Bemerkenswerte Recherche: Jan Böhmermann zeigt auf, wie der für Cybersicherheit zuständige Behördenchef und sein Freund mit dem russischen Geheimdienst FSB verbandelt sind. Foto: dpa/Christophe Gateau

Der Satiriker Jan Böhmermann führt vor Augen, wie ungenügend Deutschland sich selbst, seine Bürger und seine Wirtschaft vor den Gefahren in der der Cyberwelt schützt. Bundesinnenministerin und die Ressortchefs in den Ländern müssen sofort handeln, kommentiert Franz Feyder.

Jan Böhmermann war es nicht alleine, natürlich nicht. Aber: In kleine Häppchen sezierte der Satiriker vor zwei Freitagen zur nachtschlafenden Zeit in seinem „ZDF Magazin Royale“ die Vernetzungen zwischen dem Präsidenten des Bundesamtes für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI), Arne Schönbohm, und russischen Geheimdiensten. Er tat, was Journalisten tun sollten: recherchieren, beschreiben, bewerten, veröffentlichen. Dass ein Entertainer damit viele deutsche Investigativjournalisten wieder einmal vorführte, sein Verdienst auch deshalb totgeschwiegen wird – geschenkt: Neid, die ehrlichste Form der Anerkennung.

Jetzt aber untersagte Bundesinnenministerin Nancy Faeser in der Folge von Böhmermanns Berichterstattung Behördenchef Schönbohm, weiterhin Deutschland vor Angriffen in der Cyberwelt schützen zu wollen. Dem Amt nach alles zu tun, damit Gesellschaft, Staat und Wirtschaft sich sicher in der digitalen Welt bewegen können. Stück für Stück legte Böhmermann offen, wie Schönbohm und dessen Adlatus Hans-Wilhelm Dünn erst den privaten Verein Cyber-Sicherheitsrat Deutschland gründeten. Dessen Ziel: Experten in Unternehmen und Staat sollen sich miteinander vernetzen, um ihre Erfahrungen mit Hackerangriffen auszutauschen, Gegenstrategien zu entwickeln.

Wie nach dem Angriff auf eine Tochter des Energieversorgers EnBW durch eine Hackergruppe des russischen Inlandsgeheimdienstes FSB im August. Böhmermann nahm Schönbohms und Dünns Verbindungen zu einer russischen Firma unter die Lupe: Tochterunternehmen eines Konzerns, der für ebenjenen FSB arbeitet, der EnBW attackierte. Solche russischen Firmen arbeiten in vielen Fällen nicht nur für die Geheimen, sie gehören ihnen auch.

Schönbohm, Sohn eines ehemaligen Bundeswehrgenerals und CDU-Politikers, distanzierte sich nie von seinem ominösen Verein oder seinem Gehilfen Dünn: Obwohl der 2019 verkündete, er wolle mit einem früheren KGB-Generaloberst und Abhörspezialisten künftig daran arbeiten, Informationstechnologie friedlich zu nutzen. Während eines Treffens, das deutschen Geheimdienste als „nachrichtendienstlich“ einstuften. Und auch sonst hielt Schönbohm Kontakt zum Verein Cyber-Sicherheitsrat: Zu dessen zehntem Geburtstag lobhudelte er als BSI-Präsident – also als Vertreter des Innenministeriums – seinen einstigen Laden. Vor dem warnten inzwischen auch die Sicherheitsbehörden.

Böhmermann hat mit seinen Recherchen all dies, vor allem aber eines aufgezeigt: Deutschland ist gegen Cyberangriffe – allemal im Vergleich zu Ländern wie den USA oder Israel – ungenügend geschützt. Das macht sich schon an der Zahl der Cyberkrieger fest: je mehrere Zehntausend dort, ein paar Tausend hier. Auch an den Stellenbeschreibungen: vor allem Informatiker dort, hier Juristen, Germanisten, Politikwissenschaftler mit Basiswissen Textverarbeitung – wie in Baden-Württembergs umstrittener Cybersicherheitsagentur, in der nur etwa ein Drittel des Personals IT-Spezialisten sind. Branchenübliche Lohnmodelle in den USA und Israel, verglichen dazu karge Beamtengehälter hier.

Klar ist: So lässt sich der Kampf gegen die Hackerlegionen Chinas, des Iran, Russlands und Nordkoreas kaum gewinnen. Insofern sollte nicht nur die Bundesinnenministerin den Satiriker Böhmermann ernst nehmen. Alle Landesinnenminister, in der Regel für die digitale Sicherheit verantwortlich, müssen sofort handeln. Es gilt, junge Informatiker an den Universitäten zu rekrutieren. Gehaltsmodelle zu entwickeln, die den Staat zur Alternative zu Microsoft und Google, zur Wirtschaft machen. Es gilt, sich schnell auch auf einen drohenden Kalten Krieg in der digitalen Welt zu rüsten.

Sicher ist: Russland, China, Nordkorea werden künftig noch stärker in der Cyberwelt die gesamte Infrastruktur Deutschlands, vor allem aber die kritische angreifen. Attacken, die das Leben jedes einzelnen Menschen im Land, auf der Welt bedrohen.