Bahnfahren muss attraktiver werden, da sind sich viele Politiker einig. Foto: Lichtgut/Julian Rettig

Die mögliche Verlängerung der Stadtbahnlinie U7 von Nellingen nach Esslingen wird nochmals anhand neuer Kriterien geprüft. Könnte auch Filderstadt davon profitieren?

Es ist ein Gedankenspiel mit vielen Konjunktiven. Doch wenn die Verlängerung der Stadtbahn-Verbindung U7 von Nellingen nach Esslingen sich nun doch wirtschaftlich darstellen ließe, weil eine neue Berechnungsgrundlage gilt, könnte das dann nicht auch für eine Schienenverbindung von Filderstadt über Neuhausen ins Neckartal gelten?

Denn Fakt ist, dass es für das sogenannte standardisierte Verfahren, mit dem die Wirtschaftlichkeit eines Stadtbahn-Projekts geprüft wird, seit dem 1. Juli 2022 neue Kriterien gibt. So werden künftig unter anderem auch die Komponenten Barrierefreiheit, Klimaschutz und Energiespareffekte durch die Verlagerung des Verkehrs auf die Schiene berücksichtigt. Vor diesem Hintergrund hatte der Landrat Heinz Eininger vor Kurzem angekündigt, dass der Landkreis im kommenden Jahr eine Machbarkeitsstudie in Auftrag geben werde. In dieser soll analysiert werden, ob sich die Verlängerung der U7 von Nellingen nach Esslingen unter den geänderten Vorzeichen nun rechnet.

Freie Wähler Filderstadt verfassen zwei Schreiben

Die Freien Wähler in Filderstadt haben diesen Vorstoß mit Freude zur Kenntnis genommen. Die Fraktion setze sich seit vielen Jahren für einen Ringschluss von Filderstadt über Neuhausen ins Neckartal ein, sagt deren Vorsitzender Stefan Hermann. In einem Schreiben hat er an Heinz Eininger appelliert, sich auch für eine nochmalige Wirtschaftlichkeitsprüfung dieser Variante einzusetzen. „Denn die zweitgrößte Stadt des Landkreises darf nicht im Windschatten des ÖPNV bleiben und braucht als von Lärmverschmutzung höchst betroffene Stadt wirksame Entlastungen vom Individualverkehr“, heißt es in der E-Mail an das Landratsamt.

Ein ganz ähnliches Schreiben hat Stefan Hermann an den Filderstädter Oberbürgermeister Christoph Traub verfasst. In dem Antrag heißt es: „Die Stadtverwaltung setzt sich mit Nachdruck auf verschiedenen Ebenen – unter anderem beim Landrat – dafür ein, dass neben der Variante eines Ringschlusses zwischen Ostfildern und Esslingen auch der alternative Ringschluss von Neuhausen ins Neckartal nochmals anhand der neuen Wirtschaftlichkeitskriterien geprüft wird, bevor diese Möglichkeit verbaut ist.“

Es gab mal eine Stadtbahn von neuhausen nach Esslingen

Grundsätzlich ist der OB mit den Freien Wählern einer Meinung. „Ein Ringschluss ist uns ein großes Anliegen“, sagt Christoph Traub. Allerdings gehe es bei der erneuten Wirtschaftlichkeitsprüfung für die Strecke von Ostfildern-Nellingen nach Esslingen um eine Stadtbahn und nicht um eine S-Bahn wie zwischen Filderstadt und Neuhausen. Und die neuen Prüfkriterien seien nicht ohne Weiteres auf eine S-Bahn-Verbindung übertragbar. Die beiden Verkehrsmittel dürfe man in dieser Diskussion nicht durcheinanderbringen, sagt Traub. Er ergänzt aber auch: „Wenn es darum geht, in diese Überlegung noch einmal einen schienengebundenen Ringschluss von Neuhausen ins Neckartal einzubringen, dann hat mich Herr Hermann an seiner Seite.“

Landrat Heinz Eininger hat Stefan Hermann bereits direkt geantwortet. Er schreibt: „Für den S-Bahn Ringschluss ist der Verband Region Stuttgart Aufgabenträger. Das Thema ist dort platziert, und der Landkreis wird den Verband Region Stuttgart entsprechend unterstützen und sich einbringen, wenn sich Chancen und Möglichkeiten für eine wirtschaftliche Tragfähigkeit ergeben.“ Bei den bisherigen Untersuchungen für einen S-Bahn-Ringschluss zwischen den Fildern und dem Neckartal sei eine wirtschaftliche Tragfähigkeit jedoch nicht absehbar gewesen. Lediglich weitere Überlegungen zu einem Stuttgart-Kirchheim-Express – einem schnellen Regionalzug, der über den Flughafen zwischen diesen beiden Städten verkehren würde – könnten zielführend sein. Der Landrat ergänzt aber auch, dass sollte sich die Stadtbahn zwischen Nellingen und Esslingen realisieren lassen, von dort aus sicher weitere Anbindungsmöglichkeiten betrachtet werden können.

Auch eine Seilbahn könnte eine Option sein

Stefan Hermann ist mit diesen Antworten nicht ganz zufrieden. Die Trägerschaften von S-Bahn und Stadtbahn seien sicher zu unterscheiden, räumt er ein. Aber ihm gehe es darum, politische Überzeugungsarbeit zu leisten, und dabei würde er sich noch mehr Unterstützung wünschen. Das Ziel müsse ein attraktiver öffentlicher Personennahverkehr sein. Dafür brauche es den Ringschluss – auf welchem Wege auch immer, auch eine Seilbahn sei denkbar. Letztlich gehe es darum, die B 27 zu entlasten und den geplanten sechsspurigen Ausbau zu verhindern. „Das ist meine Motivation“, sagt Stefan Hermann.

Eine Verbindung zwischen Filder und Neckartal

Straßenbahn
52 Jahre lang gab es eine Linie zwischen den bäuerlich geprägten Filderdörfern und dem industrialisierten Neckartal: Die Straßenbahn Esslingen-Nelllingen-Denkendorf (END) ging 1926 in Betrieb und wurde 1929 um eine Stichbahn von Nellingen über Scharnhausen nach Neuhausen erweitert. Doch Anfang der 1970er Jahre begann vor dem Hintergrund dringend anstehender Modernisierungen die Diskussion über die Zukunft des END-Schienenbetriebs. Im September 1975 kündigten die Stadt Esslingen und die Stuttgarter Straßenbahnen AG als END-Gesellschafter ihren Ausstieg an. In der Nacht zum 1. März 1978 endete der Betrieb.

B 27
Seit Jahren wird über einen möglichen sechsspurigen Ausbau der B 27 zwischen Aichtal und Leinfelden-Echterdingen diskutiert. Zuletzt ist er zunehmend in Frage gestellt worden. Die derzeitige Verkehrsbelastungen überschreite jedoch deutlich die für eine vierspurig ausgebaute Bundesstraße vorgesehenen Verkehrsstärken, so die Aussage des zuständigen Ministeriums. Für das Projekt sei seinerzeit ein sehr hoher Kosten-Nutzen-Faktor von mehr als 10 ermittelt worden, der Bundestag habe es 2016 im „vordringlichen Bedarf“ eingestuft. Derzeit stellt das Regierungspräsidium Stuttgart die Unterlagen zur Vorplanung fertig.