Rekonstruktion eines Panzerlurchs in seinem natürlichen Lebensraum in den Keupersümpfen der Trias im Stuttgarter Naturkundemuseum Museum am Löwentor. Foto: SMNS

238 bis 234 Millionen Jahre alte Fossilien liefern neue Erkenntnisse über die erstaunliche Anpassungsfähigkeit und Evolution der Ur-Lurche in der späten Trias, wie Forscher des Stuttgarter Naturkundemuseums herausgefunden haben.

Vor rund 238 Millionen Jahren herrschten auf dem Gebiet des heutigen Deutschland lebensfeindliche Bedingungen. Eine extrem trockene Landschaft und salzhaltige Gewässer machten vor allem Amphibien das Überleben schwer.

Bisher waren aus dieser Zeit vor allem Fossilien von Muscheln und vereinzelte Fischreste bekannt. Ein Forscherteam des Stuttgarter Naturkundemuseums konnte nun durch die Untersuchung bisher unbearbeiteter Fossilien aus den Sammlungen des Hauses eine unerwartete Vielfalt von Ur-Lurchen – so genannte Temnospondylen oder Panzerlurche – aus der Obertrias nachweisen.

Fossil eines Schädels von Plagiosternum in der Ausstellung des Naturkundemuseums Stuttgart - Museum am Löwentor. Der Urlurch Plagiosternum überlebte mehrere Millionen Jahre länger, als bisher angenommen. Foto: SMNS/L. Reinöhl

Die Entdeckung liefert wichtige neue Erkenntnisse zur Evolution, Ökologie und Verbreitung dieser Tiere, die zum Teil früher und länger lebten als bisher angenommen. Die Studie ist in der Fachzeitschrift „Fossil Record“ veröffentlicht.

Vorfahren der heutigen Amphibien

Die Temnospondylen waren eine Gruppe ursprünglicher Landwirbeltiere und mögliche Vorfahren der heutigen Amphibien. Sie lebten vom Karbon vor etwa 340 Millionen Jahren bis zum Beginn der Kreidezeit vor etwa 110 Millionen Jahren.

Die untersuchten Ur-Lurch-Fossilien stammen aus der 238 bis 234 Millionen Jahre alten Grabfeld-Formation und wurden in der Nähe von Heilbronn und Nürnberg gefunden. Bei ihrer Untersuchung konnten die Forschenden Überreste von Gerrothorax, Plagiosternum und Metoposaurus nachweisen. Der Fund eines Metoposauriers aus der Obertrias gilt als der bisher weltweit älteste Nachweis.

Plagiosternum Foto: Imago/StockTrek Images
Gerrothorax Foto: Imago/UIG/imago stock&people

„Wir konnten zeigen, dass es Metoposaurier schon deutlich früher gab als bisher angenommen und können nun eine Verbindung zwischen dem vermeintlichen Vorfahren Callistomordax und jüngeren Fossilienfunden herstellen. Außerdem vermuten wir, dass sich die Metoposaurier in Mitteleuropa entwickelt und sich dann weltweit ausgebreitet haben“, erklärt Raphael Moreno, Erstautor der Studie und Paläontologe am Naturkundemuseum Stuttgart.

Wissenslücke geschlossen

Zwei weitere Funde aus der Grabfeld-Formation konnten den beiden Plagiosaurier-Arten Gerrothorax und Plagiosternum zugeordnet werden. Auch diese Fossilien verändern die bisher angenommene zeitliche Einordnung der beiden Arten.

Der Gerrothorax-Fund schließt eine Wissenslücke zwischen den bisherigen Funden aus dem Lettenkeuper und den 10 Millionen Jahre jüngeren Fossilien aus dem Schilfsandstein. Der Ur-Lurch Plagiosternum überlebte mehrere Millionen Jahre länger als bisher angenommen.

Mastodonsaurus Foto: Imago/Panthermedia

Wenige Zentimeter bis fünf Meter groß

Fossilien von Temnospondylen finden sich fast überall auf der Welt. In Baden-Württemberg wurden besonders viele Exemplare gefunden. Die Ur-Lurche haben in ihrer mehr als 200 Millionen Jahre langen Existenz eine unglaubliche Vielfalt an Lebensformen und Anpassungen entwickelt.

So gibt es eine Größenspanne von wenigen Zentimetern bis hin zum 5 Meter langen Mastodonsaurus. Die Tiere besiedelten die unterschiedlichsten Lebensräume an Land und im Wasser. Die aktuelle Studie liefert nun einen Hinweis darauf, dass Temnospondylen auch in Gewässern mit erhöhtem Salzgehalt lebten.

So könnte die Umwelt der Ur-Lurche ausgesehen haben (Zeichnung um 1930). Foto: Imago//Gemini Collection

Vernetzung von Fundstellen

In einer anderen, im Fachblatt „Palaeontology“ erschienen Studie wurde mit Hilfe von Computersimulationen untersucht, auf welchen Wegen sich die Temnospondylen wahrscheinlich weltweit ausgebreitet haben.

Dazu wurden mehrere heutige Fossilfundstellen miteinander „vernetzt“. Die Kombination der realen Fundstellen mit Modellen der damaligen Klima- und Umweltbedingungen zeigt, dass geografische Barrieren einen weitaus geringeren Einfluss auf die Ausbreitung der Ur-Lurche hatten als das Klima.

„Die verschiedenen Gruppen der amphibisch lebenden Temnospondylen folgten den besten klimatischen Bedingungen entlang der Fließgewässer“, sagt Raphael Moreno. „Trotz ihrer großen Anpassungsfähigkeit bevorzugten die Urlurche meist Gebiete mit hohen Temperaturen, viel Niederschlag und wenig ausgeprägten Jahreszeiten.“,