Opfer von sexuellem Missbrauch haben oft jahrelang mit dem Erlebten zu kämpfen (Symbolbild). Foto: imago images/Panthermedia/AndreyPopov via www.imago-images.de

Im Sommer 2016 verbringen mehrere Familien ein Wochenende an der Mosel. Dort kommt es zu einem Vorfall,unter dem eine junge Frau noch heute leidet. Das Amtsgericht glaubt ihren Schilderungen.

Als die beiden Gruppen im Gerichtsflur aufeinandertreffen, fliegen Schmähungen auf Russisch. „Schau dich im Spiegel an, nach allem, was du gemacht hast“, wirft eine junge Frau ihrem soeben verurteilten Peiniger entgegen. Dann trennen sich die Gruppen, ehe die Lage eskaliert.

Das Amtsgericht Waiblingen hat am Freitag einen 42 Jahre alten Backnanger wegen sexueller Nötigung und sexuellem Kindesmissbrauchs zu einem Jahr und acht Monaten Haft verurteilt – ohne Bewährung. In einem Fall ohne direkte Zeugen, ohne psychologischen Sachverständigen hätte das Urteil auf den ersten Blick wohl auch anders lauten können – doch mehrere gewichtige Gründe veranlassten den Vorsitzenden Richter Martin Luippold schließlich dazu, dem Opfer zu glauben und auch von einer Bewährungsstrafe gegen den bislang nur wegen einer Trunkenheitsfahrt vorbestraften, zweifachen Familienvater abzusehen.

Wie so oft in Fällen von Kindesmissbrauch, offenbarte sich das Opfer erst deutlich später, im vergangenen Sommer. Der genaue Zeitpunkt der Tat ist unklar, einiges spricht dafür, dass es im Juni 2016 zu dem Vorfall kam. Der Vater der damals 13-Jährigen hatte das Mädchen für ein Wochenende zum Angeln nach Frankreich mitgenommen, andere Familien beteiligten sich ebenfalls – so auch ein Freund des Vaters, der heute 42-jährige Angeklagte.

Man campte am Ufer der Mosel. Am Nachmittag unternahmen der spätere Täter und das Opfer zusammen eine Ausfahrt auf einem Schlauchboot – der Mann auf der Anklagebank sagte aus, das Mädchen habe ihn dreimal darum angebettelt, die Betroffene erzählte hingegen, er habe sie zu der Bootstour eingeladen.

Widerspruch ließ der Täter nicht gelten

Das Opfer schilderte, dass der Mann es auf dem Boot überredet habe, erst sein T-Shirt, dann auch den BH nach oben zu schieben. Widerspruch habe der Mann nicht gelten lassen und das Kind, das allein mit dem Bekannten auf dem Wasser, außerhalb der Sichtweite der Familie, tat schließlich wie geheißen. Der Angeklagte hätte es erst an den Brüsten berührt und das Mädchen dann überredet, auch Hose und Unterhose herunterzuziehen. Auch im Schambereich berührte er es, gegen seinen Willen. Später, nachdem die beiden an Land gegangen waren, nötigte er die 13-Jährige, sein Glied anzufassen, während er in der Natur urinierte.

Der Angeklagte stritt all dies ab. Sein Anwalt führte vermeintliche Widersprüche in der Aussage des Opfers an – etwa die Art der getragenen Unterwäsche oder die Dauer der Tat, an die sich die Geschädigte nicht mehr genau erinnern konnte. „Aber sie hat uns die eigentliche Tat mit einer großen Detailgenauigkeit und einer großen Aussagekonstanz geschildert“, meinte Richter Luippold. Details wie den Fakt, dass sich ihr Peiniger während der Tat mit einer Hand am Ufer festhalten musste, um das Boot nicht abtreiben zu lassen, könne man sich kaum ausdenken. Auch die Schilderung ihrer Mutter ließ Luippold aufhorchen: Nach diesem Wochenende, erinnerte sich die Zeugin, habe ihre Tochter keine körperliche Nähe mehr zugelassen. Auch von einem Treffen mit ihrem ersten Freund kehrte ihre Tochter weinend zurück. Bis heute hat sie Probleme mit körperlicher Nähe. Zum Abschluss richtete Luippold einige Worte an die Betroffene: „Schuld ist in solchen Fällen nie das Kind. Es kann die Situation gar nicht einschätzen.“