Hier noch harmonisch: Christian Lindner, Olaf Scholz und Robert Habeck (v. li.) bei der Kabinettsklausur in Meseberg. Foto: dpa/Julian Weber

Finanzminister Christian Lindner hat die Vorstellung der Eckwerte des Haushalts verschoben – auf unbestimmte Zeit. Dass über den Haushalt gestritten wird, ist normal. Doch diesmal geht es um einen hart ausgefochtenen Grundkonflikt.

Christian Lindner hat eine Botschaft, die wie die eines Lehrers klingt, der – wegen schlechter Leistungen – eine Klassenarbeit wiederholen lässt. „Wir werden im Kabinett noch einmal gemeinsam über finanzielle Realitäten sprechen müssen“, so der Finanzminister.

Die Ampelkoalition aus SPD, Grünen und FDP kann ihre eigene Zeitplanung für den Haushalt des Jahres 2024 nicht einhalten. Der Finanzminister und FDP-Chef hat die Reißleine gezogen – und die für kommenden Mittwoch geplante öffentliche Vorstellung der Eckwerte des Etats verschoben. Ohne einen neuen Termin zu nennen.

Das Übliche – in extremer Form

Was ist passiert? Eigentlich erst einmal das Übliche, wenn auch diesmal anscheinend in besonders drastischer Form. Wann immer es um die Aufstellung des Haushalts geht, werden Ministerinnen und Minister sich bei ihren Wünschen nicht von Anfang an in Bescheidenheit üben. Es gehört zu ihrer Jobbeschreibung, dass sie austesten, was der Finanzminister ihnen zu geben bereit ist. Und sie werden in ihren eigenen Häusern, in der eigenen Partei und oft auch in der Öffentlichkeit daran gemessen, ob sie sich erfolgreich für ihr Thema stark machen.

Doch diesmal meldeten die Minister – nach allem, was man weiß – 70 Milliarden Euro mehr an, als vorgesehen waren. Und offensichtlich ist es dem Finanzminister in der vorgesehenen Zeit nicht gelungen, die Wünsche ausreichend herunterzudimmen. Deshalb gibt es jetzt Lindners Wunsch, im Kabinett noch einmal grundsätzlich zu sprechen – und dann erst weiter zu verhandeln.

Die Gelassenheit des Kanzlers

Dass es schwierig werden könnte, hatte sich abgezeichnet. Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) will zehn Milliarden Euro pro Jahr für seinen Etat mehr. Auch Lindner sympathisiert mit höheren Verteidigungsausgaben, hat aber nicht unbegrenzt Geld zur Verfügung. Gleichzeitig gibt es bei vielen in der SPD und bei den Grünen die Sorge, dass es am Ende nicht genug Geld für die sozialen Projekte im Koalitionsvertrag geben könnte. Dabei geht es perspektivisch auch um die Kindergrundsicherung. Sie soll zwar erst im Jahr 2025 kommen, aber Familienministerin Lisa Paus (Grüne) kämpft bereits jetzt um Geld in der Finanzplanung.

Bundeskanzler Olaf Scholz gibt sich demonstrativ gelassen. Auch in seiner Zeit als Finanzminister sei es schon mal zu Verzögerungen gekommen. Das habe nie große Aufregung ausgelöst, so Scholz, „jetzt auch nicht, also jedenfalls bei mir nicht“. Vize-Kanzler und Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) betonte ebenfalls, die Sache sei „kein großes Drama“. Es gebe „ein objektives Problem im Haushalt“, das man gemeinsam lösen wolle.

Das klingt jedenfalls deutlich freundlicher als in einem Briefwechsel, in dem Habeck und Lindner sich vor wenigen Wochen einen Schlagabtausch lieferten. Habeck schrieb darin zwar, die Grünen würden die Regeln zur Einhaltung der Schuldenbremse anerkennen. Er schlug Lindner aber auch vor, über die Verbesserung von Einnahmen zu beraten – sprich: Steuererhöhungen. Der FDP-Chef wiederum konterte, ebenfalls schriftlich in einem Brief voller ironischer Töne, er freue sich, dass die von den Grünen geführten Ministerien das Grundgesetz, also die Schuldenbremse, nicht in Frage stellten.

Der Grundkonflikt

Hinter dem Haushaltsstreit liegt eben auch ein Grundkonflikt. Lindner hat – als er die FDP in die Ampelkoalition führte – zwei Pflöcke eingeschlagen: die Rückkehr zur Schuldenbremse und ein Nein zu Steuererhöhungen. SPD und Grüne hätten das ohne FDP so nie vereinbart. Und spätestens mit dem Krieg in der Ukraine und der damit verbundenen Energiekrise finden sie es vollkommen unangemessen. Lindner wiederum warnt vor höheren Zinskosten für Schulden als in der Vergangenheit. Die Zeiten, in denen man jeden Konflikt mit Geld zuschütten konnte, sind aus seiner Sicht definitiv vorbei.

Für Kanzler Scholz dürfte in dieser Frage auch eine Sache maßgeblich sein: Ohne die FDP hat er keine Mehrheit für die Ampelkoalition. Und der Regierungschef weiß, was die finanzpolitischen Bedingungen waren, auf denen die FDP bestanden hat.