„Gelingt der Ampel der Start in die Coronakrise?“, das diskutierte Anne Will am Sonntagabend mit ihren Gästen. Foto: obs/ARD Das Erste

Die Coronapandemie eskaliert, zugleich bekommt Deutschland eine neue Regierung: „Gelingt der Ampel der Start in der Coronakrise?“, das wollte Anne Will von ihren Gästen wissen. Ob sie Antworten bekommen hat, erfahren Sie in unserer TV-Kritik.

Stuttgart - Man hat Regierungen schon entspannter ein Land übernehmen sehen. „Gelingt der Ampel der Start in der Coronakrise?“, wollte Anne Will in ihrem ARD-Talk am Sonntagabend von ihren Gästen Manuela Schwesig (SPD), Ministerpräsidentin von Mecklenburg-Vorpommern, der Außenministerin in spe und Grünen-Chefin Annalena Baerbock, dem künftigen Herrn der Finanzen und FDP-Vorsitzenden Christian Linder, dem Noch-Gesundheitsminister Jens Spahn und der „Spiegel“-Redakteurin Melanie Amann wissen.

Womöglich trägt es nicht gerade zur Entspannung bei, wenn in einer angespannten Lage die immer gleichen Leute in den immer gleichen Runden die immer gleichen Fragen beantworten – es wurde ganz schön gegiftet.

Kritik am Tempo der Regierung in der Krise

Melanie Amann jedenfalls war ordentlich auf Krawall gebürstet. Ein gelungener Start? Nein, kein bisschen. Am Krisenmanagement kann sie nicht viel Gutes finden, nicht an dem der alten, nicht an dem der künftigen Regierung. Die Novellierung des Infektionsschutzgesetzes? „Ein fatales Signal an die Bürger“, dass die Notlage vorbei sei. Der neue Krisenstab? „An Mahnungen von Experten hat es nie gemangelt.“

Stattdessen sei man nie vorbereitet gewesen auf die nächsten Schritte der Krise und habe zu langsam gehandelt, „wenn wir in der Scheiße saßen“. Und die neue Regierung mache genau das Gleiche: „Man guckt sich alles an.“ Künftige Minister wie der FDP-Generalsekretär Volker Wissing, die ernsthaft sagen, man habe die vierte Welle vor zwei, drei Monaten gar nicht kommen sehen können? „Das macht mir Sorgen“, giftete die Leiterin des „Spiegel“-Hauptstadtbüros.

Lindner platzt schier vor Staatsmännigkeit

Das war nun nicht gerade das, was Lindner hören wollte. Schließlich platzt der Liberale, der bald zum Finanzminister ernannt werden soll, als künftiger Koalitionär bereist seit Wochen vor Staatsmännigkeit. Da will man auch ein bisschen gelobt werden. Die Novellierung des Infektionsschutzgesetzes und die Abschaffung des epidemischen Notstandes verteidigte er. Die Länder hätten alle rechtlichen Möglichkeiten zur Eindämmung der Pandemie auch weiter in der Hand, sie müssten sie nur ergreifen. „Alles was gefordert wird, wäre rechtlich möglich“.

Jetzt werde eben wieder „parlamentarisiert“ statt verordnet, die Entscheidungshoheit liege wieder bei den Abgeordneten und nicht mehr in den Verwaltungen. Dass die nationale Akademie der Wissenschaften Leopoldina am Wochenende ebenso umfassende Kontaktbeschränkungen gefordert hat wie zuvor der Chef des Robert-Koch-Instituts Lothar Wieler, will Lindner nicht als Ruf nach einem Lockdown verstanden wissen: Die Coronakrise? „Ein Managementproblem“. Die Maßnahmen zur Lösung? „Alle Maßnahmen werden in Betracht gezogen und eingesetzt, wenn sie sinnvoll sind.“

Mecklenburg-Vorpommern schickt Ungeimpfte in den Lockdown

„Soll ich Sie Ihnen jetzt kurz nennen oder wollen Sie wieder zehn Tage warten?“, ätzte Spiegel-Redakteurin Amann. „Diese Polemik ist nicht zielführend“, maulte Lindner. Und auch Manuela Schwesig fand es echt „schwierig, wie heute alles durcheinander gewürfelt ist“. Dabei muss man es doch nur machen wie sie selber . Mecklenburg-Vorpommern „setzt einen Lockdown für Ungeimpfte um“, um einen vollständigen Lockdown zu vermeiden.

„Bei uns gilt 2G plus überall“, die Regelung sei so weitgehend wie in keinem anderen Land, sagte Schwesig. Ab nächster Woche gelten in Mecklenburg-Vorpommern zudem Kontaktbeschränkungen für Ungeimpfte: Sie sollen sich nur noch zu fünft mit Personen aus zwei Haushalten treffen dürfen, und man überlege, das sogar noch stärker zu begrenzen.

Baerbock: „Die Logistik funktioniert nicht“

Nun sitzen in Sachsen, wo die Inzidenzen bundesweit am höchsten sind, die Menschen unverdrossen in Restaurants. Und mit dem Impfen geht es auch nicht so recht vorwärts. Wenn am Dienstag das Bundesverfassungsgericht darüber geurteilt hat, ob die Bundesnotbremse rechtens war, „dann ist klar, was möglich ist“ mit Blick auf einen neuerlichen Lockdown, sagte Annalena Baerbock.

Angesichts der massiven Impfdurchbrüche und der neuen Virusmutation „brauchen wir 2G plus und Kontaktbeschränkungen für Ungeimpfte“ im öffentlichen Raum und privat. Außerdem müsse die Kinderimpfung vorbereitet und schon jetzt geboostert und geimpft werden, was das Zeug hält. „Die Logistik funktioniert nicht, die Leute stehen stundenlang an.“

Jens Spahn sieht nur wenige Fehler bei sich selbst

Jens Spahn, immerhin schon noch verantwortlich für das Ganze, hat im Rückblick nicht so viel falsch gemacht, findet er. Gut, „wir hätten im August schon 2G machen müssen“, da hätte er „mehr insistieren müssen“, schließlich war Wahlkampf, da wollten das nicht alle.

Da hat er selbst allerdings auch noch einen Lockdown für Geimpfte im Herbst kategorisch ausgeschlossen, jetzt klingt das anders. Und okay, beim Boostern hätte er nicht nur freundlich darauf hinweisen müssen, dass es die Möglichkeit gibt: „Ich hätte deutlicher sagen müssen, dass das jetzt auch passieren muss.“

Die Frage ist nur: Schaffen wir das?

Ein Logistikproblem beim Impfen gebe es jedenfalls nicht, erklärte er unverdrossen. Der Bund habe drei Millionen Biontech-Impfdosen und sechs Millionen Moderna-Impfdosen pro Woche zur Verfügung. Vorige Woche seien 3,6 Millionen Impfungen in Deutschland verabreicht worden.

In den kommenden vier Wochen stehe genug Vakzin für 36 Millionen Impfdosen zur Verfügung. „Die Frage ist nur: Schaffen wir das?“ In der Tat: Seit die Impfzentren abgebaut und die Hausärzte den Impfwilligen ausgeliefert wurden, ist das die Frage.