Der FDP-Vorsitzende und Finanzminister Christian Lindner spricht auf dem Treffen seiner Partei in Stuttgart. Foto: dpa/Uli Deck

FDP-Chef Christian Lindner betont auf dem Dreikönigstreffen die neue Rolle der ampelregierenden Liberalen. Und versucht, sich pragmatisch mit Geschick statt eigensinnig mit liberalem Hochmut gegen rot-grüne Widerstände durchzusetzen

Stuttgart - Es ist jene Art von frechem Lokalkolorit, die dem traditionellen Dreikönigstreffen der FDP in Stuttgart zumindest eine kleine Prise Salz in den ansonsten ziemlich zähen Brei der neuen, großen Ampelherrlichkeit streut. Wie da der baden-württembergische FDP-Fraktionschef Hans-Ulrich Rülke dem grünen Recken Winfried Kretschmann einheizt, persönlich wie inhaltlich, ist scharfe Oppositionsrhetorik allererster Güte. Sogar einen „Anschlag auf die liberale Demokratie“ wirft Rülke dem eigensinnigen Ministerpräsidenten angesichts dessen verfassungslabilen Corona-Zickzackkurses vor. Und doch wirkt Rülkes schnittige Abrechnung vor pandemiebedingt erneut weitestgehend leeren Opernrängen ein wenig antiquiert.

Denn die Zeit der ganz großen und verbalaggressiven Abgrenzung zu den Grünen ist fürs Erste vorbei, seit sich die FDP in der Bundeshauptstadt mit geschickt wie forsch ausgehandelten Ministerposten sowie einem Koalitionsvertrag schmücken kann, dem zu Recht eine kräftige liberale Handschrift bescheinigt wird. Und die sich auch bei der frühen wie erfolgreichen Festlegung auf eine zweite Amtszeit von Frank-Walter Steinmeier als Bundespräsident taktische Finesse attestieren lassen kann.

Adagio des designierten Generalsekretärs

Die neuen Adagiotöne setzt der designierte Generalsekretär. Bijan Djir-Sarai versteht sich weniger als ein einpeitschender Meister der Attacke, sondern mehr als einer, der auf diplomatisches Geschick im Umgang mit den neuen rot-grünen Partnern vertraut. Auf eine Politik, die „empathisch“ ist und sich um die „Sorgen und Nöte der Menschen“ – nicht nur bei der Steuerbelastung – sowie ihre „seelischen Narben“ kümmert, der Debatten über Sinn und Zweck einer Impfpflicht „respektvoll“ führt.

Da macht ein staatstragender Drittregierender neu komponierte gesellschaftspolitische Angebote. Mag der 45-jährige gebürtige Iraner in freier Rede noch viel Luft nach oben haben: Djir-Sarai steht für einen mittelfristigen Kurs, der weder die FDP noch die beiden anderen Ampelkoalitionäre programmatisch überfordern sollte.

Christian Lindners Auftritt spricht da ebenfalls Bände. Da doziert der Parteichef und Bundesfinanzminister über das Große und Ganze in schwierigen Zeiten. Lindner versucht, sich pragmatisch mit Geschick statt eigensinnig mit liberalem Hochmut gegen rot-grüne Widerstände durchzusetzen. Er will sich dem Vorwurf der politischen Konkurrenz entziehen, die FDP sei in der Ampel Mitläufer und Gegenspieler zugleich. Dieser Vorsitzende will trotz allem offen für andere Konstellationen in einer echten Mitte zu bleiben. Eigenständig, das ist das liberale Zauberwort. Keinem Lager zuzuordnen. Die FDP sei eben die „einzig handlungsfähige Partei der politischen Mitte“: Da kann sich Lindner den einzigen Seitenhieb auf die nicht ganz aus den Augen verlorene Union nicht verkneifen.

Reichlich stolz und ziemlich teamfähig

Noch trägt das Koalitionseis alle drei Partner. Lindner nennt in Stuttgart nichts Trennendes, vermeidet Warnungen und Forderungen. Die FDP als Freiheitspartei pocht in der Coronakrise selbstbewusst auf ihren Anspruch, die einzige möglichst standhafte Freiheitspartei zu sein. Ein maßvoller Rufer und Verfechter der Verhältnismäßigkeit der Mittel. Manches deutet darauf hin, dass sie damit angesichts der bundesweit schwärenden Anti-Impf-Protestwunden auch in diesem Punkt in der Lage ist, in der politischen Debatte entscheidende Akzente zu setzen.

Nur nicht übertreiben: Auf dem Dreikönigstreffen präsentiert sich die kleinste Ampelpartei reichlich stolz und ziemlich teamfähig. Flexibel diplomatisch und begrenzt eigenständig. Mit dem verschmitzten Ruf des großen Liberalen Theodor Heuss in beiden Ohren: Nun siegt mal schön.