Harmonie und Biss: Roger Glover und Ian Gillan mit dem neuen Gitarristen Simon McBride (von links) in der Schleyerhalle Foto: Lichtgut/Julian Rettig

Die Rockband Deep Purple präsentiert sich bei ihrem Konzert in der Hanns-Martin-Schleyer-Halle am Freitagabend in Stuttgart bissig. Jefferson Starship spielen einige Klassiker im Vorprogramm.

Deep Purple sind Überzeugungstäter, Deep Purple kehren immer wieder zurück. In Stuttgart stand die britische Hardrock-Legende über Jahre hin nahezu regelmäßig auf der Bühne. Dann kam Corona. Nun haben Deep Purple wieder in der Hanns-Martin-Schleyer-Halle gespielt – und etwas ist anders. Steve Morse, der 28 Jahre lang für sie Gitarre spielte, ist ausgestiegen. Seinen Platz nimmt Simon McBride ein.

McBride wurde 1979 in Belfast geboren. Ian Gillan, Roger Glover, Ian Paice und selbst Don Airey, seit nun zwanzig Jahren an den Keyboards, sind längst weit über siebzig. Dass sie noch Biss und Spielfreude besitzen, haben Deep Purple immer wieder bewiesen.

Nun ist junges Blut hinzugekommen: Simon McBride ist nicht nur ein brillanter Gitarrist – er führt die Band auch zurück zum härteren Sound früherer Tage. Seine viel älteren Bandgenossen interagieren perfekt mit ihm, geben ihm Raum, sind spürbar stolz, ihn vorzustellen. Und 7100 Fans in Stuttgart sind zuerst gespannt – und schließlich begeistert.

Bühne gehört am Freitag auch anderen Altstars

Zuvor aber gehört die Bühne der Schleyerhalle am Freitag anderen Altstars. Als Deep Purple sich 1968 gründeten, waren Jefferson Airplane längst berühmt. Sie kamen aus San Francisco, spielten psychedelischen Rock, wandelten sich in den 1970er Jahren zu Jefferson Starship. 1985 dann stürmten sie als Starship die Hitparaden, Lichtjahre entfernt von ihren Anfängen.

Bis heute tourt eine Band unter dem Namen Starship featuring Mickey Thomas – und steht am Freitagabend in Stuttgart nicht auf der Bühne. Dort spielen Jefferson Starship, die bereits 1992 von Paul Kantner, Gitarrist schon bei Airplane, wiederbegründet wurden. Und auch das ist ein Ereignis.

David Freiberg, vormals bei Quicksilver Messenger Service, war von Anfang an mit dabei und führt die Band seit Paul Kantners Tod 2016 weiter, mit Donny Baldwin, Chris Smith, Jude Gold und Cathy Richardson. Songs wie „Sara“ und „We built this City“ fehlen nicht auf ihrer Setlist; Jefferson Starship spielen sie auf ihre eigene Weise. Die Airplane-Klassiker „White Rabbit“ und „Somebody to love“ jedoch glänzen heller. David Freiberg, 84 Jahre alt, ist gut bei Stimme, Cathy Richardson ist kühl und wild wie einst Grace Slick.

Viele Klassiker im neuen Gitarrensound

Die Kalifornier gehen, die Briten kommen, ein Auszug aus Gustav Holsts Orchestersuite „The Planets“ kündigt sie an. Kriegsgott Mars erfüllt den Saal mit seinem Donner, dann hört man Schlagzeug, schleifenden Orgelton, schnellen Rhythmus, die Gitarre: „Highway Star“ ist der Einstieg auch in dieses Konzert.

Es wird rund hundert Minuten dauern, viele der klassischen Deep Purple-Songs im neuen Gitarrensound bringen. Ein Studioalbum mit Simon McBride gibt es bislang nicht – am Freitag spielt die Band die Stücke „Nothing at all“ und „No need to shout“ von „Woosh!“ (2020), dem letzten Album mit Steve Morse, auch „Uncommon Man“ von „Now what?!“ (2013).

Songs vom Cover-Album „Turning to Crime“ gibt es nicht. Dafür aber: einen Trip in die Vergangenheit, lautstark, schnell, gefährlich. Deep Purple spielen, als wäre die Zeit stehen geblieben – irgendwann, vor fünfzig Jahren.

Ian Gillan allerdings singt „Child in Time” schon lange nicht mehr, mit gutem Grund. Bei „Lazy“ kokettiert er noch mit seinem bescheideneren Stimmumfang – nach und nach aber geht er über seine Grenzen hinaus, in der Musik auf. Don Airey erkundet als Nachfolger von Jon Lord wiederum das ganze Spektrum progressiver Rockmusik – und beginnt, in Stuttgart, inmitten eines Reigens aus klassischem Rock, plötzlich seltsame Lieder zu spielen. Nicht nur „Auf der schwäbischen Eisenbahn“ kommt da als gut gelauntes Instrumental angeflogen, auch die Melodie der deutschen Nationalhymne, Joseph Haydns Kaiserquartett. Britischer Humor?

Simon McBride rückt immer wieder in den Vordergrund

Roger Glover wird mit seinem wuchtigen Bass bei „Space Truckin‘“ hervortreten, in der Zugabe dann, zwischen „Hush“ und „Black Night“. Immer wieder aber rückt Simon McBride in den Vordergrund, und immer wieder wird dabei klar, was sich da, im hohen Alter, bei dieser Band noch getan hat.

Steve Morse trat bei Deep Purple auf als begnadeter Saitenkünstler, der mit fein ziseliertem Spiel den Klang in Sphären lenkte, in die viele Fans der Band oft gar nicht wollten. Simon McBride bringt Deep Purple mit jedem Schlag zurück auf die Erde.

Perfect Strangers“, „Smoke on the Water“ – sie alle klingen kraftvoller, die Gitarre gräbt viel tiefer, schreit heller. Und Steve McBride spielt nicht nur wuchtig, er spielt auch schnell – seine Finger rasen über das Griffbrett, seine Soli blitzen durch die Songs. Deep Purple werden wiederkehren, das darf sicher sein: Schließlich haben sie sich gerade eben erst verjüngt.

Bandgeschichte

Deep Purple
Deep Purple entstanden 1968 in London und veröffentlichten mehr als 30 Alben. Ritchie Blackmore, Jon Lord (1941–2012) und Ian Paice gehörten zu ihren Gründungsmitgliedern, Ian Gillan und Roger Glover stießen 1969 hinzu. 1976 löste die Band sich auf, 1984 kam sie wieder zusammen, feierte mit dem Album „Perfect Strangers“ einen ihrer größten Erfolge. Ritchie Blackmore verließ Deep Purple 1993, Steve Morse kam 1994 hinzu; 2002 trat Don Airey an Jon Lords Stelle. Im Frühjahr kündigte Morse seinen Rückzug aus privaten Gründen an; seit September 2022 ist Simon McBride offizielles Bandmitglied.

Jefferson Starship
Jefferson Starship wurden 1974 von Paul Kantner, Grace Slick und David Freiberg gegründet, waren hervorgegangen aus Jefferson Airplane, Hauptvertretern der Rockszene im San Francisco der späten 1960er Jahre.