Maria Zundel ist derzeit nicht nach Lachen zumute. Ab März wird es am Marktplatz 13 keine fair gehandelten Produkte mehr geben. Foto: Simon Granville

Die lange Suche nach einer Nachfolge für Maria Zundel, die mehr als 26 Jahre Geschäftsführerin war, blieb erfolglos. Jetzt macht der Laden am Leonberger Marktplatz 13 Ende März endgültig zu.

Mehr als eineinhalb Jahre sind die Verantwortlichen des Leonberger Eine-Welt-Ladens auf der Nachfolge-Suche für die bisherige Geschäftsführerin Maria Zundel gewesen. Ohne Erfolg – und daher mit bitterer Folge: Die Weltladen-GmbH wurde in diesen Tagen notariell aufgelöst. Das Geschäft in dem Haus Nummer 13 auf dem historischen Marktplatz muss zum 31. März schließen. „Wir bedauern es sehr, dass es nach 46 Jahren in der Fair-Trade-Stadt Leonberg keinen Weltladen mehr gibt“, sagt die 78-jährige Maria Zundel, die nun fast 26 Jahre die Geschicke des Ladens in verantwortlicher Position ehrenamtlich gelenkt hat und immer ein starkes, ebenfalls ehrenamtliches Team hinter sich wusste.

Alle Versuche sind gescheitert

Zundel hatte zuletzt betont, sie wolle aufhören, solange sie noch fit sei. Sprecherin der Lokalen Agenda sowie der Arbeitsgruppe „Eine Welt und faire Stadt Leonberg“ bleibt sie auch weiterhin. Mit ihren Kolleginnen und Kollegen hat sie einiges unternommen, um jemanden zu finden, der ihre Aufgabe als Geschäftsführerin hätte übernehmen können. „Wir haben es im Amtsblatt veröffentlicht, unser Problem in anderen Läden angesprochen und eventuelle Kooperationen versucht, wir haben uns an die Kirchen gewandt. Ein paar Reaktionen waren da, aber im Endeffekt haben alle zurückgezogen, und ohne Geschäftsführer können wir den Laden nicht weiterführen.“

Vielleicht sei es der zu große Respekt vor der Verantwortung gewesen, der mögliche Kandidaten zurückgeschreckt hatte, mutmaßt die langjährige Chefin des kleinen Geschäftes auf dem Marktplatz. Zundel war unter anderem dafür zuständig den Laden nach innen und außen zu vertreten, das operative Tagesgeschäfts zu steuern, gemeinsam mit einer Steuerberaterin die Finanzen und Buchhaltung zu überwachen sowie das Welt-Laden-Team zu führen. Außerdem entwickelte sie im Team Ziele und Perspektiven für den Laden.

„Wir hoffen sehr, dass alle Kunden weiterhin fair gehandelte Produkte einkaufen, beispielsweise in Weltläden der benachbarten Städte oder im Handel, wo es inzwischen auch viele Produkte gibt“, sagt Zundel. In Leonberg wurden nicht nur Lebensmittel verkauft, sondern auch Schmuck, Kunsthandwerk sowie Papierwaren. Nun wird es bis zur Schließung Rabatte auf alle Handwerksprodukte geben.

