Janine Wissler (l-r), Parteivorsitzende von Die Linke, Dietmar Bartsch, Bundestagsfraktionsvorsitzender von Die Linke, und Susanne Hennig-Wellsow, Parteivorsitzende von Die Linke Foto: dpa/Jan Woitas

Für die Linke wird der Wahlabend zum Desaster. Die Partei bangt um den Wiedereinzug und muss rot-rot-grüne Träume beerdigen.

Berlin - Der Schock über den Absturz sitzt tief an diesem Abend bei der Linken. So tief, dass die traditionell streitselige Partei gar nicht die Worte findet, um schon Rechnungen zu präsentieren. Viel ist von Solidarität die Rede, von Zusammenstehen und von einer gründlichen Aufarbeitung der Wahlergebnisse.

Fehler sei in den letzten Jahren gemacht worden

Gut, das sagt man halt so, wenn das Damoklesschwert der Totalkatastrophe noch über allen Häuptern schwebt. Aber die Zwischentöne sind schon interessant. Jörg Schindler, der Bundesgeschäftsführer, gibt den Ton vor. „Unser Wahlkampf war super“, sagt er. „Daran hat es nicht gelegen.“ Was ja im Klartext heißt, dass es nicht an ihm als oberstem Wahlkampfmanager gelegen hat. Das ist ein Leitmotiv an diesem Abend. Auch die Vorsitzende Susanne Hennig-Wellsow greift es auf. Klar sei das ein „schwerer Schlag“, sagt sie. Aber die Fehler, die zu dieser Misere geführt haben, „die wurden nicht in den letzten Monaten, sondern in den letzten Jahren gemacht“. Auch diese Bemerkung muss man zu lesen wissen. Hennig-Wellsow ist erst seit Ende Februar Bundesvorsitzende. Eigentlich sagt sie also: „Ich bin nicht schuld.“

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Eine gewisse Rückendeckung für die Vorsitzende und ihre Kollegin an der Spitze der Linken, Janine Wissler, kommt auch vom Berliner Spitzenkandidaten Klaus Lederer. Er glaubt, dass der Wechsel an der Parteispitze zu spät gekommen sei. Die beiden Frauen an der Parteispitze hätten „einfach zu wenig Zeit gehabt, Profil zu gewinnen und sich bekannt zu machen“. Lederer hat mit der Berliner Linken deren Position in etwa halten können. Das gibt ihm und den Berlinern innerparteilich nun zusätzliches Gewicht.

Abrechnung mit Wagenknecht-Partei vermieden

Die Berliner sind in der Partei der Hort der Realisten. Ans Regieren und an die Notwendigkeit, Kompromisse zu schließen, gewöhnt, haben sie versucht, einen Kurs zu verhindern, der die Partei in die Isolation führt. Das kann noch bedeutsam werden, wenn Hennig-Wellsow dann mal durchbuchstabiert, welche Fehler denn „in den letzten Jahren“ gemacht worden sind. Dann womöglich wird doch noch stattfinden, was die Partei bislang vermieden hat: die Abrechnung mit dem Wagenknecht-Lager der Partei. In einem Interview am Abend sagte Sahra Wagenknecht, dass ein Fehler der Partei gewesen sei, in der Corona-Politik nicht mit einer Stimme gesprochen zu haben.

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Die andere Front könnte bald in der Fraktion aufgemacht werden. Dort hatten die Bundeswehrkritiker durchgesetzt, dass die Partei dem Evakuierungseinsatz für die Ortskräfte in Kabul nicht zugestimmt hatte. Das hat massiv geschadet. Dietmar Bartsch will „das soziale Gewissen“ des Bundestags werden. Dazu muss die lange Wahlnacht aber noch eine gute Nachricht bringen.