Weil ein Fluchtweg am Jubiläums-Wochenende durch die Voliere führte, wurden die beiden Störche eingefangen und kurzfristig umgesiedelt. Künftig soll mehr Rücksicht auf die Volieren-Bewohner genommen werden.
Die Großvoliere im Blühenden Barock ist bei den Besucherinnen und Besuchern beliebt – nicht zuletzt wegen der Störche. Ein frei lebendes Paar hat auf dem Volierendach ein Nest gebaut, ein weiteres Paar, das wegen Beeinträchtigungen nur in der Obhut des Menschen überleben kann, ist innerhalb des umzäunten Bereichs Dauergast mit Vollpension. Einige Tierfreunde machen sich aber auch Sorgen um das Wohlergehen der geflügelten Zweibeiner.
So kommt es an den Kassen immer wieder dann zu Diskussionen, wenn bei Veranstaltungen im oberen Ostgarten und damit in der Nähe der Voliere bis in die Nachtstunden laute Musik ertönt und bunte Scheinwerfer alles beleuchten. Das mache allerdings wenig aus, sagt der Wilhelma-Tierarzt Tobias Knauf-Witzens, der auch für die Vögel in der Blüba-Voliere zuständig ist. „Im Allgemeinen ist das Leben für Zootiere ja eher langweilig“, sagt er. Außerdem seien es die Tiere gewöhnt, dass da Leute durchliefen; sie hätten trotzdem ihre Rückzugsecken.
Die beiden Adebare sind auch im Winter im Freien
Für einige Aufregung hat dagegen gesorgt, dass während der Eröffnungsfeierlichkeiten zum 70-Jahr-Jubiläum des Blühenden Barocks die Voliere auch als Fluchtweg ausgewiesen war – was die Blüba-Direktorin Petra Herrling zunächst einräumte und dabei betonte, solch ein Fluchtweg werde ja nur im Notfall benötigt. Später erklärte sie, der Weg durch die Voliere sei aus verschiedenen Gründen zur Entfluchtung ungeeignet und deshalb „in keiner uns bekannten und auch beauftragten Variante inkludiert“ gewesen. Außerdem seien die Störche ihrer Kenntnis nach zu diesem Zeitpunkt noch in ihrem Winterquartier gewesen.
Doch anders als etwa die kälteempfindlichen Flamingos überwintern die zwei Störche in der Voliere. Das sagt auch Judith Opitz, die als Storchenbeauftragte des Landes auch für diese beiden Tiere zuständig ist. „Wenn die genügend zu fressen haben, ist das für sie überhaupt kein Problem.“ Wenn sich allerdings im Fall der Fälle zahlreiche hektische Menschen durch die Voliere gedrängt hätten, hätten die Tiere in Panik geraten können. Deshalb wurden die beiden Adebare nach Informationen unserer Zeitung sicherheitshalber vor dem Jubiläumswochenende eingefangen und in den Betriebshof gebracht. Knauf-Witzens bestätigt dies und sagt: „Das sieht dort zwar nicht so schön aus, aber da stressen sich die Vögel am wenigsten“, so der Tierarzt. Zudem wüssten die Tierpfleger im Blühenden Barock sehr genau, wie man die Störche einfange, ohne dass den Vögeln dabei etwas passiere – und auch, ohne dass diese mit ihrem langen Schnabel die Menschen verletzen können.
Die Vögel sollen nicht mehr so lang weggesperrt werden
Weil die Fangaktion aber Ende März, also in der Brutzeit, stattfand, vermuteten einige Besucher dadurch eine massive Störung der Tiere. Tatsächlich hat das Weibchen der schwarz-weißen Dauerbewohner der Voliere in diesem Jahr Eier gelegt, die – wie schon einige Jahre zuvor – unbefruchtet waren. Die Störung durchs Einfangen sei aber nicht der Grund dafür gewesen, sagt Knauf-Witzens: „Störche brauchen für den Deckakt zwei funktionierende Flügel, um die Balance zu halten.“ Ein Blüba-Storch habe jedoch einen verkrüppelten Flügel. Deshalb klappe es bei ihnen auch nicht mit dem Nachwuchs.
Trotzdem wird sich in Sachen Voliere bei künftigen Veranstaltungen etwas ändern. Zum einen wird sie, was ohnehin eine Ausnahme war, nicht mehr als Fluchtweg genutzt. Und auch die Leuchtenden Traumpfade führen nicht mehr hindurch. Wegen dieser mussten die kälteempfindlichen unter den Vögeln früher als sonst ins Winterquartier umziehen. „Wir haben gesehen, dass die Tiere sehr lange weggesperrt werden, das finden wir nicht gut“, erklärt der Veterinär. „Sie sollen möglichst lange in der Voliere wohnen können, also so spät wie möglich ins Winterquartier gebracht und so früh wie möglich wieder herausgeholt werden.“ Deshalb habe man interveniert und das Blüba entsprechend beraten. „Dafür sind wir ja da.“
Auch Petra Herrling sagt, ihr sei es lieber, wenn die Tiere abends in Ruhe gelassen würden. „Sie sind wirklich gestresst durch das viele Licht.“ Und weil der Flash-Art-Chef Markus Katterle, der für die Leuchtenden Traumpfade zuständig ist, ohnehin überlegt hatte, durch eine neue Wegeführung auch neue Perspektiven für die Besucher zu bieten, ist die Voliere künftig außen vor. „Es ist angedacht, die Wegerichtung umzudrehen: vom Schüsselessee über einen Teilbereich des Märchengartens runter zum unteren Ostgarten, Nordgarten und über den Gruftweg zum Schloss“, verrät Herrling schon vorab. „Dann gibt es da in Zukunft auch keine Diskussionen mehr“, sagt Katterle.