Boris Palmer (hier bei einer Veranstaltung im Rathaus) hat sich in Frankfurt am Main eine verbale Auseinandersetzung geliefert. Foto: IMAGO/ULMER Pressebildagentur/IMAGO/Ulmer

„Nazis raus“-Rufe gegen Boris Palmer: In einem Disput um seine Verwendung des „N-Wortes“ sorgt der Tübinger Oberbürgermeister vor einer Uni für laute Diskussionen.

Eine verbale Auseinandersetzung von Tübingens Oberbürgermeister Boris Palmer mit einer Gruppe vor einer Migrationskonferenz in Frankfurt am Main sorgt für Aufsehen. Palmer hatte am Freitag vor einem Gebäude der Goethe-Universität zu Art und Weise seiner Verwendung des „N-Wortes“ Stellung bezogen. Er wurde daraufhin mit „Nazis raus“-Rufen konfrontiert.

Daraufhin sagte Palmer zu der Menge: „Das ist nichts anderes als der Judenstern. Und zwar, weil ich ein Wort benutzt habe, an dem Ihr alles andere festmacht. Wenn man ein falsches Wort sagt, ist man für Euch ein Nazi. Denkt mal drüber nach.“ Mehrere Medien berichteten über den Vorfall.

Videos der Veranstaltung, die im Netz kursieren, zeigen außerdem, wie der Moderator infolge von Palmers Einlassungen die Moderation niederlegte. „Es tut mir sehr leid“, sagte er, „aber ich möchte mit ihnen, Herr Palmer, auch nichts mehr zu tun haben.“ Danach legte er das Mikrofon weg.

Palmer bestätigt Äußerungen

Palmer bestätigte auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur, dass die Äußerungen so gefallen sind. „Ich habe die Methode der Protestierer, mir den Stempel als Nazi und Rassist aufzudrücken, niederzuschreien und auszugrenzen, als Vergleich herangezogen“, erklärte Palmer den Kontext aus seiner Sicht. Er habe den Protestierern erklärt, dass Nazis die Gräber seiner Vorfahren mit Hakenkreuzen beschmiert hätten und ihnen entgegnet, dass „ihre Methode der Ächtungen und Ausgrenzung sich nicht vom Judenstern unterscheidet“. Mehr wollte der 50-Jährige dazu am Samstag nicht sagen.

In einem Facebook-Post erläuterte Palmer, er sage das N-Wort, weil er Sprachvorschriften nicht akzeptiere. „Das hoch umstrittene Wort“ gehöre jedoch nicht zu seinem aktiven Wortschatz. „Ich benutze es nur, wenn darüber diskutiert wird, ob man schon ein Rassist ist, wenn man es verwendet. Darüber entscheidet für mich der Kontext.“

Enrico Schleiff, Präsident der Universität, forderte eine Entschuldigung des bekannten Politikers. „Jede explizite oder implizite den Holocaust relativierende Aussage ist vollkommen unakzeptabel und wird an und von der Goethe-Universität nicht toleriert – dies gilt gleichermaßen für die Verwendung rassistischer Begriffe.“ Weiter teilte Schleiff am Samstag in einer Stellungnahme mit: „Palmers Rechtfertigungsversuche der Verwendung des von ihm gewählten Wortes während der Tagung verurteile ich aufs Schärfste und akzeptiere dies weder persönlich noch als Präsident.“

Diskussion um Facebook-Beitrag 2021

Palmer hatte im Mai 2021 in einem Facebook-Beitrag über den früheren Fußball-Nationalspieler Dennis Aogo, der einen nigerianischen Vater hat, das sogenannte N-Wort benutzt. Mit diesem Begriff wird heute eine früher in Deutschland gebräuchliche rassistische Bezeichnung für Schwarze umschrieben. Palmers Äußerung hatte massive Kritik auch bei seinen damaligen grünen Parteikollegen ausgelöst.

Ein Parteiausschlussverfahren endete vor einem Jahr mit dem Kompromiss, dass Palmer seine Mitgliedschaft bei den Grünen bis Ende dieses Jahres ruhen lässt. Im Oktober 2022 war er in Tübingen dann als unabhängiger Kandidat angetreten und war im ersten Wahlgang mit absoluter Mehrheit - unter anderem gegen die Kandidatin der Grünen - für eine dritte Amtszeit wiedergewählt worden.

Seit 2007 Oberbürgermeister

Palmer ist seit 2007 Oberbürgermeister in der schwäbischen Universitätsstadt. Mit pointierten Äußerungen etwa zur Flüchtlingspolitik sorgte er immer wieder für Kontroversen und sah sich Rassismusvorwürfen ausgesetzt.

Bundesweites Aufsehen und Anerkennung brachte aber auch sein Management während der Corona-Pandemie. Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) hatte kurz nach der Wiederwahl Palmers auf eine schnellere Wiederaufnahme Palmers bei den Grünen gedrungen.