Sylvia Pilarsky-Grosch sagt, der Windkraftausbau muss viermal schneller werden als bisher. Foto: BUND/Frank Mueller

Der Ausbau erneuerbarer Energien ist nur ein Schritt: Die BUND-Landesvorsitzende Sylvia Pilarsky-Grosch fordert ein energisches Umsteuern, um aus fatalen Abhängigkeiten herauszukommen.

Windkraft und Naturschutz – passt das zusammen? Sylvia Pilarsky-Grosch, seit einem Jahr Landesvorsitzende des BUND in Baden-Württemberg, hat dazu eine klare Meinung.

Frau Pilarsky-Grosch, teilen Sie die Überraschung vieler Menschen, die jetzt erkennen, wie groß die Abhängigkeit der Energieversorgung in Deutschland von Russland ist?

Wirklich überrascht kann niemand gewesen sein. Denn in der Diskussion um den Bau von Nord Stream 2 wurde die Abhängigkeit der Energieversorgung von Russland bereits thematisiert. Aber auch die Alternativen, um das russische Gas zu ersetzen, sind keine guten Lösungen. Norwegen kann seine Gaslieferungen nicht kurzfristig steigern, das Fracking-Gas aus den USA wird unter massiver Umweltverschmutzung produziert, und Gas aus Katar würde aus einem Land mit schlimmen Menschenrechtsverstößen kommen. Nur eine ambitionierte Energiewende hilft uns aus der fatalen Abhängigkeit. Die Energiewende ist ein Friedens- und Freiheitsprojekt.

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Wie stehen Sie zu den Forderungen, jetzt möglichst zeitnah und schnell den Ausbau der Windenergie-Produktion in Deutschland auszubauen?

Der BUND fordert schon seit vielen Jahren den schnelleren Ausbau der Windenergien – auch in Baden-Württemberg. Ohne diesen raschen Ausbau sind die Klimaschutzziele in Baden-Württemberg nicht zu erreichen. Innerhalb der nächsten 20 Jahre muss der Ausbau viermal schneller erfolgen als in den letzten zehn Jahren.

Aus Naturschutzgründen steht der BUND dem Bau vieler Windräder aber durchaus kritisch gegenüber. Überspitzt formuliert: Lässt sich in Zeiten des Ukraine-Krieges guten Gewissens der Ausbau der Windenergie mit dem Argument ausbremsen, der Rotmilan müsse geschützt werden?

Das stimmt nicht. Der BUND Baden-Württemberg steht dem Ausbau der Windenergie nicht kritisch gegenüber. Wir begleiten die Genehmigungsverfahren neuer Anlagen aufmerksam und konstruktiv. Der Ukraine-Krieg und die Energie-Abhängigkeit von Russland dürfen aber nicht gegen den dramatischen Artenverlust ausgespielt werden. Die Biodiversitätskrise bedroht den Menschen gleichermaßen wie die Klimakrise. Wir müssen vielmehr umsteuern und unseren Lebensstil verändern. Angesichts der Klima- und Biodiversitätskrise, des Ukraine-Krieges und der Energie-Abhängigkeit ist es höchste Zeit, unsere Wohlfühlzone zu verlassen und ernsthaft die erneuerbaren Energien auszubauen und gleichzeitig Energie konsequent einzusparen.