Große Betroffenheit bei Mitstreitern

In Kontakt getreten wegen einer möglichen Kooperation war die Geschäftsführerin unter anderem mit dem Weltladen in Gerlingen. „Eine neue Leitung hätten wir gerne mit unserer Erfahrung unterstützt“, sagt Karin Käde, die stellvertretende Vorsitzende des Vereins Weltladen Gerlingen. Doch auch ihr Team arbeitet – mit Ausnahme einer Kraft, die ein freiwilliges soziales Jahr (FSJ) absolviert – auf ehrenamtlicher Basis, hat daher wenig Kapazitäten übrig. Das Geschäfts-Aus hat Käde mit großer Betroffenheit aufgenommen. „Diese Entwicklung ist für die Fair-Trade-Stadt Leonberg ein herber Schlag. Es ist kaum vorstellbar, dass sich unter fast 50 000 Einwohnern nicht ein paar Menschen finden ließen, die dieses für unsere ganze Gesellschaft wichtige Projekt weiterführen.“ Weltläden seien, so Karin Käde, schließlich nicht nur Fachgeschäfte des Fairen Handels, sondern sie machten mit ihrer Arbeit auch immer wieder aufmerksam auf Missstände im Globalen Süden und leisteten einen Beitrag zu deren Beseitigung – und damit auch zur Bekämpfung von Fluchtursachen. „Wir können mit unserer Bildungsarbeit auch junge Menschen erreichen und sie dazu bewegen, ihr Konsumverhalten kritisch zu hinterfragen. Darüber hinaus sind Weltläden immer auch ein Leuchtturmprojekt für ehrenamtliches Engagement mit nicht zu unterschätzender Strahlkraft in die Stadtgesellschaft hinein“, sagt Käde. Hätte der Leonberger Eine-Welt-Laden mit einer neuen Geschäftsführung eine Zukunft gehabt, wäre eine räumliche Veränderung notwendig geworden. „Seit einigen Monaten wissen wir, dass das Haus am Marktplatz 13 von privater Hand an einen Investor verkauft werden soll, die Miete hätten wir uns vermutlich nicht mehr leisten können“, sagt Maria Zundel.

Jetzt ist es ohnehin vorbei. Was auch der Leonberger Oberbürgermeister Martin Georg Cohn bedauert. „Mit dem Welt-Laden verlieren wir ein Angebot an fair gehandelten Produkten und einen Ort der Begegnung und des Austauschs über globale Gerechtigkeit und bewussten Konsum. Und wir verlieren einen attraktiven Laden am Leonberger Marktplatz. Deshalb müssen wir uns nach der Schließung dafür einsetzen, dass der Marktplatz weiterhin durch ein abwechslungsreiches Angebot belebt wird und eine Anlaufstelle und ein Aufenthaltsort für Bürgerinnen und Bürger ist.“

Den Fair-Trade-Gedanken will Maria Zundel auch weiterhin in der Stadt aufrechterhalten. „Mit verschiedenen Projekten der Lokalen Agenda“, sagt die promovierte Wirtschaftswissenschaftlerin, die lange Jahre bei der Volkshochschule Leonberg den Fachbereich für berufliche Weiterbildung leitete und auch stellvertretende VHS-Leiterin war.

Die Geschichte des Eine-Welt-Ladens in Leonberg

Gründung
Im November 1978 wird der Dritte-Welt-Laden, wie er damals heißt, in der Zwerchstraße 23 von einer ökumenischen Initiative gemeinsam mit Ehrenamtlichen gegründet. Trägerverein ist die „Ökumenische Arbeitsgemeinschaft Dritte Welt e.V.“. Sie ist Hauptgesellschafterin des Ladens, der die Rechtsform einer GmbH hat. Der Laden ist einer der ersten Weltläden in Süddeutschland.

Überlebenskampf Zwei Jahre später wird das 20-Jahr-Jubiläum gefeiert, doch der Weltladen kämpft erneut ums Überleben. Ursachen sind die wachsende Konkurrenz und die wenig kundenfreundliche Randlage in der Altstadt. 2002 folgt der Umzug in das Gebäude Marktplatz 13 auf dem Leonberger Marktplatz. Durch die zentrale Lage werden neue Kundenkreise gewonnen, die neuen Räume ermöglichen eine großzügigere Präsentation des Sortiments.

Zweiter Ladenraum Im November 2008 wird unter dem Motto „30 Jahre und fair geht´s weiter“ Geburtstag gefeiert. 2012 folgt die Eröffnung des zweiten Ladenraums gleich nebenan. Während der Corona-Pandemie kommt der Weltladen wirtschaftlich erneut an seine Grenzen.

Das Aus 2025 hört Geschäftsführerin Maria Zundel auf, eine Nachfolge ist nicht in Sicht. Der Laden muss schließen.