Ende Februar läuft im Brüsseler Audi-Werk der letzte Q8 e-tron vom Band. Die Suche nach Alternativen für den Standort mit rund 3000 Angestellten läuft, die Hoffnungen sind aber gering.
Der Schock ist den Männern vor dem Audi-Werkstor ins Gesicht geschrieben. „Wir haben die Hoffnung nie aufgegeben, dass doch noch eine Lösung gefunden wird“, sagt Philippe, der seit drei Jahren in der Fahrzeugmontage arbeitet. Die kleine Gruppe der Streikenden steht schon seit Stunden im strömenden Regen vor der Fabrik am Boulevard de la Deuxième Armée Britannique, als die Nachricht die Runde macht, dass Audi die Autoproduktion im Werk Brüssel Ende Februar nächsten Jahres einstellen wird.
Mit dieser Mitteilung überraschte die Unternehmensführung in dieser Woche sogar den Betriebsrat und die Gewerkschaften. Denn noch im Sommer war ein Zeitplan zur Umstrukturierung des siechenden Standortes vorgelegt worden, das Aus sollte frühestens Ende 2025 kommen. Auf einer Betriebsversammlung im Ende Juli hieß es sogar, dass keine endgültige Entscheidung über die Zukunft des Werkes gefallen sei. Eine „Umstrukturierung des Standortes Brüssel“ sei allerdings unumgänglich, ließ die Konzernspitze damals wissen. Grund für diesen Schritt sei ein „Rückgang der Kundenaufträge im elektrischen Oberklassesegment“.
Probleme im elektrischen Oberklassesegment
In Brüssel wird ausschließlich das Luxusmodell Q8 e-tron gefertigt. Ursprünglich war von einer Produktion von 48 000 Fahrzeugen im Jahr 2024 die Rede. Diese Zahl wurde in den letzten Monaten regelmäßig nach unten korrigiert und ist auf 36 000 gesunken. Nach Angaben aus Gewerkschaftskreisen sollen nur 25 000 Autos vom Band gelaufen sein. Inzwischen ist man auch von diesen Zahlen weit entfernt. „Sie verkaufen kaum noch Autos und außerdem steht die Fabrik derzeit aufgrund eines Streiks bei den Subunternehmern still“, sagte Dominique Bray, Hauptdelegierte der Gewerkschaft CNE, der belgischen Tageszeitung „Le soir“.
Doch nicht nur der Rückgang der Verkaufszahlen für den Q8 e-tron sprechen in den Augen der Verantwortlichen gegen Brüssel. Das Werk habe im Vergleich zu anderen Standorten hohe Fixkosten und ein geringes Produktionsvolumen, was zu hohen Kosten pro Fahrzeug führe, heißt es in einer Mitteilung aus Deutschland. Das zu ändern, sei in diesem Fall kaum möglich, vor allem wegen der eingeengten Lage des Werkes zwischen einem Wohngebiet und einer Bahnlinie.
Schwierige Lage beim Audi-Mutterkonzern
Keine Hoffnung macht den Arbeitern in Brüssel auch die desaströse Lage beim Audi-Mutterkonzern Volkswagen. „Selbst in Deutschland werden wahrscheinlich Werke geschlossen“, sagt Philippe und wischt sich den Regen aus dem Gesicht, „wen interessiert dann noch unsere Zukunft.“ Die Männer vor dem Werkstor sind sich einig, dass das Unternehmen nun die Reißleine ziehe, um nicht noch mehr Geld in einen maroden Standort zu pumpen.
Audi teilte mit, dass man schon seit einiger Zeit Gespräche mit möglichen Investoren aus der Autobranche führe, doch keiner habe ein tragfähiges Konzept für das Werk vorlegen können. Im Moment sei man noch im Gespräch mit einem potenziellen Interessenten, heißt es von der Unternehmensführung. Als unrealistisch erwiesen sich auch die Hoffnungen, dass ein chinesisches Unternehmen das Werk übernehmen könnte – etwa um die hohen Zölle zu umgehen, die die EU auf den Import von Elektroautos aus Asien inzwischen erhebt. Fachleute rechnen vor, dass solche Investoren eher nach Ost- oder Südeuropa gingen, wo die Gehaltskosten deutlich niedriger sind als in Belgien.
Viele Ideen für die Zukunft des Standortes
Auch an anderen Zukunftsideen für das Brüsseler Werk mangelt es nicht. Wegen der Erfahrung mit Elektromobilität könnte ein Batteriewartungs- und Recyclingzentrum entstehen, heißt es. Angesichts der immer strenger werdenden Umweltvorschriften sehen manche die Möglichkeit in der Aufrüstung oder Demontage von Altfahrzeugen. Wieder andere hoffen auf ein Logistikzentrum für Ersatzteile. Bei allen Plänen wird allerdings deutlich, dass nur ein Bruchteil der im Moment 3000 Angestellten weiter Arbeit finden würde.
Die Unternehmensleitung von Audi will nach eigenen Angaben den in Belgien gesetzlich vorgeschrieben und bereits seit Monaten laufenden Informations- und Konsultationsprozess mit Betriebsräten und Gewerkschaften in zwei Wochen abschließen. Najar Lahouari, Präsident der Gewerkschaft MWB, gibt sich trotz des nahenden Endes noch kämpferisch. Die Arbeiter, die viele Jahre für Audi gearbeitet haben und nun entlassen werden, hätten ein Recht auf eine gerechte Abfindung.