Rund 60 Mitarbeiter der Bertrandt Fahrerprobung Süd in Nufringen protestieren am Donnerstagnachmittag gegen die geplante Standort-Schließung. Der Betriebsratsvorsitzende fordert direkte Gespräche mit der Konzernführung.
Ein schrilles Trillerpfeifenkonzert, etliche rot leuchtende Seenotfackeln, verschiedene großformatige Plakate und ein Sarg mit Trägern an der Spitze – der rund 60 Personen zählende Protestmarsch, der die Bertrandt-Zentrale in Ehningen zum Ziel hatte, war am Donnerstagnachmittag nicht zu überhören oder zu übersehen.
Die Mitarbeiter der „Bertrandt Fahrerprobung Süd“, einer 100-prozentigen Tochter des Ingenieurdienstleisters mit weltweit über 14 000 Beschäftigten, wollten so ein erstes Zeichen setzen, dass sie für den Erhalt ihres von der Schließung bedrohten Standorts kämpfen werden. 128 Menschen sind dort aktuell in der Erprobung von Fahrzeugen beschäftigt. Die symbolische Einladung an das Management zu einer Konzernsprechstunde nach Nufringen zu kommen, war auch Teil der Aktion. Bertrandt plant konzernweit den Abbau von bis zu 1200 Stellen, 600 allein am Standort Tappenbeck bei Wolfsburg.
Gespräche über Kurzarbeit nur vorgetäuscht?
Deutlich werden soll mit dem gemeinsamen Protest „der Unmut und die Enttäuschung über das Vorgehen der Geschäftsleitung und Konzernführung“, unterstrich Holger Lung, der Betriebsratsvorsitzende der Fahrerprobung Süd, bei der abschließenden Kundgebung, die an der Rückseite des Werksgeländes beim Ehninger Schützenhaus stattfand.
Bis zum 4. September habe es Gespräche über Kurzarbeit gegeben. Diese hätten sich aus seiner Sicht „im Nachhinein als reine Täuschung entpuppt haben“. Bereits am 17. September seien sie vom Vorstand vor die Wahl gestellt worden: „Abspaltung, Verkauf oder Stilllegung“. Die Entscheidung über die Schließung sei dann am 27. September gekommen. Als „unanständig“ bezeichnete Detlef Schwoon, Gewerkschaftssekretär bei der IG Metall Stuttgart, dieses Vorgehen in seinem Statement.
Konzernleitung soll sich der Belegschaft stellen
Holger Lung warf der Konzernführung vor, dass sie die „Menschen nur als Zahlen“ betrachten würde. Zumal der Betriebsrat inzwischen von der Geschäftsleitung neue Auftragsprognosen erhalten habe, „die ein ganz anderes Bild der zukünftigen wirtschaftlichen Situation zeichnen, als es uns bei der Ankündigung der Schließung vermittelt wurde.“ Daher forderte Lung, dass die Geschäftsleitung „die wahren Zahlen und Hintergründe offenlegt und Alternativen ernsthaft geprüft werden“. Die Kolleginnen und Kollegen hätten „ein Recht darauf, ihre Sorgen, Fragen und Perspektiven direkt zu adressieren. Wenn die Konzernleitung so sicher ist, dass ihre Entscheidungen unvermeidbar sind, dann stellen Sie sich der Belegschaft und erklären Sie ihre Beweggründe.“
Am Tag vor der Protestaktion hatten sich der Konzern und der Betriebsrat des Nufringer Standorts vor dem Stuttgarter Arbeitsgericht getroffen. Dort gab es eine Verständigung, eine Einigungsstelle einzurichten, um über den Interessenausgleich zu verhandeln. Unter dem Vorsitz von Lothar Jordan, ehemaliger Vizepräsident des Mannheimer Arbeitsgerichts, soll diese erstmals am 13. Januar 2025 tagen.