Die Fahnenschwinger zeigen, was sie auf dem Kasten haben. Foto: Avanti/Ralf Poller

In Großbottwar (Kreis Ludwigsburg) können Besucher seit Samstag und noch am Sonntag Schaukämpfe verfolgen, Handwerker beobachten, mit der Armbrust schießen – und vieles mehr.

Auch wenn man kein ausgeprägtes Faible fürs Mittelalter hat, vergisst man auf dem Historischen Markt in Großbottwar bisweilen, dass wir eigentlich im 21. Jahrhundert leben. In einem Holzstall vor dem Rathaus gackern Hühner ganz aufgeregt. Durch die verwinkelten Gassen der Altstadt weht am Samstagnachmittag zudem der Geruch von brennenden Holzscheiten, um die Gewandete sitzen oder über denen sie ihre Töpfe mit Speisen erhitzen. Und dann biegt plötzlich auch noch laut tönend ein Festumzug um die Ecke – mit Stelzenläufern, Tanzgruppen, Musikern an altertümlichen Instrumenten sowie Frauen und Männern, die große Fahnen mehrere Meter hoch in die Luft werfen und gekonnt wieder auffangen.

Die Atmosphäre ist also ganz speziell bei diesem Event, das der Verein Miteinander Attraktives Großbottwar (MAG) in diesem Jahr zum 18. Mal auf die Beine stellt. Los ging es am Samstag um 14 Uhr. Am Sonntag, 28. September, können große und kleine Gäste von 11 Uhr an in die Welt des Mittelalters eintauchen und einem der mehr als 80 Stände einen Besuch abstatten.

Die Schmiede arbeiten ohne moderne Hilfsmittel. Foto: Avanti/Ralf Poller

„Großen Wert legen wir darauf, dass wir auch familien- und kinderfreundlich sind“, sagte Andrea Philippi, die Vorsitzende von MAG, im Vorfeld des Events. Das fange schon beim Eintritt an, der für Mädchen und Jungs unterhalb einer bestimmten Körpergröße frei ist. Komme eine Familie mit drei Kindern oberhalb des Stockmaßes, werde auch ein Auge zugedrückt und nicht für alle abkassiert, betont Philippi.

Bei einem Rundgang über das Gelände gibt es dann allerlei zu entdecken für Heranwachsende. Ganz kleine Kinder dürften vermutlich ihre helle Freude an einer Fahrt im Karussell haben. Wahrscheinlich werfen sie dann sogar staunend einen Blick auf die Antriebstechnik: ganz ohne Strom wird die Anlage per Kurbel von Menschenhand in Bewegung gesetzt und gehalten.

Direkt daneben hat die Freie Ritterschaft Baden ihr Lager aufgeschlagen. Hier wird für den ganzen Tross nach mittelalterlichen Rezepten gekocht. Damen verrichten zudem Handarbeit. Und die Gewandeten geben gerne Auskunft. Ein Rittersmann erklärt zum Beispiel, dass sein Kettenhemd aus rund 35000 einzelnen Ringen besteht. Man darf seine Schutzkleidung sogar anfassen, um ein Gefühl für das Gewicht zu bekommen. Auch an der Kochstelle erfährt man allerhand, unter anderem, dass Fleisch früher vor allem dem Adel vorbehalten war. Im Lager werden deshalb möglichst stilgerecht Dinkel-Gemüse, Lauch im Rahm und hartgekochte Eier aufgetischt.

Mit einem Meißel können in einen Stein Muster geschlagen und das Kunstwerk dann mitgenommen werden. Foto: Avanti/Ralf Poller

Beliebt ist beim jungen Publikum auch das Schießen mit einer Armbrust. In einer Miniaturburg spickeln Ritter über die Befestigungsringe, die man treffen muss. Wer viel Zielwasser getrunken hat, wird mit einem Preis belohnt. Einen Stopp könnte man mit Kindern zudem beim Zauberer einlegen. Wer es geheimnisvoll mag und einen Blick in die Zukunft riskieren will, dürfte bei der Wahrsagerin „Die Haselfrau“ an der richtigen Adresse sein. Sie legt Kunden zum Beispiel die Karten.

Kunstwerke aus Stein erschaffen

Lohnenswert ist gewiss auch ein Abstecher in die Handwerkergasse. Man kann hier unter Anleitung Muster in Steine meißeln und die kleinen Kunstwerke am Ende mit nach Hause nehmen. Entweder man orientiert sich dabei an einer Vorlage oder hat eine eigene Idee, die man gerne umsetzen möchte. Interessant ist es zudem, dem Schmied über die Schulter zu schauen, der mit reiner Muskelkraft und historischen Techniken seine Glut entfacht. Am Stand kann man sich auch gleich mit den Erzeugnissen eindecken: Grillgabeln, Schürhaken, Fibeln, Kreuzen und vielem anderen mehr.

Viel geboten ist darüber hinaus auf dem Marktplatz. Hier waren auf einer Bühne über den Tag verteilt mehrere Programmpunkte angekündigt worden, allen voran ein Schaukampf, um den herum eine Geschichte von Robin Hood erzählt werden sollte.

Essen ist nicht von der Stange

Nicht zu vergessen: die vielen Essensstände, an denen sich Groß und Klein stärken können, zum Beispiel mit Roggenfladen, Hirschgulasch oder Honigwein. Lässt man dabei den Blick zu all den kostümierten Besuchern und Standbetreibern schweifen, wird man nur ab und an aus der Mittelalterwelt gerissen: wenn zum Beispiel ein Ritter in die Hosentasche greift, ein Handy zückt und sich für ein Gespräch ans Ohr hält.