Militärs patroullieren auf diesem Archivbild in Giunea-Bissau. Foto: AFP/SEYLLOU

Acht Mal haben in Westafrika Militärs versucht, zivile Regierungen zu stürzen. Zuletzt erfolglos am Dienstag in Guinea-Bissau. Warum ist die Region so instabil?

Guinea-Bissau - Die Einschläge kommen in immer kürzeren Abständen – erst waren es Jahre, dann Monate, inzwischen sind es Wochen. Nachdem vergangene Woche das Militär im Sahelstaat Burkina Faso die Macht an sich gerissen hatte, versuchte die Armee im westafrikanischen Küstenstaat Guinea-Bissau am Dienstag dasselbe. Alles weist darauf hin, dass der dortige Präsident Umaro Sissoco Embaló recht hat, wenn er meldet, dass der Putsch gescheitert ist.

Trotzdem sind sowohl die Nachbarn des 1,5 Millionen Einwohner zählenden Kleinstaats sowie das Ausland höchst alarmiert. Acht Umsturzversuche in den vergangenen eineinhalb Jahren allein in Westafrika: Die Nerven der dortigen Regierungen liegen blank, die ohnehin fragile politische Stabilität wird immer brüchiger auf diesem Teil des Kontinents.

Die Ereignisse in Giuna-Bissau

Was ist aktuell geschehen? Guinea-Bissaus Putschversuch begann am Dienstagmittag in der Hauptstadt Bissau. Vor dem Büro des Präsidenten, in dem gerade eine Kabinettssitzung stattfindet, ziehen Soldaten in Uniform und in Zivil auf und umzingeln das Gebäude. Um sich schießend versuchen die Putschisten, in das Amt einzudringen. „Das war kein bloßer Umsturz, sondern ein Mordanschlag“, wird Präsident Embaló später sagen: „Sie wollten mich, den Premierminister und die Minister umbringen.“ Der Präsidentengarde gelingt es jedoch, die Angreifer abzuwehren: Es kommt zu einem fünfstündigen Feuergefecht. Viele Soldaten seien getötet worden, sagt Embaló später: Bisher wurden mindestens sechs Tote gezählt.

Nach den Beweggründen der Putschisten muss der 49-jährige Präsident nicht lange suchen. Es handele sich um „Rauschgiftschmuggler“ und „korrupte Agenten“, meint Embaló in seiner TV-Ansprache am Abend: Sie hätten sich an seinen Maßnahmen gegen Korruption und Rauschgifthandel gestoßen und seien „bestens organisiert“ gewesen. Der Verdacht des Staatschefs ist nicht weit hergeholt: Seit zwanzig Jahren gilt Guinea-Bissau als afrikanischer „Narko-Staat“, eine Zwischenstation, in der vor allem Kokain aus Lateinamerika umgeschlagen und nach Europa weiterbefördert wird.

Das Land ist ein Drogenumschlagplatz

Nach Angaben der US-Drogenbehörde Drug Enforcement Agency (DEA) ist das dortige Militär bis in die höchsten Ränge in den lukrativen und einträglichen Schmuggel verwickelt: Auf den ehemaligen Streitkräftechef Antonia Indjai beispielsweise hat die US-Regierung ein Kopfgeld von fünf Millionen Dollar ausgesetzt.

Nun ist der Aufstand gescheitert. Der Blick in die Geschichte zeigt aber, dass die zivilen Regierungen immer wieder herausgefordert werden: Putschversuche sind in dem 1974 von Portugal unabhängig gewordenen Staat nichts Außergewöhnliches. Manche zählen neun, andere sogar zwölf Versuche, vier waren erfolgreich.

Der letzte Coup ereignete sich vor zehn Jahren. Der zweite Wahlgang der Präsidentschaftswahlen wurde damals durch einen Militärputsch verhindert, so dass die Wahlen nicht zu einer demokratischen Entscheidung über die Präsidentschaft führen konnten. Die Militärjunta versprach Wahlen in zwei Jahren. Danach sorgte eine „Friedensmission“ der UN zunächst für Ruhe.

Bis zu 14 Putschversuche seit der Unabhängigkeit 1974

Als erster gewählter Präsident des Landes konnte José Mário Vaz im Dezember 2019 eine gesamte Amtszeit zu Ende führen. Danach kam Embaló mit umstrittenen Wahlen an die Macht – und muss sich nun neuen Herausforderungen stellen.

Dass Afrikas Urnengänge oft das Papier nicht wert sind, auf dem ihr Ergebnis festgehalten wird, ist nach Auffassung von Fachleuten einer der Gründe, warum Umstürze auf dem Kontinent wieder en vogue werden. Seit den 1950er Jahren gab es in Afrika 214 Putschversuche, mit 107 war die Hälfte erfolgreich. Seit Langem galt Westafrika als der „Putschgürtel“ des Erdteils: Nach dem Ende des Kalten Kriegs und der folgenden Demokratisierungswelle beruhigte sich selbst dieser. Doch mit den Coups in Burkina Faso, in Mali, in Guinea, im Tschad und Sudan scheint die putschfreie Zeit nun wieder zu Ende zu gehen.

Zweifelhafte Wahlen, islamische Extremisten

Auch wenn jeder Umsturz seine eigenen Hintergründe hat, sind zweifellos gewisse Trends – wie die mangelnde Glaubwürdigkeit der Wahlen – auszumachen. Sowohl der Afrikanischen Union wie den regionalen Staatenbünden wird vorgeworfen, zweifelhaften Abstimmungen ihren Segen zu erteilen: Auf diese Weise werde die Legitimation der Regierenden unterwandert, heißt es. Außerdem kümmerten sich viele Regierungen eher um das eigene und das Wohl ihrer Klientel als um das der gesamten Bevölkerung: ein Vorwurf, der in der von islamistischen Extremisten bedrohten Sahelzone erhoben wird. Dort sorgen auch die Angst ziviler Regierungen vor einem zu starken Militär und dessen absichtliche Vernachlässigung für Konfliktstoff: Die Soldaten sehen sich für ihre Aufgaben zu schlecht gerüstet.

Fachleute fürchten, dass die derzeitige Putsch-Pandemie noch lange nicht zu Ende ist. Als Nächstes könnte der Niger an der Reihe sein, wo vor einem Jahr bereits ein Umsturzversuch stattfand. Und selbst der Riese Nigeria, in dem nächstes Jahr Wahlen stattfinden, wird als Coup-Kandidat gehandelt. Das käme einer „Tragödie von epischem Ausmaß“ gleich, orakelt der nigerianische Journalist Cheta Nwanze.