Früher ein Real, heute Marktkauf und Aldi – der drittgrößte in Deutschland. Am 9. Dezember ist Eröffnung. Foto: Stefanie Schlecht

Am 15. Dezember eröffnet Aldi Süd eine neue Filiale in dem ehemaligen Real-Getränkemarkt auf der Hulb. Ein Aldi-Manager erklärt, was sich der Discounter von der direkten Nachbarschaft zu Marktkauf erhofft und warum er mit dem Standort neue Wege geht.

Am 15. Dezember um 7 Uhr gleiten die Schiebetüren erstmals für Publikum auf: Dann eröffnet Aldi-Süd seine jüngste Filiale in dem Gebäude auf der Böblinger Hulb, das bis Ende Mai noch den Real-Getränkemarkt beherbergte. Während der Hauptmarkt nebenan in nur 240 Stunden von einem Real auf einen Marktkauf umgeflaggt wurde, nahm sich Aldi Süd mehr Zeit für die Metamorphose: Rund sechs Monate herrschten Handwerker über die 1700 Quadratmeter des einstigen Getränkemarkts.

„Dies wird die drittgrößte Aldi-Süd-Filiale überhaupt werden“, sagt Andreas Grupp, verantwortlich für die Immobilien der Aldi-Regionalgesellschaft rund um Stuttgart. Nur die beiden Standorte in Mülheim an der Ruhr und in Jestetten an der Schweizer Grenze toppen den neuen Böblinger Markt. „Die Gebäudehülle hat uns Edeka zur Verfügung gestellt, den kompletten Innenausbau haben wir selbst gemacht“, sagt er. Die Vermietung an einen Wettbewerber war eine Auflage, die das Kartellamt Edeka beziehungsweise Marktkauf machte, um den XXL-Supermarkt von Real überhaupt erwerben zu können.

„Wir hatten schon im Vorfeld Kontakt zu Edeka aufgenommen und unser Interesse bekundet“, sagt Grupp. In der Otto-Lilienthal-Straße unter der Hausnummer 3 betreibt Aldi bereits einen Standort, der nach dem Umzug aber aufgegeben wird. „Der neue Standort ist natürlich der bessere“, sagt Andreas Grupp. Im Frühjahr sagte eine Aldi-Sprecherin, man sei derzeit auf der Suche nach einem Nachmieter für die Bestands-Filiale. Gerüchten, diese werde abgerissen, erteilte sie eine Absage.

Novum bei Aldi: Zwei Eingänge

Ein Abrisshammer wurde stattdessen am neuen Standort benötigt: „Erst mal mussten alten Real-Wände eingerissen werden, um auf die 1700 Quadratmeter zu kommen“, so Grupp. Nicht nur in seiner Größe, sondern auch aus anderen Gründen wird sich der Discounter dort von vielen anderen Aldi-Süd-Filialen unterscheiden. Es gibt ausnahmsweise zwei Zugänge: Den von außen und den direkt aus der angrenzenden Mall. So könne man vom einen in den anderen Markt übergehen. Außerdem soll in dem Markt nicht effiziente Enge herrschen, sondern Luftigkeit.

Grupp: „Die zehn Meter hohe Decke ist komplett offen gestaltet, heizende Deckenstrahler und Beleuchtung hängen von oben herab.“ Die Bodenfliesen seien auch nicht mehr die gelb geflammten, sondern jetzt in dezentem Grau gehalten. „In dem Markt setzen wir unser neues Farbkonzept um, es wird eine moderne und außergewöhnliche Filiale“, so der Aldi-Manager. Die 37 Meter Länge und 48 Meter Breite nutzt Aldi, um sein Sortiment „breiter zu strecken“. Da alles zentral eingekauft wird, gibt es zwar keine zusätzlichen Artikel, doch das Aldi-Sortiment wird in acht statt wie sonst in vier bis fünf Gängen feilgeboten. Außerdem sei die Aktionsfläche für die Non-Food-Ware deutlich größer. Die Abfolge der Waren bleibe aber Aldi-typisch. Bei den Backwaren kooperiert Aldi auf der Hulb mit der Bäckerei Keim aus Reutlingen, die ein eigenes Sortiment anbietet.

