Joe Bidens Gegenspieler im Senat: Der konservative Demokrat Joe Manchin aus West Virginia. Foto: dpa/Alex Brandon

Knappste Mehrheiten machen US-Senator Joe Manchin zum mächtigsten Politiker im Kongress. Gerade hat er Bidens großes Reformpaket blockiert.

Stuttgart/Washington - Auf Joe Manchin zu warten, ist unter Kongressberichterstattern in Washington zu einem aufwendigen Unterfangen geworden. Oft gilt es, stundenlang vor dem Büro des Senators im Hart-Bürogebäude auszuharren. Oder die Kamerateams ziehen vor sein großes Hausboot auf dem Potomac, von Insidern zum schwimmenden Westflügel des Weißen Hauses deklariert. Der Demokrat empfängt dort den Stabschef des Weißen Hauses oder feiert mit Vertretern der sonst verfeindeten Parteien.

Seine Machtfülle verdankt der 74-Jährige, der den kleinen, armen Kohle-Staat West Virginia seit 2010 vertritt, den prekären 50:50-Mehrheitsverhältnissen im Senat. Republikaner-Kollege Mitt Romney hat ihm deshalb den Spitznamen „Mister President“ verpasst. Und in der Tat hat Manchin am Wochenende über dem ehrgeizigen Sozial- und Klimaschutzpaket von Joe Biden den Daumen gesenkt. Und dem Präsidenten so zumindest politisch Weihnachten verdorben. „Ich kann es einfach nicht. Ich habe alles Menschenmögliche versucht“, meinte Manchin beim Sender Fox News mit Blick auf die galoppierende Inflation und Staatsverschuldung. Er habe seit jeher Vorbehalte gehabt und könne nicht für das Vorhaben stimmen.

Überzogene Staatsausgaben stoppen

Das Weiße Haus reagierte sichtlich verärgert, und das obwohl Manchin wichtige Punkte von Bidens Regierungsprogramm mitgetragen hat – die umgerechnet 1,8 Billionen Euro teuren Coronahilfen ebenso wie das von beiden Parteien beschlossene Infrastrukturprogramm. Wenn er aber etwas ablehnt, wird es im Senat gar nicht erst verhandelt. Eine Wahlrechtsreform etwa, für die er republikanische Unterstützer sucht, oder die Abschaffung der sogenannten Filibuster-Taktik, mit deren Hilfe eine Minderheit im Senat eine Abstimmung verhindern kann. Im Sommer forderte er in einem Gastkommentar der „Washington Post“ eine neue Ära der Überparteilichkeit, ganz ähnlich wie Biden, mit dem er nach eigenen Aussagen schon lange befreundet ist.

Manchins Positionen ergeben sich aus seiner Herkunft aus dem konservativen West Virginia, das er von 2005 bis 2010 als Gouverneur regierte. In dem in den Apalachen gelegenen US-Staat ist er der einzige Demokrat mit staatsweitem Amt. Donald Trump landete dort bei den Präsidentschaftswahlen 2020 mit knapp 69 Prozent der Stimmen fast 40 Prozentpunkte vor Joe Biden. Manchin unterstützt den Kohlebergbau und lehnt Abtreibung ab – beides Minderheitspositionen unter den nach links gerückten Demokraten. Aber auch die Steuerreform des früheren Präsidenten Donald Trump lehnte er ab.

Klima-Aktivisten gilt der Maserati-Fahrer als Bösewicht, weil er aus Bidens Reformen wichtige Umweltschutzbestimmungen herausstrich. Doch für Manchinologen, wie das Beobachternetzwerk aus Freunden und Journalisten heißt, geht es ihm vor allem darum, überzogene Staatsausgaben zu verhindern. Doch in den Augen vieler linksliberaler Demokraten hat niemand mehr Joe Bidens Ansehen in dessen ersten Amtsjahr geschadet als der Mann mit der grauen Föhn-Tolle.

Gemäßigte Demokraten dankbar

Andere Beobachter halten es indes für falsch, Manchin zum Prügelknaben für das vorläufige Scheitern der Biden-Reformen zu machen. Der Senator habe nur seine roten Linien gehalten. Die demokratische Führung aber habe etwa nur an den Fristen für teure Sozialleistungen geschraubt, um so die Kosten künstlich zu senken. Auch eine Handvoll weiterer gemäßigter Demokraten sind Manchin für seine Standhaftigkeit mit Blick auf die nächsten Kongresswahlen 2022 dankbar.

Nicht ausgeschlossen, dass das Reformpaket, wenngleich ein viel bescheideneres, doch noch den Senat passiert. Die goldene Regel der Manchin-Berichterstatter wäre einmal mehr bestätigt: Diejenigen, die auf Joe warten, werden oft belohnt. „Alles ist möglich“, sagte er den Reportern vor Wochen, als er aus seinem Büro schlüpfte.