Das weiße Saxofon war der Hingucker bei der Böblinger Jazztime. Foto: Bernd Epple

Die Jazztime-Combo um den Pianisten Tilman Jäger begeistert in Böblingen zu Beginn der Herbst/Winter-Konzerte mit einem feinen Joe Zawinul-Programm.

Der Württemberg-Saal der Böblinger Kongresshalle wirkte am Freitagabend zwar ganz gut gefüllt, aber es waren gerade mal um die hundert Besucher gekommen, um einen Abend lang Jazz zu genießen. Wie bei anderen Kultur-Events im Großraum Stuttgart, rennt man derzeit den „Kleinveranstaltern“ nicht die Bude ein. Viele scheinen wegen Corona zuhause zu bleiben oder sparen aufgrund der enorm gestiegenen Energie- und Lebenshaltungskosten.

Mit Miles Davis und Ella Fitzgerald musiziert

Dennoch war der Veranstalter Ralf Püpcke ganz zufrieden mit dem Publikumszuspruch. Angesichts seiner launigen Anmoderation – „Es gibt keine Maskenpflicht, wer will, darf aber gerne!“ – fühlten sich die Gäste frei, ihrem jeweiligen Wohlbefinden zu folgen. Und darum geht es schließlich auch beim Jazz, in dem sich an diesem Abend jeder genussvoll baden durfte. Tilman Jäger, der Pianist, Arrangeur und künstlerischer Leiter der Veranstaltungsreihe hatte wieder einmal mehr das richtige Händchen für die Zusammenstellung der Titel wie auch die Auswahl der Musiker bewiesen.

Der in Österreich geborene Pianist Joe Zawinul brach 1959 in die USA auf, um am Berklee-College Jazz zu studieren. Bereits am zweiten Tag nach seiner Ankunft in New York begleitete er die Jazz-Ikone Ella Fitzgerald. Es dauerte nicht lange bis er beim Cannonball Adderley Quintett in die Tasten griff und später maßgeblich am Erfolg der Jazzrock-Formation Weather Report beteiligt war. Selbst Miles Davis kam nicht an ihm vorbei – was klar macht, welchen Stand Zawinul im Weltjazz genießt.

Musikalische Ehrerbietung für Joe Zawinul

In diesem Jahr wäre Zawinul 90 Jahre alt geworden. Für Jazztime-Macher Jäger Grund genug, ihm eine musikalische Ehrerbietung zu erweisen. In der Besetzung des Abends verließ er sich auf seinen alten Wegbegleiter Martin Simon am Bass, sowie seinen ehemaligen Schüler Chris Mehler an der Trompete. Beide stammen aus der Kaderschmiede des Albert-Einstein-Gymnasiums und haben inzwischen zumindest nationalen Bekanntheitsgrad erreicht. Jägers Beziehungen in der Musikhochschule München, wo er eine Professur innehat, war die Mitwirkung des Schlagzeugers Valentin Renner und des Saxofonisten Florian Trübsbach zu verdanken. Letzterer ist in München mittlerweile auch Professor für Jazz-Saxofon. Was dieser am Freitagabend aus seinem weißen Grafton-Altsaxophon herausholte, war denn auch erste Sahne! Dass sein faszinierender Ton mit einem Instrument aus Plastik erzeugt wurde, wie er nach dem Konzert verriet, sorgt beim Laien für Verwunderung. Der Kenner weiß, dass bereits Charly Parker in den 50er-Jahren auf solch einem Instrument zu Weltruhm gelangte.

Die fünf Musiker sprühten vor Spielfreude

Auch Trübsbachs Instrument wurde in dieser Zeit gebaut und von dem 46 Jahre alten Virtuosen so frisch intoniert, dass keine Wünsche offenblieben. Dabei spielte es keine Rolle, ob lyrisch weich wie bei der zweiten Zugabe „Somewhere“ oder bei rasend schnellen Licks durch die Skalen bei „This Here“ oder „Walk Tail“. Selbst sein kongenialer Partner Chris Mehler an der Trompete konnte manchmal nicht anders, als Trübsbachs kreative Ausflüge mit einem glückseligen Lächeln zu quittieren.

Die fünf Herren hatten Spaß und sprühten vor Spielfreude. Das blieb nicht unbemerkt und schon beim dritten Stück des Abends klatschte das Publikum „jazzgerecht“ auf der Zwei und auf der Vier mit. Bemerkenswert auch, dass sich die Rhythmusgruppe ganz in den Dienst der beiden Bläser stellte, die wunderbar miteinander harmonierten und sich die ein oder andere Steilvorlage für brillante Soli zuspielten.

Natürlich durften am Ende Zawinuls Welthits „Birdland“ und „Mercy, Mercy, Mercy“ nicht fehlen. Sichtlich glückliche Besucher verließen nach der zweiten Zugabe den jazzigen „Wohlfühltempel“ in Richtung einer regnerischen Herbstnacht.