Hakeliges Miteinander: FDP-Chef Lindner, Grünen-Chefin Lang und der FDP-Vorsitzende Klingbeil. Foto: dpa/Michael Kappeler

Mit ihrem Leitantrag für den Bundesparteitag untermauert die FDP ihren ungeschmeidigen Kurs in der Berliner Koalition. Alles folgt dem Kalkül: Zoff zahlt sich aus.

Die FDP durchlebt gerade wieder einmal eine Misere, die ihr aus ihrer langen Geschichte als Regierungspartei nur allzu vertraut ist: Seit sie in der Ampelkoalition mit am Kabinettstisch sitzt, sacken die Umfragewerte in den Keller. Bei Landtagswahlen hat sie eine Pleiteserie erlebt, die sich demnächst fortsetzen könnte. Dennoch muss Christian Lindner, Parteichef und Bundesfinanzminister, nicht befürchten, auf dem Parteitag, der an diesem Freitag in Berlin beginnt, abgestraft zu werden. Ganz im Gegenteil.

Unter Lindners Regie haben die Liberalen zuletzt bei populären Themen gepunktet: mit einem Veto gegen das europaweite Verbot von Verbrennermotoren, durch eine Notbremsung bei der Modernisierung von Heizungen, kritische Einwände gegen den finalen Atomausstieg und eine Kurskorrektur in der Klimapolitik mit dem Ziel, Machbarkeit und Akzeptanz in der Bevölkerung nicht aus dem Blick zu verlieren.

FDP wieder durchsetzungsstark

Demoskopisch zahlt sich das bis jetzt nur in homöopathischen Dosen aus: Die Umfragewerte bewegen sich wieder Richtung acht Prozent – sind aber noch weit entfernt vom Ergebnis der letzten Bundestagswahl (11,5 Prozent). Meinungsforscher von Infratest dimap haben aber herausgefunden, dass plötzlich fast jeder dritte Wahlberechtigte die FDP wieder als durchsetzungsstark wahrnimmt. Mit einem koalitionsinternen Krawallkurs steigt offenbar das Ansehen des kleinsten der drei Ampelpartner.

Mit ihrem Leitantrag untermauern die Liberalen das durch Akzente, die für eine eigenwillige, wenig koalitionsfreundliche Taktik sprechen: Sie zeigen sich stur – oder prinzipientreu – bei der Verweigerung von Steuererhöhungen. „Zu lange wurde der Wohlstand nur verteilt, ohne zu fragen, wo er herkommt“, lautet ihre Antwort auf rot-grüne Fürsorgepolitik. Zudem wollen die Freidemokraten „das Geschäftsmodell Deutschland erneuern“, indem sie auf Technologiefreiheit statt Verbote in der Klimapolitik sowie auf die „nächste Generation“ der Kerntechnik, auf E-Fuels statt alternativlose Elektrifizierung im Verkehr und auf Gentechnik in der Landwirtschaft setzen. Den Sozialstaat, den Grüne und Sozialdemokraten gerne weiter düngen würden, stellen sich die Liberalen „smarter“ vor. Ihre Alternative: Sie wollen „Anreize zur Erwerbstätigkeit weiter steigern“, statt ständig neue Wohltaten zu erfinden.

Personalien könnten ungeachtet der gesicherten Wiederwahl Lindners auf dem Konvent immerhin Gesprächsstoff liefern: Schwächt die Kür der scharfzüngigen Verteidigungsexpertin Marie-Agnes Strack-Zimmermann zur Spitzenkandidatin bei der Europawahl 2024 die FDP-Flanke der Ampel? Die Liberalen erhoffen sich von ihr aber einen größeren Mehrwert auf europäischem Parkett, wo sie zuletzt nur 5,4 Prozent erzielt hatten. Und wie lange kann sich die FDP noch einen Nonkonformisten wie Wolfgang Kubicki in führender Rolle leisten? Der Altliberale Gerhart Baum fordert den notorischen Provokateur auf, nicht mehr für die Parteispitze zu kandidieren.