Hat beim FC Bayern das Kommando übernommen: Thomas Tuchel Foto: AFP/MICHAELA REHLE

Schon in seinen ersten Amtstagen beim FC Bayern wird die andere Arbeitsweise des neuen Trainers Tuchel deutlich. Auch erste Änderungen in der Spielweise dürften bereits beim Ligagipfel gegen Dortmund sichtbar werden.

Einige Einblicke wurden dem Publikum an den ersten Arbeitstagen von Thomas Tuchel durchaus gewährt. Sie genügten schon für den ersten Eindruck, dass sich die Arbeitsweise des neuen Trainers beim FC Bayern München von der seines freigestellten Vorgängers Julian Nagelsmann unterscheidet. Bestätigen kann das allen voran Leroy Sané.

Sanfter Fußtritt

Die erste gemeinsame Trainingseinheit mit Tuchel hatte noch gar nicht richtig begonnen, da verspürte der Offensivspieler bereits einen sanften Fußtritt in seinen Hintern. Später bat Tuchel ihn noch zum Einzelgespräch. Der Trainer redete intensiv auf den Spieler ein, ehe er eine Hand auf Sanés Schulter legte. Es werde zunächst einmal darum gehen, „ein Gefühl füreinander zu kriegen und sich zu spüren“, hatte Tuchel bei seiner Präsentation am vergangenen Samstag gesagt. Der zuweilen phlegmatisch wirkende Sané bekam besonders schnell zu spüren, dass Tuchel ihn antreiben, fördern, aber eben auch fordern wird.

Wenn der FC Bayern an diesem Samstagabend (18.30 Uhr) Borussia Dortmund zum Bundesliga-Gipfel empfängt, dann erhoffen sie sich beim Tabellenzweiten aus München, dass auch die Ergebnisse von Tuchels Wirken schnell zu erkennen sein werden. „Die Bedeutung ist uns sehr bewusst. Das wird ein heißes Match“, sagte der Coach am Freitag. „Das Spiel wird eine Signalwirkung haben.“

Als Ideal für seinen sofortigen Einfluss dient seine vorherige Trainerstation. Beim FC Chelsea schaffte es Tuchel, die Mannschaft in sehr kurzer Zeit zu stabilisieren und erfolgreich zu machen. Vier Monate nach seinem Dienstantritt Ende Januar 2021 feierten der FC Chelsea und Tuchel den Titelgewinn in der Champions League, durch einen 1:0-Sieg gegen Manchester City und Pep Guardiola, Tuchels langjähriges Vorbild.

Schlüssige Handgriffe

Ein paar schlüssige Handgriffe erhoffen sich die Münchner von ihrem 49 Jahre alten Fußballlehrer nun auch vor und bei seinem Debüt gegen den Tabellenführer aus Dortmund, um mit einem Sieg wieder am BVB vorbeizuziehen. Von diesen Handgriffen könnte es trotz der geringen gemeinsamen Zeit durchaus einige geben, auch in taktischer Hinsicht. Es sei nicht angesagt, große Wechsel in der Systematik und den Abläufen zu vollziehen, befand Tuchel zwar. Er sagte: „Ich glaube, weniger ist mehr.“ Aber Änderungen in wichtigen Details werde es schon geben, fügte er hinzu, „weil es gibt ja mit Sicherheit Gründe, weshalb die Ergebnisse und Leistungen in den letzten Wochen dazu geführt haben, dass die Entscheidung gefällt wurde.“ Also die Entscheidung, Nagelsmann von seinen Aufgaben zu entbinden.

Was von Tuchel zu erwarten ist und wo er ansetzen dürfte, das lässt sich auch anhand seiner Vorgehensweise auf seinen vorherigen Stationen zumindest erahnen. Die Rollen der einzelnen Spieler dürfte er klar definieren, darunter der Flügelspieler, die als solche wieder deutlich erkennbar sein sollen. Bei Nagelsmann zogen diese vermehrt nach innen oder waren ohnehin auf den Halbpositionen in der Offensive postiert. Tuchel bevorzugt eine breitere Spielanlage. Auch deshalb, weil der Gegner dadurch auseinandergezogen wird und jeder Spieler Zeit gewinnt. Einher geht damit das Ziel, einen kontrollierten Ballbesitzfußball zu etablieren und die Spielweise zu ökonomisieren.

Bei Nagelsmann ging es oft auf direktem Wege nach vorne, was mit dem Risiko verbunden war, Ballverluste zu erleiden. Nach diesen mussten sofort die nächsten Sprints folgen, um im sogenannten Gegenpressing die Bälle zurückzuerobern. Misslang das, mussten die Bayern dem gegnerischen Angriff hinterherrennen, was weitere Hektik in der dann unsortierten Defensive zur Folge hatte. Von Tuchel erhoffen sich die Münchner, wieder mehr Ruhe und weniger Risiko ins Spiel zu bringen – und damit mehr Dominanz.

Die Kombination ist wichtig

Einen solch kontrollierten Kombinationsstil hatte er auch seinen spielstarken Belegschaften in Dortmund und bei Paris Saint-Germain vermittelt. Beim FC Chelsea war die Kaderstruktur eine andere, dort legte Tuchel den Schwerpunkt auf eine stabile Defensive. Beim FC Bayern wünschen sie sich bestenfalls eine Mischung aus Tuchels drei vorherigen Stationen: einen Offensivstil mit einer konstanten Spielkontrolle und weniger Gegentoren.

Tuchel gilt als detailverliebt, er kann seine Spieler auch mal damit nerven, immer wieder Pässe in der exakten Schärfe und im perfekten Winkel einzufordern, damit es der Adressat bei der Spielfortsetzung möglichst einfach hat und der Fluss des gesamten Gefüges optimiert wird. Doch so richtig tief in diese Feinarbeit dürfte er erst nach und nach einsteigen – kurzfristig geht es ihm jetzt erst einmal um einen Sieg im Spitzenspiel gegen den BVB: „Es gilt, den ersten Schritt zu gehen, das erste Ausrufezeichen zu setzen.“

Wie er es schon vorgemacht hat, mit seinem leichten Fußtritt in Sanés Hintern.