Nicht nur in der Gastronomie sind Auszubildende Mangelware. In Baden-Württemberg fehlt der Nachwuchs quer durch alle Branchen. Foto: picture alliance / dpa/Stefan Sauer

Ausbildungsberufe gelten in Baden-Württemberg nicht mehr als attraktiv. Ein Bündnis aus Wirtschaft und Berufsschullehrern will gegensteuern und macht einen Vorschlag.

International ist das baden-württembergische Modell der dualen Ausbildung hoch angesehen, zu Hause aber ist es offenbar kein Selbstläufer mehr. Während die Zahl der Ausbildungsplätze im Südwesten 2022 noch einmal um fast 8 Prozent auf 75 200 gestiegen ist, ist die Zahl der Bewerber um 3,1 Prozent auf 47 200 gesunken. Aktuell können 43 Prozent der Betriebe ihre Ausbildungsplätze nicht besetzen. Wegen dieser alarmierenden Entwicklung fordert der Berufsschullehrerverband gemeinsam mit Handwerk und Industrie- und Handelskammer aus der Region Stuttgart einen Runden Tisch, um die berufliche Orientierung zu stärken.

„Wir brauchen eine Bildungswende“

„Baden-Württemberg braucht mehr berufliche Bildung, um seine Zukunft zu sichern“, erklärte Andrea Bosch, Geschäftsführerin für Berufsbildung und Fachkräfte bei der IHK Stuttgart. Allein um die Energie- und Klimawende zu stemmen, würden zusätzliche Fachkräfte benötigt, ergänzt Patrick Wolf von der Handwerkskammer. „Ich bin fest davon überzeugt, dass wir nicht nur eine Klima- und Energiewende, sondern auch eine Bildungswende brauchen“, sagte Thomas Speck, vom Verband der Berufsschullehrer. Diese Wende muss aus seiner Sicht dabei auch eine Kurskorrektur sein: Weg von der nahezu alleinigen Studienorientierung – hin zu einer Berufsorientierung, die gleichwertig neben akademischen Qualifikationswegen stehe.

„Junge Leute mit dem Lasso einfangen“

Vor allem an den Gymnasien gibt es nach Aussagen von Handwerkskammer, IHK und Berufsschullehrerverband bei Angeboten zur beruflichen Orientierung häufig eine Fixierung auf Studierfähigkeit und akademische Bildungswege. Botschafter dualer Ausbildungsberufe dagegen seien nicht in allen Schulen willkommen. Um das zu ändern, sei ein Runder Tisch unter Leitung des Kultusministeriums notwendig. Dabei müssten Lehrer, Schulleiter Schüler, Eltern sowie Handwerk, Industrie und Kammern vertreten sein. Ausdrücklich lobte Thomas Speck eine Initiative der SPD-Landtagsfraktion, die die Gleichwertigkeit von Studium und Ausbildung in der Berufsvorbereitung an Gymnasien im Schulgesetz verankern will.

Alle Nachwuchsprobleme sind so aber nicht zu lösen, wie Andrea Bosch auf Nachfrage einräumte: Der demografische Wandel wirft seine Schatten voraus, weniger Schulabgänger drängen auf den Ausbildungsmarkt. „Bei Veranstaltungen müssen wir die jungen Leute mit dem Lasso einfangen“, sagte Bosch. „Seit zwei Jahren stellen wir fest, dass wir nicht an sie rankommen. Und wer glaubt, dass sie an den Unis herumschwirren, täuscht sich. Dort sind sie auch nicht.“