Väter der Reformation: Johannes Calvin, Johannes Hus und Martin Luther. Foto: d/a

Lutherisch, reformiert, uniert, freikirchlich, evangelikal, pfingstlerisch: Die evangelischen Kirchen sind so vielfältig wie zahlreich. Ein Überblick.

Was mit Martin Luther und seinem Thesenanschlag an der Schlosskirche zu Wittenberg am 31. Oktober 1517 begann, hatte einen fundamentalen Wandel der abendländischen Kirche zur Folge. Die kirchliche Einheit zerbrach und es entstanden im Laufe der folgenden Jahrhunderte unzählige evangelische Bekenntnisse.

Wir geben Ihnen hier einen in Text und Karte einen Überblick über die christlich-protestantische Kirchenlandschaft.

Reformierte

Die reformierten Kirchen sind eine der großen christlichen Konfessionen in reformatorischer Tradition. Ihren Ursprung haben sie im 16. Jahrhundert, als Ulrich Zwingli in Zürich und Johannes Calvin in Genf die eidgenössische Kirche erneuerten.

Die reformierten Kirchen sind in der Weltgemeinschaft Reformierter Kirchen zusammengeschlossen. Im Mittelpunkt ihrer Theologie steht die Bibel und die Verkündigung des Wortes Gottes. Demgegenüber tritt der liturgische Kult und das Abendmahl – anders bei Katholiken und Lutheranern – deutlich in den Hintergrund. Gottesdienste und Gotteshäuser der Reformierten sind betont schlicht.

Zentral ist vor allem im Calvinismus die starke Betonung der Prädestinationslehre. Das bedeutet: Gott hat Menschen zum Heil oder zur Verdammnis vorherbestimmt, ohne dass sie dies beeinflussen können.

Lutheraner

Den evangelisch-lutherischen Kirchen gehören rund 74 Millionen Gläubige weltweit an. Sie gründen sich auf die Bibel, die altkirchlichen Dogmen aus den ersten Jahrhunderten des Christentums und die Bekenntnisschriften der evangelisch-lutherischen Kirche. Diese wurden im Zuge der Wittenberger Reformation von Martin Luther und anderen lutherischen Theologen wie Philipp Melanchton verfasst.

Lutheraner zu sein war früher in der katholischen Kirche ein Synonym für protestantische Ketzer. Erst später wurde daraus eine Selbstbezeichnung der Luther-Anhänger, um sich von Katholiken und Evangelisch-Reformierten abzugrenzen.

Dachverband der lutherischen Landeskirchen in Deutschland ist die Vereinigte Evangelisch-Lutherische Kirche Deutschlands.

Pietisten

Nach der Reformation (16. Jahrhundert) ist der ab dem 17. Jahrhundert zunächst in Deutschland sich entfaltende Pietismus die wichtigste Reformbewegung im Protestantismus.

Die persönliche Frömmigkeit steht im Mittelpunkt, die kirchliche Struktur tritt deutlich an Bedeutung zurück. Das Spektrum reicht vom klassischen Pietismus der Barockzeit über den Spätpietismus des 18. und den Erweckungsbewegungen des 19. bis zur evangelikalen Bewegung im 20. Jahrhundert.

Der Pietismus versteht sich als Bibel-, Laien- und Heiligungsbewegung. Er betont die subjektiv-individuelle Seite des Glaubens und setzt starke missionarische und sozialen Akzente. Hauskreise mit gemeinsamem Bibelstudium und Gebet spielen bei Pietisten eine entscheidende Rolle für die Spiritualität.

Quäker

Quäker (englisch: „ Quaker“/Zitterer) war früher ein Spottname für Mitglieder der „Religious Society of Friends“ – Religiöse Gesellschaft der Freunde, wie der formelle Name der Quäker lautet.

Mitte des 16. Jahrhunderts gründete der Schumacherlehrling George Fox die Gemeinschaft, die weder Bekenntnisschriften und Dogmen noch Pfarrer und Zeremonien kennt.

Mittelpunkt des geistlichen Lebens ist die Stille Andacht, die Sonntags gefeiert wird. Schweigend sitzen die Quäker im Kreis und warten gemeinsam auf göttliche Offenbarungen.

Da jeder Mensch Würde und einzigartigen Wert hat, lehnen Quäker jede Form von Rassismus und Diskriminierung ab. Weltweit gibt es rund 380 000 Quäker, davon 270 bis 300 in Deutschland.

