Von der Krankenpflegerin bis zum Klärwerksmitarbeiter: verschiedene Berufsgruppen des öffentlichen Dienstes haben in Waiblingen demonstriert. Foto: Gottfried Stoppel

Mit Warnstreiks in allen Bereichen des öffentlichen Dienst hat die Gewerkschaft Verdi am Dienstag ihren Forderungen in der Tarifauseinandersetzung Nachdruck verliehen. In Waiblingen demonstrierten rund 500 Personen.

Nicht annehmbar, respektlos, indiskutabel: so kommentieren Krankenpflegerinnen, Bauhofmitarbeiter, Erzieherinnen oder Fachkräfte aus Verwaltungen das jüngste Angebot der Arbeitgeber im öffentlichen Dienst in der aktuellen Tarifauseinandersetzung. Am Dienstag sind in Waiblingen deshalb rund 500 Menschen aus mehr als 15 Kommunen des Rems-Murr-Kreises einem Aufruf der Gewerkschaft Verdi gefolgt und haben ihrem Unmut bei einem Demonstrationszug durch die Stadt Luft gemacht.

Gewerkschaft: Angebot nicht annehmbar

10,5 Prozent mehr Lohn fordert die Gewerkschaft, mindestens aber 500 Euro. Das Angebot der Arbeitgeber liegt bei nicht einmal der Hälfte und sieht eine deutlich längere Laufzeit vor. „Das ist bei einer Inflationsrate von acht bis zehn Prozent einfach nicht annehmbar. Und deswegen stehen wir hier“, sagt Ariane Rand von Verdi Region Stuttgart. In einigen Bereichen des in Berufsgruppen vom Totengräber über den Sparkassenangestellten bis hin zum Klärwerksarbeiter breit gefächerten und finanziell unterschiedlich eingruppierten öffentlichen Dienstes bestehe ein besonders großer Bedarf an einer angemesseneren Bezahlung. Rand nennt die Hauswirtschaft, die Bauhöfe oder die Abfallwirtschaft als Beispiele. Im Pflegebereich sei die Situation darüber hinaus aufgrund des enormen Fachkräftemangels geradezu prekär. Auch bei den Kitas schlügen die über Jahre hinweg immer unattraktiver gewordenen Konditionen durch, einige Einrichtungen sähen sich aufgrund des eklatanten Personalmangels gezwungen, ihre Öffnungszeiten zu reduzieren.

Leidtragende seien nicht nur Eltern, die nicht mehr Beruf und Kinderbetreuung miteinander vereinbaren könnten, sondern auch diejenigen, die das Manko über Arbeitsverdichtung ausgleichen müssten. Besonders prekär ist diese Konstellation im Bereich von Pflege und Medizin. „Bitte sterben Sie langsam, wir haben keine Zeit“, drückt das beim Streik auf einem Plakat eine Gruppe Gesundheits- und Krankenpflegerinnen aus, die an diesem Tag normalerweise auf der Covid-Station am Rems-Murr-Klinikum in Winnenden gearbeitet hätten. Stattdessen machen sie nun, zum Teil mit grünen Schutzhäubchen und Kitteln bekleidet, auf die ihre Situation aufmerksam. Natürlich gehe es um eine bessere finanzielle Anerkennung der eigenen Arbeit, sagt die 32-jährige Josi, aber auch um die aus dem Pflegenotstand resultierenden Arbeitsbedingungen. „Wir sind zu wenige Kräfte für zu viele Patienten.“ Sie hätten „keine Zeit, uns ausreichend zu kümmern, insbesondere die palliative Begleitung ist nicht mehr gewährleistet“, sagt die Kollegin Seliare (26).

Sparkassen-Personalrat warnt vor „Sondertischen“

Nicht überall sind die Konsequenzen so dramatisch wie im Krankenhaus, aber alle Streikenden eint, dass ihr Beruf nicht nur Berufung ist, sondern eben auch der Sicherung des Lebensunterhalts dient. „Ich bin alleinerziehend und muss meine Kinder und mich auch bei stark steigenden Kosten ernähren können“, sagt etwa eine Mitarbeiterin des städtischen Bauhofs in Fellbach.

„Wir haben in allen Krisen bewiesen, dass man sich auf uns verlassen kann“, sagt Matthias Schindler, Personalratsvorsitzender der Kreissparkasse Waiblingen, doch das sei jetzt offenbar vergessen. Deshalb sei es wichtig, über alle Berufsgruppen hinweg zusammenzustehen, gemeinsam für eine angemessene Lohnsteigerung zu kämpfen und sich nicht an „Sondertischen“ separieren zu lassen, ergänzt Schindler.

Die Verdi-Gewerkschaftssekretärin Petra Sardowski ist überzeugt, dass das gelingt. Der erste größere Streik in dieser Angelegenheit im Rems-Murr-Kreis werde nicht der einzige bleiben. „Es wird eine große Streikwelle durch das Land gehen. Und beim nächsten Mal bringt jeder noch einen Kollegen mit“, sagt Sardowski.

Gelegenheit dazu gibt es bereits an diesem Mittwoch bei einem landesweiten Jugendstreiktag der Azubis im öffentlichen Dienst. Für den Freitag ist die Einbeziehung des kommunalen Nahverkehrs im Gespräch. Auf jeden Fall aber soll, weil ein großer Teil der Beschäftigten im öffentlichen Dienst weiblich ist, am 8. März zum Weltfrauentag wieder umfassend gestreikt werden.

Die Vorstellungen liegen weit auseinander

Forderungen
Die Gewerkschaft Verdi fordert in den Verhandlungen für die rund 2,5 Millionen Beschäftigten im öffentlichen Dienst von Bund und Kommunen 10,5 Prozent mehr Gehalt, mindestens aber 500 Euro mehr im Monat bei einer Laufzeit von einem Jahr.

Verhandlungen
Die Arbeitgeber haben ein erstes Angebot gemacht: fünf Prozent mehr Geld in zwei Schritten sowie eine Einmalzahlung. Die Verträge sollten für 27 Monate geschlossen werden. Die Arbeitgeber hatten in den Verhandlungen betont, dass die Inflation wieder rückläufig sei, damit also vorübergehend, und die Belastung deshalb gut mit der einmaligen Zahlung einer Inflationsprämie ausgeglichen werden könne. Martin Gross, Verdi-Landesbezirksleiter dazu: „Kein Angebot wäre besser gewesen als diese Kampfansage.“