Lange nicht mehr gesehen: Besucherscharen bei der Vernissage im Alten Amtsgericht. Foto: Eibner/Drofitsch

Mitgliederausstellung im Alten Amtsgericht: Böblinger Kunstverein zeigt Werke von Klaus Behringer, Rotraut Heyder und Jürgen Zeller.

Böblingen - Eine Eruption aus Rosa, Blau, Gelb und verschiedenen Brauntönen, ein regelrechter Farbenrausch – so erlebt Rotraud Heyder den Blick über Valensole in der Provence. Und genau so übersetzt die Malerin diese Eindrücke von ihrem Sommerwohnsitz in Südfrankreich in ihrer Bildsprache.

Heyder pflegt in ihrer impressionistischen Herangehensweise einen hohen Abstraktionsgrad. Inmitten des ungestümen Zusammenspiels der Farben finden sich allerdings immer wieder auch textliche Ausschnitte aus Zeitungen und Magazinen. Diese typografischen Elemente geben den Bildern eine Struktur. „Sie lenken“, wie Heyder es formuliert, „den Zufall in Bahnen“.

Oktober-Trio

Das buchstäblich kunstvolle Zusammenspiel zwischen Zufall und eigenem Zutun ist eine Art verbindende Klammer bei dieser Mitgliederausstellung des Böblinger Kunstvereins im Alten Amtsgericht, denn auch bei Jürgen Zeller und Klaus Behringer spielen Ordnung und gewollter Kontrollverlust eine wichtige Rolle. Unter dem Motto „Oktober-Trio“ zeigen die drei seit Sonntag und noch bis zum 24. Oktober ihre Arbeiten im Kabinett und in der Schleuse 16. Es ist die sechste von acht Ausstellungen, in denen der Kunstverein anlässlich seines 60-jährigen Bestehens Arbeiten langjähriger und besonders aktiver Mitglieder präsentiert.

Diese Kriterien erfüllen alle drei Kunstschaffenden. Genau wie Rotraud Heyder engagieren sich auch Jürgen Zeller und Klaus Behringer seit Jahrzehnten im Kunstverein. Noch etwas sie gemeinsam: Alle drei haben Kunst unterrichtet: Heyder am Böblinger Albert-Einstein-Gymnasium, Behringer am Böblinger Max-Planck-Gymnasium und Zeller – bevor es ihn später nach Stuttgart zog – am Sindelfinger Pfarrwiesengymnasium.

Vom Action-Painting zur Druckgrafik

Jürgen Zeller (Jahrgang 1939) hat für die Ausstellung eine spannende Auswahl getroffen. Im Kabinett im ersten Obergeschoss stellt er einigen seiner frühen Arbeiten aus den 60er-Jahren eine Reihe von erst im letzten Jahr entstandenen Landschaftsradierungen gegenüber. Es liegen Welten zwischen den entfesselten Action-Paintings, die noch stark von seiner Berliner Studienzeit bei Professor Fred Thieler geprägt waren, und der feingliederigen Linienführung und behutsamen Farbgebung, mit der Zeller direkt vor seiner Haustür in Stuttgart-Möhringen die Rapsfelder und die dahinterliegenden Hochhäuser der Fasanenhofsiedlung abbildet.

Anhand einer 1967 in Sindelfingen entstandenen Druckgrafik im Untergeschoss lässt sich die stilistische Entwicklung gut nachvollziehen: „Hier ist die Action im Druck eingefroren. Das hat etwas Kontrolliertes“, beschreibt Zeller das in Grün- und Schwarztönen gehaltene Farbspektakel.

Nächtliche Stimmungen

Mit nächtlichen Stimmungen und urbanen Motiven spielt Klaus Behringer in seinen Arbeiten. Die Motive sind dabei Orte und Situationen aus seiner Erinnerung, die er auf der Leinwand zu einem Ganzen zusammenfügt. So zeigt zum Beispiel ein 2021 entstandene Bild namens „Lockdown“ ein in kalt-blaues Licht getauchtes, menschenleeres Karussell vor einer nächtlichen Skyline. Im Hintergrund zeichnet sich hoffnungsvoll ein schwaches Licht am Horizont ab – vielleicht der berühmte Silberstreif am Horizont.

Behringers bewegte künstlerische und stilistische Entwicklung können Ausstellungsbesucher anhand einiger im Kabinett platzierter Kataloge ablesen. Auch er war in frühen Jahren vom Action-Painting beeinflusst. Das Moment der Unplanbarkeit und Spontaneität hat er sich bis heute bewahrt. „Ein Bild ist wie ein stimmiger Organismus, der sich erst beim Malen zusammenfügt“, beschreibt er seinen Schaffensprozess.

Mehr Infos und ein Video zur Ausstellung gibt es unter www.kunstvereinbb.de im Internet.