Am Landgericht entscheidet sich die Zukunft eine 45-Jährigen aus Böblingen. Foto: Imago/Arnulf Hettrich

Ein 45-Jähriger steht wegen Drogendeals vor Gericht, die lange zurückliegen. Dabei offenbart sich seine tragische Geschichte.

Der grau durchwirkte Vollbart des Mannes mit der Glatze auf der Anklagebank des Stuttgarter Landgerichts zeugt davon, dass er mit 45 Jahren schon deutlich mehr im Leben durchgemacht hat als andere Menschen seines Alters. Die Worte kommen ihm flüssig über die Lippen, für die Umwege in seinem Leben hat er immer eine Erklärung. Und von den Umwegen gab es viele, und nicht alle haben in die richtige Richtung geführt.

Seit 2020 sitzt er in verschiedenen Gefängnissen seine Strafen ab, und sein Aufenthalt könnte sich nochmals verlängern. Derzeit muss er sich vor dem Landgericht Stuttgart wegen vier Vorwürfen des Drogenhandels aus dem Jahr 2020 verantworten, die ihm die Staatsanwaltschaft vorwirft.

Das Kokain soll er in Frankreich besorgt haben

Zum einen soll der 45-Jährige, der laut Anklage von seiner Wohnung in Böblingen aus einen schwunghaften Drogenhandel betrieben haben soll, Ende Januar 2020 einem Bekannten beim Mineralbad Bad Cannstatt 60 Gramm Kokain zum Preis von 3000 Euro übergeben haben. Anfang Februar habe er in seiner Wohnung in Böblingen rund 1000 Ecstasy-Tabletten im Besitz gehabt. Wenige Tage später soll er in Beuren (Kreis Esslingen) an einen Abnehmer ein Kilogramm Kokain aus Kolumbien verkauft haben, das er zuvor in Frankreich erworben hatte.

Ende Februar jenen Jahres soll er schließlich in Herrenberg-Kuppingen an einen Bekannten aus seinem Vorrat von einem Kilogramm Kokain 500 Gramm für 20 000 Euro verkauft haben. 4500 Euro seien sofort bezahlt worden, die restlichen 15 500 Euro ein paar Tage später.

Aus dem Lebenslauf des Mannes wurde deutlich, dass er es bereits als Kind schwer hatte: Seine Mutter, die als Zahnärztin kurz davor war, eine eigene Praxis zu eröffnen, erkrankte Anfang der 1990er-Jahre an Multipler Sklerose. Als es ihr immer schlechter ging und sie sogar ins Krankenhaus musste, habe der Vater eine neue Frau mit nach Hause gebracht, worauf die Mutter die Scheidung einreichte. Bis wenige Jahre vor ihrem Tod im Jahr 2012 pflegten der Angeklagte und sein Bruder die Mutter zusammen mit den Großeltern.

Das Verhältnis zu seinem Vater sei bis zu dessen Tod im Jahr 2019 gestört gewesen, berichtete der Angeklagte weiter. Er schaffte den erweiterten Hauptschulabschluss, eine Lehre als Zerspanungstechniker musste er zunächst abbrechen, weil er in Jugendhaft kam. Im zweiten Anlauf schaffte er zwar die praktische Prüfung, scheiterte aber in der Theorie. „Ich habe aber immer Arbeit gehabt, als Umzugshelfer, auf dem Bau oder als Reifenmonteur“, führte der 45-Jährige weiter aus.

Die ersten drei Kinder sind in Pflegefamilien

Mit seiner ersten Frau hat er drei Kinder, die alle in Pflegefamilien landeten, weil die Frau dem Alkohol verfiel und er jahrelang im Gefängnis war. Nur zum ältesten Sohn habe er Kontakt, er spricht auch jetzt noch täglich im Gefängnis mit ihm. 2017 lernte er eine neue Partnerin kennen, mit dieser bekam er 2020 ein viertes Kind. „Ich will mich um meine Kinder kümmern, ein geordnetes Leben führen und bestimmte Leute meiden“, nannte er als Ziele für seine Zukunft. Zwei Jobs habe er in Aussicht, es sei mit 45 Jahren die letzte Chance für ihn, die Kurve zu kriegen. „Und ich habe aufgehört, vom großen Geld dieser Welt zu träumen“, sagte er mit Blick auf seine Vergangenheit, die ihm so viele Jahre im Gefängnis beschert hat.

Der Prozess wird in der kommenden Woche fortgesetzt, das Urteil soll am 10. September verkündet werden.