Adventisten

Der baptistische Prediger William Miller berechnete den Zeitpunkt der Apokalypse für das Jahr 1843. Zunächst fand er zahlreiche Anhänger. Als allerdings die Wiederkunft Christi auch in folgenden beiden Jahre ausblieb, zerfiel seine Bewegung in verschiedene Gruppierungen.

Aus dieser Millerbewegung entstanden unter Führung der Prediger-Gattin und „Botin“ Ellen White ab Mitte es 19. Jahrhunderts die Sieben-Tage-Adventisten. Mit weltweit 17 Millionen Mitgliedern sind sie die größte adventistische Religionsgemeinschaft (Deutschland rund 35 000).

Die baldige Wiederkunft Christi ist Kern ihrer Glaubenslehre, wobei auf Angabe eines konkreten Datums für das Jüngste Gericht,wie es einst Miller tat, verzichtet wird.

Evangelikale

Der Evangelikalismus geht auf den deutschen Pietismus, englischen Methodismus und die Erweckungsbewegung des 18. Jahrhunderts zurück. Sie alle betonen besonders die Bekehrung des Einzelnen und die christliche Lebenspraxis. Grundlage des evangelikalen Christentums ist die persönliche Beziehung zu Jesus Christus, der eine Willensentscheidung und individuelle Bekehrungserlebnisse vorausgehen müssen.

Die Berufung auf die Bibel als wichtigste, wortwörtlich zu verstehende Glaubensautorität ist maßgebliches Kriterium. Evangelikale können reformiert, lutherisch, baptistisch, methodistisch oder anglikanisch sein oder sich nicht-konfessionellen Gruppierungen zugehörig fühlen.

Mit mehr als 320 Millionen Anhängern gehören die evangelikalen Kirchen zu den am stärksten wachsende christlichen Konfessionen. In Deutschland vertritt ihr Dachverband, die Deutsche Evangelische Allianz, rund 1,3 Millionen Christen.

Pfingstbewegung

Die Pfingstler sind die am stärksten wachsende christliche Bekenntnisgemeinschaft, die außer- wie innerhalb der traditionellen evangelischen Kirchen und Freikirchen eine enorme Wirksamkeit entfaltet.

Für die Pfingstbewegung, die dem Evangelikalismus nahesteht und theologisch wie ethisch weitgehend konservative Positionen wie die Ablehnung der Homosexualität und außer- und vorehelichen Geschlechtsverkehrs vertritt, ist das Wirken des Heiligen Geistes von entscheidender Bedeutung. Die moderne Pfingstbewegung entstand im 20. Jahrhundert, wobei sie auf Traditionen aus den frühen Erweckungsbewegungen zurückgreift.

Auch die sich seit Anfang der 1960er Jahre entfaltende charismatische Bewegung entstammt dem pfingstlerischen Kontext. Weltweit umfasst die Pfingstbewegung – je nach Zählung – zwischen 200 und 600 Millionen Gläubige (Deutschland: rund 300 000).

Evangelisch-Unierte

Die evangelisch-unierte Kirche ist eine Vereinigung verschiedener protestantischen Kirchen. Aus dem Bestreben heraus, Lutheraner und Reformierte zu vereinen sowie innerprotestantische Spaltungen und Lehrunterschiede zu überwinden, entstand zu Beginn des 19. Jahrhunderts der Unionismus.

Zwischen lutherisch und reformiert geprägten Gemeinde wurden Unionen geschlossen, die entweder verwaltungstechnisch oder hinsichtlich ihres Glaubensbekenntnisses (Bekenntnisunionen) zusammengehörten. Seitdem gibt es in Deutschland drei Typen von Landeskirchen innerhalb der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), die sich zu Bündnissen zusammengeschlossen haben: Vereinigte Evangelisch-Lutherische Kirche Deutschlands (VELKD), Union Evangelischer Kirchen (UEK), Reformierter Bund.

Methodisten

Der englische Erweckungsprediger John Wesley begründete im 18. Jahrhundert die methodistische Bewegung. Methodisten legen das Hauptaugenmerk auf die persönliche Gesinnung. Sie unterscheiden sich von anderen protestantischen Kirchen weniger in der Lehre als vielmehr in der strengeren, „methodischeren“ Lebensführung laut den Geboten der Bibel.

