Die Bundesvorsitzende der Grünen, Ricarda Lang, kritisiert die Zustimmung Deutschlands zum Asylkompromiss. Foto: IMAGO/Sven Simon/IMAGO/Frank Hoermann / SVEN SIMON

Die Grünen dürften nach der Zustimmung Deutschlands zum Asylkompromiss vor heftigen Debatten stehen. Die Bundesvorsitzende Ricarda Lang kritisiert den Kompromiss. Die Debatte im Überblick.

Nach der Zustimmung der Bundesregierung zur geplanten Verschärfung der europäischen Asylregeln zeichnen sich hitzige Diskussionen bei den Grünen ab. Kaum hatten die EU-Innenministerinnen und -minister die Einigung ihrer Staaten in Luxemburg besiegelt, meldeten sich die Doppelspitzen sowohl der grünen Partei- als auch Fraktionsführung mit je zwei unterschiedlichen Bewertungen zu Wort. Nachdem die Grünen als Teil der Ampel-Regierung mit SPD und FDP den schwierigen europäischen Kompromiss zugelassen haben, distanziert sich ein Teil des Führungspersonals öffentlich davon.

Der Kompromiss werde dem „Leid an den Außengrenzen nicht gerecht und schafft nicht wirklich mehr Ordnung“, schrieb die Ko-Parteivorsitzende Ricarda Lang am Donnerstagabend auf Twitter.

Zwar gebe es gewisse Verbesserungen, zentrale Forderungen seien aber nicht erreicht worden. „So wird es keine grundsätzliche Ausnahme von Kindern bei Grenzverfahren geben und auch ein verpflichtender Verteilmechanismus konnte, trotz Fortschritten bei Solidarität und Verteilung, nicht erreicht werden“, kritisierte Lang. „Deshalb komme ich zu dem Ergebnis, dass Deutschland bei dem Vorschlag zur GEAS-Reform im Rat heute nicht hätte zustimmen dürfen.“

Auch Grünen-Fraktionschefin Katharina Dröge erklärte, in den Verhandlungen seien zwar „Verbesserungen“ erreicht worden. „Aber für mich werden sie dem Anspruch auf Solidarität und Humanität in Europa nicht ausreichend gerecht.“

Der Grünen-Ko-Vorsitzende Omid Nouripour äußerte ebenfalls Kritik an der Einigung. Insgesamt komme er aber zu dem Schluss, dass der Asylkompromiss ein „notwendiger Schritt ist, um in Europa gemeinsam voranzugehen“, schrieb Nouripour auf Twitter. Die derzeitige Situation an den europäischen Grenzen sei für Schutzsuchende „unerträglich“

Mit der Vereinbarungen der EU-Länder vom Donnerstag seien „in Teilen“ Fortschritte erreicht worden, urteilte der Grünen-Chef. „Es gibt klare Verbesserungen wie zum Beispiel die Ausnahme für unbegleitete Minderjährige und der Zugang zu unabhängiger Rechtsberatung.“ „Zudem kommt ein Solidaritätsmechanismus, der Fortschritte bei der Verteilung von Geflüchteten bringt.“ Er bedauere aber, dass keine grundsätzliche Ausnahme von Familien mit Kindern bei Grenzverfahren vereinbart worden sei. Es gebe „viel zu diskutieren und das werden wir weiterhin tun“, erklärte Nouripour.

Verfahren an den Außengrenzen

Die EU-Länder hatten sich am Donnerstag in Luxemburg im jahrelangen Asylstreit geeinigt und den Weg für umstrittene Asylverfahren an den europäischen Außengrenzen frei gemacht. Die Verfahren in der EU sollen angesichts der Probleme mit illegaler Migration deutlich verschärft werden. Eine ausreichend große Mehrheit an Ministern stimmte für umfassende Reformpläne. Vorgesehen ist insbesondere ein deutlich härterer Umgang mit Migranten ohne Bleibeperspektive. So sollen ankommende Menschen aus als sicher geltenden Ländern künftig nach dem Grenzübertritt unter haftähnlichen Bedingungen in streng kontrollierte Aufnahmeeinrichtungen kommen. Dort würde dann im Normalfall innerhalb von zwölf Wochen geprüft, ob der Antragsteller Chancen auf Asyl hat. Wenn nicht, soll er umgehend zurückgeschickt werden.

Keine Ausnahme für Familien

Die Bundesregierung hatte sich in den Verhandlungen nachdrücklich dafür eingesetzt, dass Familien mit Kindern von den sogenannten Grenzverfahren ausgenommen werden. Auch Außenministerin Annalena Baerbock und Vizekanzler Robert Habeck (beide Grüne) meldeten sich in diesem Sinne zu Wort. Um den Durchbruch zu ermöglichen, mussten sie allerdings letztlich akzeptieren, dass dies doch möglich sein könnte.