Was wäre, wenn Unterwasserwelt plötzlich verrückt spielt und zum Beispiel Orcas Ausflugsboote angreifen? Mit diesem Szenario beschäftigt sich „Der Schwarm“. Foto: ZDF//Staudinger + Franke

Ist das noch Science-Fiction? Und wer ist hier das Monster? Das europäische Serien-Großprojekt „Der Schwarm“ aktualisiert Frank Schätzings Ökobestseller aus dem Jahr 2004. Und er macht das gut. Auch wenn der Autor das anders sieht.

Vor der Klimakrise gibt es kein Entkommen, auch nicht im Fernsehen. Vier Tage hintereinander zwingt einen das ZDF von Montag an zur besten Sendezeit hinzuschauen, verpackt die Auseinandersetzung mit dem, was die Menschen der Natur und damit sich selbst antun, aber in den achtteiligen Thriller „Der Schwarm“.

In den Kanälen Venedigs verdirbt eine Quallenplage Romantikern den Spaß. In der Küche eines südfranzösischen Gourmetrestaurants nehmen sterbende Hummer Gift speiend Rache. An der Küste von Vancouver Island greift ein Orca ein Touristenboot an, auf dem norwegischen Meeresboden spielen Eiswürmer verrückt. Vor den Shetlandinseln treibt Methaneis. Fischschwärme, Muscheln und Krabben werden zur tödlichen Gefahr – und eine Tsunamiwelle rollt auf Europas Atlantikküste zu.

Es genügt ein Blick aufs aktuelle Weltgeschehen, um zu erkennen, dass „Der Schwarm“ die Serie der Stunde ist: Pünktlich zur Ausstrahlung dieses Seriengroßprojekts haben sich die UN auf ein Abkommen zum Schutz der Hochsee verständigt. Die Serie kommt also genau zur richtigen Zeit, und wenn Frank Schätzing, dessen Buchvorlage vor 19 Jahren erschien, über die TV-Adaption schimpft, behauptet, sie würde „pilchern“ und sei „ohne aktuelle Relevanz“, ist das wohl eher gekränkte Eitelkeit als eine ernst zu nehmende Kritik.

Schätzing sollte lieber stolz darauf sein, wie die Serienmacher den kaum verfilmbaren Stoff in den Griff bekommen, von allerlei pseudowissenschaftlichem Ballast befreit und aktualisiert haben. Tatsächlich emanzipiert sich die Serie da von dem Buch, mit dem Schätzing im Sommer des Jahres 2004 seinen größten Erfolg feierte. Der damals 21-jährige Klaas Heufer-Umlauf, der kurz zuvor seinen ersten TV-Auftritt in der 2192. Folge der Soap „Verbotene Liebe“ hatte, machte das, was die meisten machten: „Ich habe das Buch, als es rauskam, als klassische Urlaubslektüre gelesen.“ Auch die damals 13-jährige Tübinger Waldorfschülerin Leonie Benesch verschlang es sofort: „Als ich damit durch war, war ich total begeistert, weil ich dachte: Jetzt verstehe ich Wissenschaft. Ich habe mich wahnsinnig schlau gefühlt.“

Nun spielt Benesch („Das weiße Band“, „Babylon Berlin“) in „Der Schwarm“ die Meeresbiologie-Studentin Charlie Wagner, und Klaas Heufer-Umlauf („Joko und Klaas“) ist der Tauchrobotik-Experte Luther Roscovitz – zwei Menschen, die zu einer Forschergruppe zählen, die das Geheimnis der verrücktspielenden Meereswelt ergründen. In „Der Schwarm“ geht es auch darum, wie es gelingen kann, dass ganz unterschiedliche Menschen aus allen Ecken der Welt gemeinsam an einem großen Projekt arbeiten.

Und letztlich ging es auch hinter den Kulissen genau darum: Tatsächlich hätte das 40 Millionen Euro teure Serienprojekt „Der Schwarm“ gründlich schiefgehen können, weil bei der ZDF-Produktion auch Sender aus Italien, Frankreich, Schweden, der Schweiz, Österreich und Japan beteiligt waren, EU-Fördergelder geflossen sind, ganz viele wichtige Menschen sich also einig werden mussten. Doch trotzdem serviert die Adaption von Schätzings Montageroman keinen europäischen Einheitsbrei, sondern ist ein in spektakulären Bildern erzählter, vielstimmiger Ökothriller.

Zu verdanken ist das den Drehbüchern, die virtuos die verschiedenen Handlungsstränge verknoten, dem großartigen Ensemble, zu dem auch Cécile de France, Oliver Masucci, Barbara Sukowa oder Franziska Weisz gehören, und dem Showrunner Frank Doelger („Game of Thrones“), der dafür gesorgt hat, dass die üblichen Auseinandersetzungen zwischen den Produzenten der Serie nicht geschadet haben.

In der Serie fühlt sich die Geschichte Schätzings jedenfalls überhaupt nicht mehr wie Science-Fiction an. „Wir leben in seltsamen, verrückten Zeiten, es passieren Dinge, die wir uns vor 15, 20 Jahren nicht hätten vorstellen können“, sagt Benesch. „Was hier erzählt wird, ist ganz, ganz nah dran an dem, was passieren könnte oder was tatsächlich passiert“, sagt Heufer-Umlauf .

Und das Monster in „Der Schwarm“ ist dann auch nicht wirklich die mysteriöse intelligente Lebensform, die in den Tiefen des Meeres lauert, sondern der Mensch selbst: „Es gibt zwar großartige, intelligente, kluge, empathische, liebevolle Menschen, die gute Sachen vorhaben und Dinge anders machen wollen“, sagt Benesch, „aber wenn man sich so ansieht, was wir alles kaputt machen, finde ich den Gedanken, dass wir das Monster sind, sehr naheliegend. Sowohl in der Serie als auch in der Realität.“

„Der Schwarm“ im ZDF: die Serie und das Begleitprogramm

Die Serie
Das ZDF zeigt am Montag, 6. März, ab 20.15 Uhr die ersten beiden Episoden von „Der Schwarm“. Dienstag, Mittwoch und Donnerstag geht die Ausstrahlung des Achtteilers jeweils in Doppelfolgen ab 20.15 Uhr weiter. Die ersten sechs Episoden sind bereits in der ZDF-Mediathek abrufbar. Die beiden letzten Folgen werden am Mittwoch, 8. März, ab 10 Uhr freigeschaltet.

Das Begleitprogramm
Ergänzend zeigt das ZDF (linear und in der Mediathek) ein umfangreiches Programm an Dokumentationen – im Anschluss an die ersten beiden Episoden läuft am Montag um 21.45 Uhr beispielsweise eine zweiteilige „Terra X“-Dokumentation, die fragt, wie gefährlich Wale sind und welche Bedrohungen im Meer lauern.