Karl Lauterbach (SPD) stellte seine Digitalisierungsstrategie für das Gesundheitswesen und die Pflege in Berlin vor. Foto: dpa/Wolfgang Kumm

Der Bundesgesundheitsminister will den Stillstand bei der Einführung der elektronischen Patientenakte (ePA) beenden. Karl Lauterbach hat jetzt konkrete Schritte und Ziele vorgestellt: In zwei Jahren sollen 80 Prozent der Versicherten eine solche Akte haben.

Er will der Digitalisierung im Gesundheitswesen einen „Turboschub“ verleihen: Deshalb hat Gesundheitsminister Karl Lauterbach Pläne vorgestellt, die die elektronische Patientenakte (ePA) und die medizinische Forschung voranbringen sollen.

Patientenakte: Bis 2025, so das Ziel Lauterbachs, sollen 80 Prozent der Versicherten eine ePA haben. Die ePA bündelt die Gesundheitsdaten an einem Ort – also beispielsweise die Krankengeschichte, Röntgenaufnahmen, eine Übersicht über die Medikamente, die jemand einnimmt, oder die Berichte, die eine Klinik nach der Entlassung eines Patienten an dessen Hausarzt schickt. Die ePA gibt es schon seit Jahren. Bisher nutzen sie aber weniger als ein Prozent der Versicherten – auch weil es dafür einen umständlichen Prozess gibt, um sie nutzen zu können. Das erfolgt über Apps, die die Krankenkassen Interessierten zur Verfügung stellen.

Opt-out-Regel: Lauterbach will, dass für jeden eine ePA angelegt wird, das heißt: Ärzte und Kliniken legen dort die jeweils aktuellen Angaben zum Patienten ab - also welche Beschwerden er hat, welche Therapie stattfindet, wie die Laborwerte aussehen und welche Arzneimittel er oder sie verordnet bekommt. Allerdings können Versicherte ein Veto einlegen („Opt-out“), so dass keine ePA angelegt wird. Wer nicht widerspricht, kann die Akte selbst aktiv nutzen, also einsehen, was dort steht. Dafür braucht er eine App, die noch entwickelt werden soll. Die bestehenden Zugangs-Apps der Kassen sollen weiterhin dafür genutzt werden können.

Der Patient, der die Akte nutzt, kann entscheiden, was die Gesundheitsberufler dort einsehen können. Es ist also möglich, bestimmte Angaben nur dem Hausarzt, aber nicht Fachärzten zugänglich zu machen. Nach den Worten Lauterbachs ist es auch möglich, die Akte zu haben – und zugleich festzulegen, dass die Forschung nicht auf Daten aus der Akte zugreifen darf – auch wenn dies sowieso nur auf Basis pseudonymisierter Daten geschehen könnte.

Was jemand tun muss, um das „Opt-out“ auszulösen – wie das also technisch geht -, ist noch ungeklärt, so Lauterbach. Offen ist auch, wie längst bestehende Daten eines Patienten in die ePA kommen – also ein OP-Bericht oder ein Befund aus früheren Jahren. Bei den meisten Patienten haben die Hausärzte darüber einen Überblick. Bisher jedenfalls hat Lauterbach aber nicht entschieden, dass sie die bestehenden Daten eintragen sollen. Aus Sicht Lauterbachs ist die Zielmarke von 80 Prozent keineswegs unrealistisch. Es werde dagegen nur „wenig Widerstand“ geben.

Zugang zur ePA: Was ist mit Menschen, die kein Smartphone und kein Tablet nutzen? Sie können nicht selbst einsehen, was in ihrer Akte steht. Sofern sie einverstanden sind, können aber die Gesundheitsberufler in der ePA die Angaben einsehen, die dort für sie eingetragen sind. Das werde, so Lauterbach, die Versorgung von Kranken verbessern, weil dann das oft mühsame Zusammentragen von Unterlagen, Untersuchungsergebnissen, Befunden oder Röntgen- und MRT-Bildern nicht mehr anfalle.

Datenschutz/Daten für die Forschung: Für die ePA gelten die europäischen Datenschutz-Regeln (DSGVO). „Ein Missbrauch der Daten ist nicht möglich“, sagt Lauterbach. Er möchte, dass Wissenschaftler und Firmen auf bestehende Daten wie auf die ePA-Daten zugreifen können. Deutschland müsse seinen Rückstand bei der klinischen Forschung dringend aufholen. Der Kölner Onkologe Michael Hallek wies darauf hin, dass seine Mitarbeiter für ein Forschungsprojekt zur Lungenkrebs-Behandlung mit 18 verschiedenen Datenschützern des Bundes, der Länder und von Unikliniken hätten Absprachen treffen müssen, wobei es von Seiten der Datenschützer widersprüchliche Auflagen gegeben habe. Das mache die Forschung kompliziert und langsam. Bevor Wissenschaftler oder Firmen pseudonymisierte Daten verwenden können, müssen sie künftig bei einem Forschungsdatenzentrum einen Antrag stellen. Bei den Anträgen müsse deutlich sein, dass die Forschung dem Gemeinwohl diene, so Lauterbach. Welche Kriterien zur Definition von Gemeinwohl daraus genau folgten, sei aber noch offen.