Mit rund 70 Millionen Gläubigen, davon mehr als 60 000 in Deutschland, zählen die im Weltrat methodistischer Kirchen (World Methodist Council, WMC) organisierten Gemeinden zu den großen protestantischen Kirchenbünden. Die Heilsarmee, eine 1865 in London gegründete Freikirche mit ausgeprägter sozialer Tätigkeit, entstammt ebenfalls der methodistischen Tradition.

Brüderbewegung

Die Brüderbewegung entstand im 19. Jahrhundert aus freikirchlichen Gemeinden, die grundsätzlich selbstständig, aber in Lehre und Praxis eng miteinander verbunden waren. Weltweit gehören ihr heute rund eine Million Gläubige an (Deutschland: circa 40 000).

Keimzellen waren kleine christliche Gruppen im irischen Dublin, die in den 1820er-Jahren in Erwartung der Wiederkunft Jesus zum Bibelstudium und Abendmahl zusammenkamen. Sie betonten die Verbundenheit aller Christen und lehnten die konfessionelle Zersplitterung ab.

Doch auch diese frommen Gruppierungen überwarfen sich bald und trennten sich in die Gemeinden der „offenen“ und „geschlossenen“ Brüder. Seitdem hat sich die organisatorische Zersplitterung weiter verstärkt. Viele Brüdergemeinden hierzulande pflegen enge Kontakte zu evangelikalen Freikirchen.

Presbyterianer

Der Begriff Presbyterianer kommt vom griechischen „presbyteros“ – der Ältere. Die presbyterianischen Kirchen sind der größte Zweig der reformierten Kirchen. Ihren Ursprung haben sie in der Theologie der schottischen Reformatoren John Knox und Andrew Melville (16. Jahrhundert).

Reformierte Kirchen mit schottischen Wurzeln werden presbyterianisch statt reformiert wie auf dem europäischen Kontinent üblich genannt. Sie betonen die alleinige Autorität der Bibel und die Rechtfertigungslehre in der calvinischen Tradition. Glaubensgrundlage presbyterianischer Kirchen ist das Bekenntnis von Westminster von 1646.

Mennoniten

Die Mennoniten sind eine evangelische Freikirche, die auf die Täuferbewegungen der Reformationszeit im 16. Jahrhundert zurückgeht. Der Name leitet sich von dem aus Friesland stammenden evangelischen Theologen Menno Simons (1496-1561) ab.

Die Täuferbewegung verbreitete sich ab 1525 von Zürich aus in Mitteleuropa. Zentren waren Amsterdam, Esslingen und Heilbronn sowie Münster (Wiedertäuferbewegung). Verfolgungen führten vor allem im 18. Jahrhundert zur Auswanderung vieler Gläubiger nach Osteuropa und Nordamerika. Heute die Mennoniten weltweit verbreitet. In Deutschland leben rund 40 000 Mennoniten in 200 Gemeinden.

Info: Christliche Konfessionen

Protestanten
Wer Katholik ist, gehört zur römisch- katholischen Kirche. Als Protestant hat man es da schon schwerer. Die Zahl der evangelischen Konfessionen – also Glaubensgemeinschaften, im Englischen verwendet man den Begriff Denomination – ist kaum überschaubar.

ÖRK
In dem 1948 gegründeten Ökumenische Rat der Kirchen (ÖRK) in Genf sind 348 Mitgliedskirchen vertreten, die insgesamt mehr als eine halbe Milliarde Christen zählen: orthodoxe Kirchen, anglikanische, baptistische, lutherische, methodistische und reformierte Kirchen sowie viele unabhängige Kirchen.

Mission
Doch es gibt sehr viel mehr Kirchen, die aus der Reformation Martin Luthers hervorgegangen sind. Aufschluss über ihre Zahl gibt der „Status of Global Mission“, eine Statistik, die jedes Jahr vom „International Bulletin of Missionary Research“ veröffentlicht wird. Diese Zeitschrift wird von der christlich-missionarischen Organisation „Overseas Ministeries Study Center“ (OMSC) des Theological Seminary der University of Princeton in New Haven (US-Bundesstaat Connecticut) herausgegeben.

Statistik
Demnach gehören von den knapp 7,4 Milliarden Menschen, die auf der Erde leben, knapp 2,6 Milliarden einer christlichen Gemeinschaft an: Katholiken: 1,23 Milliarden / Protestanten und Anglikaner: 559 Millionen / Orthodoxe: 284 Millionen / Evangelikale: 342 Millionen / Pfingstler und Charismatische: 670 Millionen / Christliche Konfessionen insgesamt: rund 47 000.