Wie kann das funktionieren, hier der Discounter und direkt daneben Marktkauf als riesenhafter Vollsortimenter? Grupp: „Wir sehen darin einen guten Synergie-Effekt. Ich kann mir schon vorstellen, dass viele Kunden zunächst zum Discounter gehen, um sich einzudecken. Und alles, was sie dort nicht bekommen, holen sie sich im Marktkauf.“ Zwar dürfte Edeka die andere Reihenfolge bevorzugen, doch deren Vertreter betonten bei der Marktkauf-Eröffnung ebenfalls die Vorteile der Koexistenz. Erstmals teilen sich die beiden Konkurrenten auch die Einkaufswägen, die Bestellung beim Hersteller Wanzl soll bald eintreffen. „Getrennte Wägen wären kaum händelbar gewesen“, sagt Grupp.

Hoffnung auf gute Synergie-Effekte

Zieht der neue Markt weitere Kaufkraft aus der Innenstadt ab? Immerhin wird Aldi im Jahr 2024 eine weitere Filiale im BBG-Projekt Pulse (Böblinger Baugesellschaft) auf dem Gelände des ehemaligen City-Center aufmachen. Dort in Nachbarschaft zu einem neuen dm-Markt im Erdgeschoss der neuen Passage zur Brumme-Allee hin, darüber zieht Decathlon ein. Der Standort in der Rudolf-Diesel-Straße bleibt, wie gehabt, eine frei stehende Filiale. Die gehört Aldi selbst, wie 70 Prozent seiner Märkte.

Doch der einst so auf Uniformität bedachte Discounter geht immer häufiger neue Wege: Östlich der S-Bahn-Haltestelle in Maichingen entsteht gerade eine Aldi-Filiale, auf deren Dach 24 Wohnungen Platz finden, im nächsten Jahr soll sie eröffnen. Das luftige Konzept auf der Böblinger Hulb ist ein weiterer Baustein in Aldis Strategie, die weg vom Billig-Image führen soll. „Wir erhoffen uns natürlich etwas davon“, sagt Aldi-Mann Grupp. „Aufgrund der derzeitigen Wirtschaftslage schauen die Leute mehr aufs Geld.“ Das soll dem auf Niedrigstpreise getrimmten Handelskonzern neue Kunden bescheren – in Nachbarschaft zur Konkurrenz.

Aus Real wird Marktkauf und Aldi

Eröffnung
feierte man in der Otto-Lilienthal-Straße am 24. Oktober 1978, als die Böblinger Handelsfamilie Kriegbaum ihren Multi-Center auf knapp 10 000 Quadratmetern eröffnete. Das Konzept der Riesen-Supermärkte schwappte aus den USA nach Deutschland.

Verkauf
Nachdem Kriegbaums Investitionen in den neuen Bundesländern über den Kopf wuchsen, verkauften sie ihr Imperium an die Düsseldorfer Metro-Gruppe, aus Multi-Markt und Multi-Center wurden Real-Märkte.

Filiale auf der Hulb
Der Standort auf der Hulb wurde der größte im Real-Reich mit 12 500 Quadratmetern Fläche und zuletzt 55 Millionen Euro Jahresumsatz – Spitzenwert in Deutschland.

Zerschlagung
Die Metro trennte sich vor drei Jahren von der Real-Sparte, ein Investoren-Konsortium zerschlug die Gruppe. Die Hürden der Kartellwächter für die Übernahme durch Edeka in Böblingen waren allerdings hoch: Marktkauf musste auf 9900 Quadratmeter verkleinern – und dem Konkurrenten Aldi die Fläche des Getränkemarkts überlassen.