Bislang testen die Heime nach Bedarf, Herrenberg würde aber verpflichtende Tests fürs Personal begrüßen. Foto: dpa/Federico Gambarini

Tübingen gibt bei der Corona-Bekämpfung ein gutes Bild ab. Im Kreis Böblingen stehen Senioren aber auch im Fokus. Im Vergleich schneidet die Studentenstadt nicht unbedingt besser ab. Bei den kostenlosen Schnelltests geht die Bevölkerung allerdings leer aus.

Böblingen - Die Stadt Tübingen gilt als Erfolgsmodell: Lange gab es in keinem der neun Pflegeheime einen Corona-Fall, erst diese Woche meldeten drei Einrichtungen fast 40 Ansteckungen. Das Corona-Testmobil, das seit September Schnelltests für Bewohner, Mitarbeiter und Besucher vornahm, soll Schlimmeres verhindert haben. Der Gemeinderat hatte dafür 250 000 Euro genehmigt. Was noch zum Tübinger Modell zählt: die Stadt verschickte FFP2-Masken an über 65-Jährige, verbilligte Taxifahrten für Senioren, damit sie nicht Bus fahren, organisierte kostenlose Schnelltests für die Bevölkerung und rief dazu auf, vormittags im Supermarkt den älteren Kunden das Feld zu überlassen.

Gemeinsame Strategie im Kreis

Im Kreis Böblingen ist das Landratsamt für den Infektionsschutz zuständig. So lauten die rechtlichen Vorgaben, wenn der Inzidenzwert bei mehr als 50 Infektionen pro 100 000 Einwohnern liegt. Eigene Testaktionen bieten die Städte daher nicht an. Kommunen und Kreis hätten koordiniert durch das Gesundheitsamt gehandelt, erklärt Herrenberg: „Die Infektionszahlen geben keinen Anlass dazu, von dieser Linie abzuweichen.“ Das Landratsamt hatte im Frühjahr als einer der ersten Kreise alle 42 Pflegeheime sowie die Behinderteneinrichtungen durchgetestet, obwohl nicht klar war, ob der Bund dafür bezahlt. Diese Aktion wurde nicht wiederholt, weil in den Heimen nun nach der Teststrategie des Landes verfahren wird: Getestet wird bei Verdacht oder im Infektionsfall. „Zudem wäre die ständige Wiederholung von Tests des gesamten Personals und der Bewohner aus medizinischer Sicht wenig sinnvoll und organisatorisch nicht leistbar“, teilt die Behörde mit. Herrenberg begrüßt jedoch die Ankündigung von Bund und Ländern, verpflichtende Tests für das Pflegepersonal anzuordnen.

Pflegeheime testen nach Bedarf

Die Pflegeheime setzen die Schnelltests bei Bedarf ein, bestätigen zwei Böblinger Einrichtungen. Im Wohn- und Pflegezentrum Flugfeld ist bisher kein Bewohner an Covid 19 erkrankt. „Unter den Mitarbeitern gab es den ein oder anderen Quarantäne-Fall“, berichtet der Sozialdienstleiter Sven Fischer. In der Tagespflege würden regelmäßig Schnelltests gemacht, ansonsten nur bei Symptomen. Ähnlich geht ein weiteres Böblinger Pflegeheim vor, in dem es 18 Infektionen gab. Regelmäßige tägliche oder wöchentliche Tests seien nicht zu stemmen, sagt dessen Pflegedienstleiterin, die anonym bleiben will. Der Aufwand sei zu groß. In ihrer Einrichtung wären es 150 bis 200 Tests täglich. „Und wer will sich ständig das Stäbchen in den Rachen stecken?“, fragt sie. Zumal das Ergebnis nur eine Momentaufnahme sei.

Zu wenig Schnelltests für den Kreis

Kostenlose Schnelltests für die Bevölkerung wird es im Kreis Böblingen wohl nicht geben. Der Kreisverband des Deutschen Roten Kreuzes hatte für die Aktion des Landessozialministeriums zwar ein Konzept ausgearbeitet. An elf Standorten sollten am 23. und am 24. Dezember Schnellteststationen aufgebaut werden. Mit 4000 Tests rechnete das DRK. Doch die Aktion wurde abgeblasen. „Es ist bedauerlich, wir hätten es gerne gemacht“, sagt der DRK-Sprecher Wolfgang Heubach. Für ganz Baden-Württemberg stünden nur 45 000 Tests zur Verfügung – viel zu wenig für 44 Kreise, erklärt er. Außerdem stellt der Lockdown die ehrenamtlichen Helfer vor ein Problem: Sie wollten ihre Aktion abends anbieten, ein Corona-Test ist nach 20 Uhr aber kein triftiger Grund, das Haus zu verlassen. Und schließlich wären das Gesundheitsamt und die regulären Corona-Testzentren an den Feiertagen nicht besetzt. Ein positives Ergebnis im Schnelltest hätte also nicht an die entsprechenden Stellen weitergereicht werden können. „Dann macht es keinen Sinn“, findet Wolfgang Heubach.

Hilfsinitiativen der Städte

Sindelfingen und Böblingen berichten, dass sie in Kontakt zu den Pflegeheimen stehen und bei Bedarf unterstützen. Sindelfingen stellte im Frühjahr etwa Schutzkleidung zur Verfügung. Beide Städte bieten „psychische Entlastung“ für die Bewohner an – Böblingen über die Musik- und Kunstschule, Sindelfingen hatte eine Malaktion mit Kindern im Programm. Hilfsangebote für Senioren gibt es in vielen Kommunen. „Gemeinsam für Böblingen“, „Sindelfingen hält zusammen“ oder „Herrenberg hilft“ heißen die Initiativen. „Das Infektionsgeschehen in der Stadt Böblingen ist bislang glücklicherweise übersichtlich“, teilt die Verwaltung mit. Seit Beginn der Pandemie haben sich in den Pflegeheimen 48 Menschen infiziert – nicht viel mehr als in Tübingen. Bei 88 Böblingern, die 75 Jahre und älter sind, kam es zu einer Infektion. In Sindelfingen waren es in dieser Altersgruppe 124 Fälle.