Künstlertrio im Alten Amtsgericht: Der Kunstverein Böblingen präsentiert Arbeiten von Fabian Holzwarth, Jakob Bareiss und Heiner-Matthias Priesnitz (von links). Foto: Stefanie Schlecht

Gleich drei Ausstellungen hat der Böblinger Kunstverein zuletzt im Alten Amtsgericht eröffnet. Zu entdecken gibt es Zeichnungen von Heiner-Matthias Priesnitz, Fotografien von Fabian Holzwarth sowie Bildfantasien von Jakob Bareiss.

Drei sehr unterschiedliche Künstlerpersönlichkeiten bespielen seit vergangenem Wochenende das Alte Amtsgerichts. Der Kunstverein Böblingen hat Fabian Holzwarth, Jakob Bareiss, Heiner-Matthias Priesnitz eingeladen, ihre Arbeiten in dem Kulturzentrum auszustellen.

„Wer sich dem Werk von Heiner-Matthias Priesnitz im lauten Getöse des Weltgeschehens oder in der Reizüberflutung im Alltag nähert, sieht erst einmal nichts“, sagt Ausstellungskurator Günter Baumann. „Erst wenn der Betrachter willens ist, ein paar Gänge zurückzuschalten, wird er in scheinbar vernebelte Räume gezogen, die ihm vergegenwärtigen, dass auch die Stille tönt“, beschreibt Baumann die zarten Bleistiftzeichnungen, die bei flüchtiger Betrachtung kaum wahrnehmbar sind. Er zieht den Vergleich zur Anpassung des menschlichen Auges auf verminderte Lichtverhältnisse. So wie man sich erst allmählich an das Sehen im Dunkeln gewöhne, so brauche man bei Priesnitz’ Bildern selbst im Licht eine geraume Zeit, bis das Auge die zarte Strichführung erfasst.

Zeichnungen grenzen in Duktus und Inhalt an Verweigerung

Die extreme Härtestufe des Stifts lässt sparsam eingerichtete Interieurs erahnen, die im Duktus wie im Inhalt an Verweigerung grenzen. „Der Künstler nimmt nahezu trotzig in Kauf, dass man seine Arbeiten kaum fotografieren kann“, erklärt Baumann. „Man muss schon selbst davor stehen, um sich eine faszinierende Bildwelt zu erschließen.“

Der 1944 in Breslau geborene Zeichner Heiner-Matthias Priesnitz gehört noch einer Generation an, die in den Weltkrieg hineingeboren wurde und die in den Jahren danach oft vergebens auf die Rückkehr der Väter aus der Gefangenschaft warten musste. „Das Verschwinden und der Verlust sind die Kindheitsprägungen, die auch Priesnitz geprägt haben“, sagt Baumann. Seit den 1970er Jahren gab er in seinen Papierarbeiten dem Nicht-mehr-Sein seinen eigenwilligen Ausdruck. Sein besonderer Stil brachte ihm ein Stipendium an der Villa Massimo in Rom ein. Dass er als passionierter Rockmusiker auch laut sein könne, mache seine Kunst nur umso meditativer und bewusster, meint Baumann. „So wird diese Nicht-Malerei zur Haltung gegen die krachende Präsenz einer oft brutalen Wirklichkeit“, meint der Kunsthistoriker. Der Ausstellungstitel „Interieurs d’Attent“ verweist auf Warteräume, oder auch auf wartende Räume, sprich: auf die Einladung, visuell einzutreten.

Ausstellungstitel verweist auf Warteräume

Priesnitz’ Zeichnungen im Kabinett des Kunstvereins stehen Fabian Holzwarths Fotoarbeiten im Projektraum gegenüber. Hier wird das Thema Innen- und Außenraum ganz anders ausformuliert. Drastisch benennt der 1991 in Ludwigsburg geborene Schüler der Malerin Cordula Güdemann seine Ausstellung „Ein_reißen & Zusammen_setzen“. Aufgewachsen in einer analogen und friedlichen Welt, setzt er sich mit den Wirklichkeitsüberblendungen des digitalen und virtuellen Zeitalters auseinander.

Neufindung in einer zu Bruch gegangenen Welt

„In der Reflexion auf eine nicht enden wollende Pandemie und der aktuellen Bedrohung durch einen neuen Weltkrieg lesen sich diese Fotografien wie die Neuerfindung einer zu Bruch gegangenen heilen Welt“, formuliert Günter Baumann. „Man weiß eigentlich gar nicht“, so sagt Holzwarth selbst über seine Arbeit, „woher jetzt die Ressourcen kommen, aber irgendwo schlummert immer noch Zuversicht, und daraus schöpft man neue Energie.“

Lesen Sie aus unserem Angebot: Studenten der Akademie Stuttgart stellen im Alten Amtsgericht aus

Neben diesen beiden Ausstellungen zeigt der Kunstverein in der unteren Etage des Alten Amtsgerichts experimentelle Bildfantasien von Jakob Bareiss. „Tiger umarmt Hund“ heißt die knallige Schau des 1990 in Mutlangen zur Welt gekommenen Künstlers. Bareiss vereint hier Comic, Pop und abstrakte Ornamentik miteinander. „Seine Stärken liegen in der zeichnerischen Brillanz und dem Einsatz unterschiedlicher Materialien“, erklärt Baumann.

Augenzwinkernde Kombination von Möglichem und Unmöglichem

Im Gegensatz zu Priesnitz und Holzwarth, die den Raum zum Thema machen, bleibt Bareiss entschieden in der Fläche, dafür bezieht er den Ausstellungsraum aktiv in seine Präsentation mit ein. Augenzwinkernd kombiniert er Mögliches und Unmögliches, lässt der Fantasie des Betrachters freien Lauf und offenbart dabei deutliche Zeichen des Miteinanders von Mensch und Tier.

Künstler-Trio im Alten Amtsgericht Böblingen

Midissage
 Die drei Ausstellungen mit Arbeiten von Fabian Holzwarth, Jakob Bareiss, Heiner-Matthias Priesnitz sind noch bis zum 29. Mai im Künstlerhaus Altes Amtsgericht zu sehen. Nach dem „Soft Opening“ in der vergangenen Woche wird die Einführungsrede am Sonntag, 15. Mai, um 14 Uhr nachgeholt. Zur Ausstellungshalbzeit (Midissage) werden alle drei Künstler anwesend sein.

Öffnungszeiten
 Die Ausstellungsräume können jeweils mittwochs von 9.30 bis 12 Uhr und sonntags von 14 bis 17 Uhr besichtigt werden. Weitere Informationen unter www.kunstvereinbb.de im Netz.