Das Atomkraftwerk Neckarwestheim 2 könnte bis Mitte April 2023 in Betrieb gehalten werden. Foto: dpa/Christoph Schmidt

Der Kanzler ordnet an, die Voraussetzungen für einen Weiterbetrieb aller drei Meiler zu schaffen. Im April 2023 soll die Stromproduktion aber enden.

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hat im Streit um den Abschalttermin für die verbliebenen Atomkraftwerke in Deutschland ein Machtwort gesprochen und angeordnet, dass bei Bedarf alle drei Meiler länger am Netz bleiben sollen. „Es wird die gesetzliche Grundlage geschaffen, um den Leistungsbetrieb der Kernkraftwerke Isar 2, Neckarwestheim 2 sowie Emsland über den 31.12.2022 hinaus bis längstens zum 15.4.2023 zu ermöglichen“, heißt es in einem Brief des Regierungschefs an Wirtschaftsminister Robert Habeck, Umweltministerin Steffi Lemke (beide Grüne) sowie Finanzminister Christian Lindner.

Das Problem Frankreich

Die Regierung veröffentlichte das Schreiben am Montagabend. In ihm verweist Scholz auf seine Richtlinienkompetenz. Bei strittigen Fragen kann der Kanzler verbindliche Entscheidungen treffen. Die Minister sind verpflichtet, diese umzusetzen.

Habeck und Lindner hatten in den vergangenen Wochen erbittert über den Weiterbetrieb der drei Atomkraftwerke gerungen. Nach geltender Rechtslage steigt Deutschland zum Jahresende aus der Atomkraft aus. Unter dem Eindruck der Energiekrise in Europa hatte Habeck jedoch vorgeschlagen, die beiden süddeutschen Meiler Neckarwestheim 2 und Isar 2 bis Mitte April kommenden Jahres in eine Notreserve zu überführen und Strom produzieren zu lassen, falls das zur Aufrechterhaltung der Netzstabilität erforderlich sein sollte. Habeck geht selbst davon aus, dass dies notwendig wird. Er verweist darauf, dass in Frankreich ein Großteil der Atomkraftwerksflotte nicht betriebsbereit ist. Der dritte deutsche Meiler Emsland in Niedersachsen sollte nach Habecks Plan wie vorgesehen Ende Dezember definitiv vom Netz gehen.

FDP-Chef und Finanzminister Lindner hingegen machte sich dafür stark, alle drei Atomkraftwerke bis 2024 am Netz zu halten und auch neue Brennelemente zu bestellen. Mit den vorhandenen Brennelementen können die Anlagen nur noch wenige Monate lang Strom produzieren. Den befristeten Weiterbetrieb aller drei Meiler kann Lindner seiner Basis als Erfolg verkaufen.

In dem Schreiben des Kanzlers an die Minister ist allerdings keine Rede davon, dass neue Brennelemente gekauft werden sollen. Die Grünen hatten deren Beschaffung auf ihrem Parteitag am vergangenen Wochenende zu einer „roten Linie“ erklärt.

Mehr Energieeffizienz geplant

Stattdessen ordnete Scholz nun zwei weitere Punkte an, die eher Habecks Position stärken: So soll ein ambitioniertes Gesetz zur Steigerung der Energieeffizienz vorgelegt werden. Zudem soll die jüngste Verständigung Habecks und der nordrhein-westfälischen Landesregierung mit dem RWE-Konzern zur Braunkohleverstromung „gesetzgeberisch umgesetzt“ und die Voraussetzung für den Zubau neuer, wasserstofffähiger Gaskraftwerke geschaffen werden.

Die Vereinbarung mit RWE sieht vor, den Kohleausstieg im Rheinischen Revier von 2038 auf 2030 vorzuziehen. Zugleich sollen aber angesichts der gegenwärtigen Energiekrise zwei Kohlemeiler, deren Stilllegung eigentlich für das Jahresende geplant war, bis 2024 weiterlaufen. Um an die notwendige Kohle zu kommen, soll das Dorf Lützerath am Tagebau Garzweiler abgebaggert werden. Der Ort gilt als Symbol für den Widerstand gegen die klimaschädliche Braunkohle.