Interessierte Besucher bei einer Führung im Museum. Foto: Eibner-Pressefoto/Sandy Dinkelacker

Lange her und doch aktuell: Böblingens Umgang mit harten Zeiten. Das Bauernkriegsmuseum vermittelt Wissenswertes und Lehrreiches.

Krisen versucht man in eigentlich zu meiden. Nicht so in Böblingen. Ein kleines, aber wissbegieriges Grüppchen von sieben Besuchern will eine Führung mit Lea Wegner erleben. Sie hat die Ausstellung „Krieg. Krise. Knappheit. In Böblingen“ im Bauernkriegsmuseum kuratiert – weiß also extrem viel über Krisenzeiten und vor allem: was man daraus lernen kann.

Identifikation mit Zeitgenossen

Für Wegner, die das Museum seit einem Jahr leitet und innovative Wege der Vermittlungsarbeit geht, steht stets „das Handeln der Menschen im Vordergrund: „Wie gehen sie mit einer Krise um?“ Die Besucher sollen sich mit den Zeitgenossen identifizieren können. „Das ist eine Vermittlungsform, die sich sowohl für Erwachsene als auch Kinder eignet“, sagt Wegner.

An diesem Tag hören die Besucher von Teuerung, Hunger und Missernten im 16. Jahrhundert. Wie heute spielte auch damals das Klima eine Rolle: Mit einem Vulkanausbruch in Indonesien anno 1257 bricht die kleine Eiszeit an, die fast bis ins 17. Jahrhundert hinein wirkt und schwere Hungersnöte nach sich zieht. Lea Wegner unterstreicht die Parallelen zu heute: Wie im Falle der Maskendeals gab es auch damals Profiteure der Hungerjahre. So weiß man von einem Böblinger Amtsmann, der Geld unterschlagen und seine Stellung auf Kosten armer Leute missbraucht hat. Die Zuhörer lauschen gespannt und beginnen selbst Parallelen zur Gegenwart oder Ereignissen in der Geschichte zu ziehen.

Hungerbrötchen aus Birkenmehl

Die weiteren Themen der Ausstellung beleuchtet Lea Wegner in kurzen Schlaglichtern. So ging der 30-jährige Krieg mit Seuchen wie der Pest einher, die sich durch die Flucht vom Land hinter die Stadtmauern ausbreitete. Man erklärte sich die Übertragung mit Miasmen – übel riechenden Dämpfen. Das ist zwar nur zum Teil richtig, aber man hatte den Zusammenhang zwischen Gesundheit und Hygiene erkannt, schloss öffentliche Einrichtungen und sorgte für mehr Sauberkeit. „Man hat die Pest im Resultat bekämpft“, sagt Wegner.

Die nächste Krise begann mit dem Ausbruch des Tamboras 1815, der zu einem Jahr ohne Sommer führte und einem „fast kompletten Ernteausfall“. Die Rezepte dagegen: Man importierte Getreide und buk mit Birkenmehl „Hungerbrötchen“.

Lernen aus der Vergangenheit

Die zunehmende Verelendung großer Bevölkerungsteile führte dann in den 1840ern zu einer Auswanderungswelle nach Amerika. Diese illustriert Wegner mit einer kinderreichen Familie aus dem Kreis. Sie erhielt einen Zuschuss, um sich in Übersee anzusiedeln. Die soziale Maßnahme hatte aber eine Kehrseite: So habe man sich armer Menschen und Randgruppen entledigt. Die Weltwirtschaftskrise und die Hyperinflation machten den Menschen in den 1920ern schwer zu schaffen. Mit städtischen Notgeld wurde versucht, gegenzusteuern.

Die krisenhafte Nachkriegszeit schließlich dokumentiert die Schau mit Lebensmittelkarten und Fotos von Wohnbaracken. An die Bruchbuden und Freibankfleisch (Fleisch aus Notschlachtungen) können sich die Besucher zum Teil sogar noch selbst erinnern. Sie finden die Führung so spannend, dass der ein oder andere sogar plant, ein weiteres Mal ins Bauernkriegsmuseum zu kommen und sich mit den Krisen auseinanderzusetzen – und im besten Fall daraus zu lernen.

Umfangreiches Begleitprogramm

Für Große
 In der begleitenden Führungsreihe „Krise im Fokus“ am 17.6., 8.7., 2.9., 14.10. und 22.10. steht jeweils einer der fünf Themenblöcke der Schau im Mittelpunkt.

Für Kleinere
Auch für Kinder und Jugendliche gibt es ein Programm: So können sie allein oder mit der Familie eine Rallye unternehmen und auf der Basis von altersgerechten Texten in einem Begleitheft Rätsel lösen. Eine Führung für Kinder ab 6 bis 11 findet am 8.7., 2.9 und 14.10. um 14 Uhr statt. Außerdem veranstaltet das Museum Aktionstage am 10.6. und 5.8. sowie am 11.6. und 6.8. zum Thema Brot beziehungsweise Getreide. Teil des Programms sind Brotbacken, Basteln und eine Pflanzaktion.