wärmenetz anzuschließen“, erklärt Raphael Gruseck. In Tamm, wo demnächst ebenfalls von zentraler Stelle aus erwärmtes Wasser auf die Reise zu verschiedenen Gebäuden geschickt wird und die Anschlussquote bei rund 70 Prozent liegt, würden zwölf von zwölf Mehrfamilienhäusern ans Netz genommen.

„Viele Besitzer sind auch erst endgültig überzeugt, wenn sie sehen, dass das Projekt verbindlich umgesetzt wird“, streicht Gruseck heraus. Diese Zweifel dürften in Steinheim schon bald zerstreut werden. Denn dort soll, so der Gemeinderat zustimmt, die Fortsetzung des Projekts beschlossen und eine Simulationsstudie beauftragt werden.

Schon wesentlich weiter ist man in Marbach, wo vom Schulzentrum aus ein Wärmenetz bis in die Marktstraße gezogen wird und erste Bereiche bereits über das neue System beheizt werden. Die Nachfrage sei sehr groß, erklärt Astrid Schulte, Pressesprecherin der Stadtwerke Ludwigsburg-Kornwestheim, die den Betrieb managen. Etwa die Hälfte aller an der Trasse liegenden Gebäude würden „im Zuge der Baumaßnahmen“ an die Leitung angeschlossen „und werden unmittelbar oder bei der nächsten Heizungsmodernisierung Fernwärme beziehen“. Es sei damit zu rechnen, „dass bei der aktuellen Krisensituation in den kommenden Jahren noch weitere hinzukommen werden“. Entgegen der ursprünglichen Absicht sei das Netz sogar schon in die Wächter-Straße erweitert worden. „Anfragen zu weiteren Anschlüssen außerhalb des Netzes gehen ein, eine wirtschaftliche Erweiterung ist jedoch in den meisten Fällen nicht gegeben“, konstatiert Schulte. Sie berichtet zudem, dass die Nachfrage infolge des Gaspreis-Anstiegs zuletzt angezogen hat.

„Bei den Bürgern herrscht eine große Verunsicherung, seit die Preise so stark gestiegen sind“, sagt Raphael Gruseck von der LEA. Damit steige der Wunsch, auf andere Energieträger wie Wärmepumpen umzusatteln. „Der Beratungsbedarf ist enorm. Die LEA hat als Beratungsstelle der Verbraucherzentrale allein im ersten Halbjahr 2022 über 1000 Beratungsgespräche durchgeführt“, erklärt Gruseck, der aber auch klarmacht, dass der Umstieg auf Erneuerbare bei den Privathaushalten nicht von heute auf morgen gelingen wird. „Das hängt zum einen an den Preisen, die für Wärmepumpen gerade sehr hoch sind. Das wird sicher noch ein bis zwei Jahre auf diesem Niveau bleiben. Zum anderen haben die Heizungsbauer gar nicht so viele Kapazitäten oder müssten das Personal teilweise erst schulen, um überhaupt Wärmepumpen einbauen zu können“, erläutert der Fachmann. Glücklich könne sich also schätzen, wer nun die Gelegenheit habe, sich an ein Wärmenetz anzuschließen.

Eine Zentrale, viele Anschlüsse

Mehrere Quellen
Bei Solnet in Steinheim soll die Heizzentrale mit verschiedenen Energieträgern das Quartier rund um Schulzentrum und Freibad versorgen. Zum Einsatz sollen Holzhackschnitzel, eine Solarthermieanlage, eine Wärmepumpe und eine geringe Menge Gas kommen. Wobei das Gas auch durch eine zweite Wärmepumpe ersetzt werden könnte.

Wärme aus Holz
In Marbach setzt man beim Wärmenetz derzeit auf einen Holzhackschnitzelkessel. Bei Bedarf kommen auch Öl- und Gaskessel zum Einsatz, erklären die Stadtwerke Ludwigsburg-Kornwestheim als Betreiber, die aktuell kein neues Netz in der Hinterhand haben. Der Fokus liegt derzeit auf dem Betrieb und der Erweiterung der vorhanden Leitungen.